Die voestalpine tut es seit exakt 20 Jahren, Wienerberger seit dem Vorjahr und das Hitech-Unternehmen Frequentis seit heuer. Sie alle beteiligen ihre Mitarbeiter am Unternehmen. Dafür, dass sie das tun, gibt es gleich mehrere Gründe. Mitarbeiter, die am Unternehmen und dessen Erfolg beteiligt sind, gelten gemeinhin als motivierter und loyaler dem Unternehmen gegenüber. Auch bei der Rekrutierung von gut ausgebildeten Fachkräften kann die Beteiligung der Mitarbeiter zu einem entscheidenden Argument werden, wie junge Start-ups – vor allem im angloamerikanischen Sprachraum – zeigen. Nicolaus Mels-Colloredo, Spezialist für Arbeitsrecht bei PHH Rechtsanwälte Wien, bringt es auf den Punkt: „Es geht darum, die Mitarbeiter abzuholen, indem man ihnen das Gefühl gibt, dass ein Teil des Unternehmens ihnen gehört.“
Eine der Möglichkeiten, dies zu tun, besteht in der Gründung einer Mitarbeiterbeteiligungs-Privatstiftung, wie es etwa Wienerberger getan hat. Der international tätige Konzern hat als erstes Unternehmen in Österreich jene Chancen genutzt, die die – seit 2018 – geltende Rechtslage für solche Stiftungen bietet. In der ersten Beteiligungsrunde 2019 nahmen 28 % der teilnahmeberechtigten Mitarbeiter die Chance wahr, vergünstigte Aktien des Unternehmens zu erwerben. 2020, in der zweiten Runde, in der das Programm über Österreich hinaus ausgeweitet wurde, beteiligte sich wiederum rund ein Viertel der Mitarbeiter mit einem durchschnittlichen Investment von 3.300 Euro. Ein mehr als beachtlicher Erfolg, vor allem vor dem Hintergrund, dass diese Investments mitten in der Corona-Krise getätigt wurden. Wienerberger CEO Heimo Scheuch: „Die hohe Beteiligung ist ein klares Signal der Stärke – gerade in diesen schwierigen Zeiten. Es zeigt, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die Zukunft von Wienerberger glauben.“ Eines jedenfalls ist klar: Die Gründung einer Mitarbeiterbeteiligungsstiftung schafft für ein börsennotiertes Unternehmen eine Win-win-Situation. Je höher die Beteiligung der Stiftung bzw. der Mitarbeiter am Unternehmen, desto schwieriger wird eine feindliche Übernahme des Unternehmens. Auf der anderen Seite profitieren die Mitarbeiter von einer guten Entwicklung des Unternehmens.
RÄTEMODELL ODER DOCH AKTIONÄR?
Vorbild für diese Art der Mitarbeiterbeteiligung ist die voestalpine, die ihre Stiftung vor 20 Jahren ins Leben gerufen hat. Ein damals durchaus umstrittener Plan. Tatsächlich ist es dieser Stiftung zu verdanken, dass die voestalpine in ihrer heutigen Form noch existiert und ein österreichisches Unternehmen ist. Als 2003 das Geheimprojekt „Minerva“, das den Verkauf der ÖIAG-Anteile (rund 35 %) an den Automobilzulieferkonzern Magna vorsah, ans Licht der Öffentlichkeit gelangte, reagierte die voestalpine Mitarbeiterbeteiligung Privatstiftung flugs mit einer Aufstockung ihrer Anteile auf über 10 %. Eine Grenze, ab der ein „Squeeze-out“ aller anderen Aktionäre nicht mehr möglich ist. Einer feindlichen Übernahme war damit der Wind aus den Segeln genommen. Heute halten die Mitarbeiter via Stiftung 14,8 % am Unternehmen.
Beim Hightech-Unternehmen Frequentis, welches ebenfalls heuer ein Mitarbeiterbeteiligungsmodell umgesetzt hat, wurde ein anderer Weg gewählt. Hier wurden den Mitarbeitern die Aktien direkt zu einem um 20 % ermäßigten Preis angeboten. Rund 35 % der Belegschaft machten vom Angebot Gebrauch. Ein Investment, das sich bisher jedenfalls durchaus ausgezahlt hat. Knapp fünf Monate nach Abschluss der Transaktion beträgt der Zugewinn auf Basis des aktuellen Aktienkurses mehr als 33 Prozent. Und dies, obwohl die Frequentis- Aktie zwischenzeitig ziemlich unter Druck stand. Im November winkt den Mitarbeitern zusätzlich die erste Dividende.
Die Beispiele Wienerberger, voestalpine und Frequentis können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Beteiligung von Mitarbeitern an Unternehmen im internationalen Vergleich hinterherhinkt, wie eine heuer im Auftrag des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie erschienene Studie zeigt (siehe Grafik). Dass die Beteiligung von Mitarbeitern nicht nur für börsennotierte Unternehmen ein relevantes Incentive ist, hat die aktuelle Bundesregierung jedenfalls erkannt. Im Regierungsprogramm wird die Schaffung einer neuen Gesellschaftsform angekündigt, die unter anderem eine „flexible Anteilsvergabe an mögliche Investoren und Mitarbeiter“ möglich machen soll. Derzeit ist das geltende österreichische Gesellschaftsrecht kein kleiner Hemmschuh auf dem Weg zur Mitarbeiterbeteiligung. Bei einer GmbH muss jede einzelne Beteiligung eines Mitarbeiters notariell beglaubigt und sodann im Firmenbuch eingetragen werden. Eine nicht nur zeit-, sondern auch kostenintensive Angelegenheit. „Der einfachste und eleganteste Weg ist sicher die Beteiligung in Form von Aktien“, meint PHH-Rechtsanwalt Nicolaus Mels-Colloredo. Anders als in der Schweiz, wo es zum guten Ton gehört, gleich eine AG zu gründen, ist die AG in Österreich allerdings vor allem etwas für „große Unternehmen“, so die vorherrschende Meinung. Das schlägt sich auch in nackten Zahlen nieder. Während in der Schweiz Anfang 2019 mehr als 218.000 AGs registriert waren, zählt die Wirtschaftskammer Österreich gerade 1.272 Aktiengesellschaften zu ihren Mitgliedern. „Was die Beteiligung von Mitarbeitern am Unternehmen betrifft, lässt sich prinzipiell natürlich alles machen“, kommentiert Nicolaus Mels-Colloredo: „Es wird nur alles immer schwieriger, je weiter man sich von der Aktiengesellschaft in Richtung Personengesellschaft bewegt.“
Autor/in: HARALD FERCHER
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