Ich war immer optimistisch, dass es zu einer Lösung kommt. Keine Lösung wäre für Europa sehr schädlich, für Großbritannien katastrophal gewesen. Intelligente Menschen suchen und finden daher Lösungen. Dass dies ein Pokerspiel bis zur letzten Minute war, liegt in der Natur der Sache und wurde von uns nie anders gesehen. Jetzt können wir alle aufatmen, Großbritannien bleibt wirtschaftlich ein Partner und wir müssen unsere Beziehungen so eng wie möglich gestalten. Großbritannien war, ist und bleibt ein Teil der europäischen Familie, auch wenn es nun aus dem gemeinsamen europäischen Haus ausgezogen ist. Aber wer weiß was die Zukunft bringt? Die biblische Geschichte vom verlorengeglaubten, aber wieder heimkehrenden Sohn kommt mir in Erinnerung. Und letztendlich wird die vielfältige Verbundenheit und Kooperation in Wissenschaft, Innovation, Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft dafür sorgen, dass wir doch in einer ganz spezifischen Partnerschaft zusammenwirken.
Wir haben Barnier bei seiner sehr schwierigen, aber bravourös gemeisterten Aufgabe immer unterstützt.
Finanzrahmen und Recovery
Die mühsam ausgehandelten Vorschläge der Kommission, des Parlaments und des Rates wurden zuletzt von Ungarn und Polen blockiert. Nunmehr gibt es inhaltliche Präzisierungen, Klarstellungen und damit eine Lösung, die für unsere Betriebe von so dringender Notwendigkeit ist. Europa hat damit wieder einmal eine Krise bewältigt, dafür aber ein Jahr gebraucht. In China braucht man dafür einen Tag. Gerade weil ich das chinesische System nicht möchte, muss unser System der Demokratie wesentlich entscheidungs- und handlungsfähiger werden. Das ist die Lehre, die wir für die Zukunft in mind haben müssen. Ich habe mich bei unseren ungarischen, polnischen, aber auch slowenischen Freunden sehr herzlich bedankt, die bereit waren, den gemeinsamen Standpunkt der europäischen Wirtschaft auch gegenüber ihren nationalen Regierungen zu vertreten. Es zeigt sich wieder einmal, dass eine gemeinsame Meinung imstande ist, viel zu bewirken und ein nicht unwesentlicher Teil der Lösung zu sein!
Chambers as Intermediators
Als Kammern haben wir viel erreicht, nicht nur inhaltlich, nicht nur bei rescue und recovery. Vielmehr ist auch unsere Aufgabe als Mitträger der gesellschaftlichen Verantwortung sichtbar geworden. Zwischen den politischen Entscheidern und den 20 Millionen Unternehmen mit 140 Millionen Beschäftigten stehend haben wir Wertschätzung auch in Ländern erfahren, in denen die Bedeutung der Chambers for Commerce and Industry in der Vergangenheit vielleicht nicht ganz so gewürdigt wurden. Wir haben diese Bewährungsprobe glänzend bestanden und viel Vertrauen bei den Betrieben und viel Respekt in der Politik erworben!
EZB Liquiditätshilfe
500 Milliarden zusätzliche Liquidität durch die EZB – das ist eine sehr konkrete und rasche Hilfe für viele Unternehmungen als Teil unserer Rescue and Recovery Strategy. Unser Dank gebührt Christine Lagarde für diese mutige Entscheidung.
55 % CO2-Reduktionsziel
Dieses Ziel ist unrealistisch und wishful thinking. Nun ist eine politische Entscheidung gefallen, das ist eine Willensbekundung und jetzt warten wir ab, wie die Kommission damit umgeht. Unsere Vorstellung ist klar: Einen konkreten Stufenplan zu erstellen mit Einbindung aller Beteiligten, um realistische Schritte nicht nur im Bereich der CO2-Reduktion, sondern der gesamten Circular Economy zu bewerkstelligen. EUROCHAMBRES wird dabei konstruktiv mitwirken, aber dafür Sorge tragen, dass unsere Betriebe weder inhaltlich noch bürokratisch dabei überfordert werden.
ERASMUS PLUS
Ein schöner Erfolg ist EUROCHAMBRES gelungen, indem wir jetzt das Jugendaustauschprogramm ERASMUS+ wesentlich ausgeweitet haben. Was ich mit Jean Claude Juncker vereinbart habe, das die Kommission dann vertreten hat, wir nach der finanziellen Kürzung durch den Rat mit dem Parlament Kontakt aufgenommen haben und nunmehr in den Verhandlungen zwischen Parlament und Rat eine Lösung in unserem Sinne gefunden werden konnte. Was bedeutet das für unsere Unternehmungen? Dass durch dieses Mehr an Mitteln nunmehr auch wesentlich mehr der berufliche Jugendaustausch stattfinden kann, was nicht nur für den europäischen Gedanken, sondern auch für den europäischen Arbeitsmarkt sehr bereichernd ist. Und: es gibt jetzt auch ein Jungunternehmer-Austauschprogramm, das auf unseren Vorschlag hin implementiert worden ist. Jungen Unternehmern die Möglichkeit zu geben, auch in anderen europäischen Ländern Erfahrungen, Anregungen, Ideen und Netzwerke zu erhalten, ist eine große Chance.
Auf ein besseres 21er Jahr!
Wie optimistisch waren wir am Beginn dieses Jahres, alle Anzeichen auf dem Barometer sind auf Schönwetter gestanden. Und dann plötzlich dieser Sturm, Corona genannt. Was für eine Herausforderung für unsere Betriebe! Wir mussten schauen, dass beim hohen Wellengang auf stürmischer See niemand über Bord geht und haben unseren Unternehmungen bestmöglich geholfen. Es war eine harte Bewährungsprobe für das Segelschiff Chamber of Commerce and Industry. Und wir mussten darüber hinaus auch Sorge tragen, dass viele Positionslichter, die die Politik zu setzen hatte, auch richtig blinken. Wir waren angespannt bis zum äußersten mit unseren Kräften, haben versucht, über Bord Gegangenen einen Rettungsring zuzuwerfen, um ihr Überleben zu sichern. Und wir haben als Schiffsmannschaft immer zusammengehalten. Auch unterschiedliche Meinungen und Ansichten wurden zurückgestellt, denn es ging einzig und allein darum, wirtschaftliche Interessen zu vertreten und damit unseren Betrieben zu dienen.
Das kommende Jahr 2021 wird weitere gewaltige Herausforderungen mit sich bringen. Wir müssen gute Beiträge leisten dazu, dass Liquidität und Eigenkapital nach den ersten Hilfsmaßnahmen auf nationaler und regionaler Ebene gewährleistet sind und dass wir als Kammern den Erwartungen unserer Leistungen für die Gesellschaft weiterhin entsprechen, indem unsere Unternehmen beschäftigen, ausbilden, Steuern zahlen und sozial wie ökologisch verantwortungsvoll handeln.
Wir müssen die Digitalisierung rascher als bisher geglaubt vorantreiben und in diesem Zusammenhang Fairness für die kleinen und mittleren Unternehmen einfordern. Weniger Bürokratie, faire Besteuerung und höhere Wertschätzung sind eine Notwendigkeit, für die sich die Kammern immer unermüdlich einsetzen werden.