2017 gründete der ehemalige AKG-Manager Martin Seidl das Wiener Start-up Austrian Audio, das aktuell bereits in 65 Ländern weltweit aktiv ist. Es sind vor allem renommierte Tontechniker mit ihren hohen Qualitätsansprüchen, die immer mehr Mikrofone und Kopfhörer von Austrian Audio einsetzen – wie etwa Dave Natale, Tontechniker für die Rolling Stones, Jeff Beck / Johnny Depp sowie Howard Page (Sting) – oder Bill Sheppel und Obie O‘Brien, die für Bon Jovi arbeiten.
Aufstieg zum „Global Player“
Der große Erfolg des in Wien ansässigen Unternehmens spiegelt sich in der gesamten internationalen Musik- und Audiobranche wider – erst im Juni dieses Jahres hat Austrian Audio sogar den “Oscar” der Branche, den renommierten “TEC Award 2022”, für den besten Kopfhörer des Jahres verliehen bekommen. In Japan hat Austrian Audio darüber hinaus den “VGP 2022 Summer Award” gewonnen – ein prestigeträchtiger Preis in Asien.
Im Interview erzählt Firmengründer Martin Seidl, wie alles begonnen hat – und wohin der Weg führen soll.
20 Produkte hat Austrian Audio in nur drei Jahren entwickelt und 2022 sogar den renommierten TEC Award 2022 abgeräumt – werdet ihr 2023 einen Gang zurückschalten?
„Mit Sicherheit nicht. Wir haben noch viel vor. Und das wird von uns auch erwartet, nicht zuletzt angesichts unserer vielen neuen Auszeichnungen. Den Oscar der Musikindustrie, den TEC Award, haben wir heuer im Juni für den Kopfhörer Hi-X65 bekommen – Titel: “Bester Kopfhörer des Jahres” – und damit haben wir in den USA sogar den Weltkonzern mit dem berühmten Fruchtlogo auf Platz zwei verwiesen. Schon cool: Ich bin bei der Verleihung gesessen und mir ist eine Träne heruntergekullert. Und es war so ein großes Wohlwollen uns gegenüber in diesem Saal. Jetzt sind wir wieder mit den nächsten vier Produkten für die TEC Awards nominiert. In Japan haben wir für den Hi-X65 Kopfhörer den VGP 2022 Summer Award gewonnen – ein sehr prestigeträchtiger Preis in Asien. Der japanische Markt ist äußerst interessant für uns, weil es dort fast an jeder Ecke eigene Kopfhörer-Läden gibt. Und der Hi-X15 wiederum hat zum zweiten Mal in Folge den What Hi*Fi? Award für “Best wired headphones under £100” gewonnen. Das ist vielleicht für manche Audio- und Pro-Audio-Liebhaber auch eine zusätzliche Motivation, sich selbst oder anderen das eine oder andere Austrian Audio-Produkt unter den Weihnachtsbaum zu legen.“
Und 2023 wird es weitere Innovationen geben?
„Davon ist auf jeden Fall auszugehen.“
Was kann schon verraten werden?
„Es wird sich im Kopfhörerbereich abspielen – im absoluten Topsegment. Auch im Mikrofonbereich sind wir schon konkret bei der Entwicklung.“
In-Ear-Kopfhörer bzw. Ohrenstöpsel sind kein Thema?
„Der Vorteil unserer Marke ist, dass wir uns immer nach oben orientieren, weil wir primär auf den Pro-Audio-Bereich abzielen, damit Leute, die hauptberuflich auf der Bühne stehen, gut damit arbeiten können. Das heißt, wir kommen immer von dort her, wo die Ansprüche ganz oben liegen. Und natürlich schauen wir dann auch darauf, wie man das noch kosteneffizienter realisieren kann. Und ja: Stöpsel braucht man im Pro-Audio-Bereich auch, nämlich beim In-Ear-Monitoring auf der Bühne. Dieser soll nahezu Studioqualität liefern, damit ich gut performen kann. Und hier kann man auch sicher für den Consumer-Markt entsprechende Derivate ableiten.“
In manchen Tonstudios sieht man noch immer die alten AKG-Kopfhörer herumhängen – ist Austrian Audio in diesem Bereich noch nicht angekommen?
„Ganz im Gegenteil – ich muss sagen, es ist erstaunlich, wie sehr wir schon angekommen sind. In nur fünf Jahren! Wir haben es schon mit unseren ersten zwei Produkten – zwei Großmembran-Studiomikrofonen – geschafft, international für Furore zu sorgen. Es gibt ein Credo von mir: Auch wenn wir als Team von einer traditionellen Firma kommen, wir werden niemals Dinge neu machen, die es schon gibt. Also keine Me-Too-Produkte. Und wir reden nie über den Preis. Der Preis ergibt sich immer aus dem Nutzen des Produktes – Austrian Audio muss einen Mehrwert liefern. Bei unseren Mikrofonen gab es eine regelrechte Review-Flut, weil wir die alte Tradition des analogen, hochwertigen Mikrofons mit modernem Workflow verbunden haben und es mit dem Smartphone über Bluetooth steuern, ohne dass etwas Digitales in den Audiopfad kommt – das hat Wellen geschlagen ohne Ende. Wir haben damit zahlreiche Innovationspreise gewonnen und in der Pro-Audio-Welt kennt uns jeder. Bei den Händlern und der Fachpresse kennt uns jeder. Auch die Rental-Companies bzw. Sounddesigner nehmen uns in ihre Technical Rider hinein, wie man z.B. bei Sting oder den Rolling Stones sehen kann – obwohl sie genug erstklassiges Equipment lagernd haben. Für den letzten Schritt – dass auch alle Musiker und Musikerinnen für ihren Proberaum, für ihre Performances unsere Produkte kaufen –, braucht es noch ein bisschen Zeit, es funktioniert aber schon ganz gut, was man an den Reorders sehen kann. Das ist wie bei der Musik: Mit dem ersten Album Erfolg zu haben ist gut, doch beim zweiten stellt sich erst heraus, wie erfolgreich man tatsächlich ist.“
Was ist mit dem breiten Mainstream- bzw. Customer-Audiobereich – also Blogger, Influencer-Szene, Content-Creation?
„Wir versuchen eine Range für alle Anwendungsbereiche anzubieten. Für den Studio- und Broadcastmarkt gibt es die Großkondensator- und Kleinkondensator-Mikros, die zwischen 500 und 1.300 Euro liegen. Für Live-Performances beginnt das Kondensator-Mikrofon bei 500 Euro, dann liegt das dynamische bei 300 Euro und dann gibt es das klassische Rehearsal-Mic, dass du in jedem Proberaum und jedem Tontechniker-Bag findest – da haben wir jetzt das 303er mit doppelt dynamischer Kapsel und mechanisch aufwendiger offener Akustik, das für 99 Euro auf den Markt gekommen ist. Was wir seit kurzem abdecken, ist das Home-Recording, hier liegt das Mikrofon etwa bei 400 Euro – ist aber nicht für Content-Creation gedacht, kann aber natürlich trotzdem an eine Soundcard angesteckt werden. Der Content-Creator-Markt ist aber sicher einer, auf den wir verstärkt schauen werden. Denn es ist ein sehr großer Markt, in den ich nur hineingehen kann, wenn ich etwas Besonderes anbiete. Im Fall von Austrian Audio heißt das: hoher Klangqualitätsanspruch, eine Range, die nicht nur Sprache, sondern auch Instrumente berücksichtigt. Hier wird auf alle Fälle etwas kommen. Aber zur Erklärung: Wir zielen weniger auf Lifestyle-Blogger oder Ähnliches ab, sondern auf Menschen, die kreativ im Audiobereich arbeiten und hohe Qualitätsansprüche haben.“
Welcher Kopfhörer hat Ihrer Meinung das größte Mainstream Consumer Potenzial?
„Wir haben gesehen, dass eigentlich alle unsere Produkte wirklich sehr gefragt sind, sei es der Hi-X15, der Hi-X55 oder der Hi-X65. Wenn man sich die Onlineshop-Verkäufe ansieht, ist jedoch auffällig, dass uns gerade der Hi-X25BT sozusagen aus der Hand gerissen wird.“
Wie schafft man es eigentlich, in nur 5 Jahren aus Wien heraus eine Weltmarke zu etablieren und sich gegen Weltkonzerne zu behaupten?
„Ich hatte 16 Jahre für AKG gearbeitet und als es ans Zusperren ging, kam die Idee: Da gibt es ein eingespieltes Team an wirklich guten Leuten – Entwickler im Bereich Akustik, Mechanik und Elektronik. Und Erfahrung kann man sich bekanntlich nicht einfach kaufen – man kann sie nur erhalten. Also habe ich zusammen mit einem Partner überlegt, wie kann das gehen, wie viel Geld können wir aufstellen, welche Investments sind notwendig. Das hat von September 2016 bis März 2017 gedauert und dann bin ich offiziell an das noch vorhandene Team mit meinem Konzept herangetreten und es war ein wunderschönes Erlebnis, weil letzten Endes keiner nein gesagt hat.“
Woran lag das?
„Die Leute, die hier arbeiten, machen einfach irrsinnig gerne das, was sie hier tun. Ganz viele von ihnen machen selbst Musik oder Tontechnik, wir haben Schlagzeuger, Gitarristen, Bassisten, Sängerinnen und Sänger im Haus. Jobs hätten sie alle woanders gekriegt und trotzdem sind sie geblieben – trotz finanzieller Einbußen. Es hätte Jobs für Akustiker bei Reifenherstellern oder im Karosseriebau gegeben – aber Mikrofone zu entwickeln, die später dann die Rolling Stones, Sting, aber auch österreichische Größen wie Hubert von Goisern, Wanda und Josh auf der Bühne verwenden, ist schon etwas ganz anderes. Das hat einen anderen Kick. Und so sind fast alle mitgezogen. Und die Vorsichtigen, die bereits woanders unterschrieben hatten, sind später auch wieder zu uns gestoßen. Mittlerweile sind wir 54 und davon rund 35 “Ehemalige”.“
War das nicht ein großes Risiko?
„Das “war” können Sie weglassen. Es ist nach wie vor ein großes Risiko. Ich habe gute und schlechte Nächte. Ich habe alles, was ich konnte, in den Topf geworfen. Wenn ich auf die ersten fünf Jahre der Firma zurückschaue, dann muss ich retrospektiv sagen: Einen schlechteren Zeitpunkt, um eine Firma zu gründen, die Produkte für den Kultur- und Live-Betrieb produziert, hätten wir uns nicht aussuchen können. Wir haben die ersten zwei Jahre nur entwickelt und Akustik produziert, die weltweit hochgelobt wurde – u.a. für das das beste Mikrofonkonzept der vergangenen 20 Jahre. Wenn wir auf einer Messe auftauchen, bezeichnen uns alle als die neuen Stars – und jeder glaubt, wir sind schon Multimillionäre. Aber das sind wir leider nicht, denn im Juni 2019 sind wir mit unserem ersten Produkt auf den Markt gekommen, Februar 2020 wurde aufgrund der Pandemie alles dicht gemacht. Das hat uns schon einmal die Hälfte des Marktes zusammengefressen – Theater, Konzerthallen, Venues, Clubs … alles das, wofür wir Produkte entwickelt haben, war zu. Was die Förderungen anbelangt, war ich leider kein Gastronom und wenn ich mehr als 50 Prozent meines Umsatzes von vor Covid verloren hätte, wäre ein Zuschuss möglich gewesen. Da ich aber zu der Zeit noch gar nicht existiert und keinen Umsatz hatte, war das nicht möglich. Danach kam eine Versechsfachung der Logistikkosten und eine komplette Verknappung der elektronischen Komponenten. Wir haben aber so getan, als wäre nichts und haben durch die Krise durchentwickelt.“
Mit welchem Ziel?
„Die Frage war: Wo können wir den Hebel ansetzen – wenn wir die Entwicklung einstellen und darauf warten, bis es wieder besser geht, dann fangen wir wieder da an, wo wir aufgehört haben. Wenn wir aber sagen, wir entwickeln sechs, sieben neue Produkte in dieser herausfordernden Zeit und der Markt öffnet wieder, können wir gleich mit vielen neuen Produkten punkten und vielleicht wieder alles aufholen.“
Und das hat funktioniert?
„Naja, jetzt haben wir zwar 20 Produkte innerhalb von nicht einmal drei Jahren entwickelt – aber die Lieferzeiten für elektronische Komponenten betragen momentan bis zu 54 Wochen – es sei denn, ich bezahle den 5-fachen Preis irgendwo am Spotmarkt – aber ich sollte meine Produkte jetzt produzieren. Der kurze Anstieg nach Covid war gut für uns, doch dann kam gleich der Ukraine-Krieg und jetzt haben wir eine Inflation im zweistelligen Prozentbereich und der Handel ist um 25 Prozent zurückgegangen, weil die Leute kein Geld mehr ausgeben wollen. Trotzdem sind wir jedes Jahr gewachsen und es gibt uns. Kurz zusammengefasst: Unsere Bekanntheit steigt rasant, aber reich sind wir noch nicht.“
Angesichts der großen Konzerne, die den Markt regelrecht überschwemmen, scheint das ja wie David gegen Goliath – was ist euer Geheimnis?
„Punkt eins: Austrian Audio ist ein Start-up mit insgesamt 400 Jahren an Team-Erfahrung – also gerechnet auf jeden unserer Mitarbeiter. Damit haben wir ein ganz anderes Entrée bei den renommiertesten Audio-Ingenieuren dieser Welt. Sobald ich sage, wer wir sind, und welches Team dahintersteht. Und unser Key Artist Relations-Manager – also der, der mit den ganz Großen weltweit redet – hat das 30 Jahre lang für AKG getan. Wir spielen das auch ganz klassisch. Es heißt: “Made in Vienna … again”. Ab dem “again” wissen alle schon, worum es geht.“
Punkt zwei?
„Punkt zwei ist unser Renommee: Dass wir mit den Rolling Stones, Sting und Bon Jovi auf deren Welttourneen waren, sagt schon etwas über die Qualität unserer Produkte aus. Dass wir das zweite Mal schon in 100 Ländern im ORF-Broadcast beim Neujahrskonzert waren und dafür renommierte Marken für uns ausgetauscht wurden, macht man nicht, weil man uns liebhat, sondern weil unsere Dinge gut sind und immer funktionieren. Wenn es nur einen Funken einer Chance gibt, dass die Dinger einmal ausfallen könnten, ist man sicher in keinem Live-Broadcast. Deswegen sind wir auch schon zweimal auf der Grammy-Bühne mit acht Mikrofonen gewesen – und das ist Amerika, wo man nicht selten erklären muss, dass Austria nichts mit Kängurus zu tun hat. Die könnten sich ein 20.000 Dollar-Mikrofon hinstellen, sofern es so etwas gäbe – aber sie nehmen uns. Kurzum: Die Tatsache, dass wir mit unserer Erfahrung schon unzählige Male bewiesen haben, wir können es – und das hat uns in Verbindung mit unserer Geschichte international ein schnelles Entrée gebracht. Und das gilt es zu nutzen.“
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