Gemeinsam mit dem Institut für empirische Sozialforschung (IFES) wurde zum dritten Mal der sozialwissenschaftliche Indikator ins Feld gebracht, der umfassende empirische Daten über den aktuellen und künftigen Zustand der Gesellschaft in Österreich liefert. Insgesamt basieren die Ergebnisse auf rund 1.200 geführten Interviews.
Getrübte Erwartungen
In diesem Jahr werden insbesondere die Auswirkungen der verschiedenen Krisen auf die Stimmung der Gesellschaft sichtbar. Ein Großteil der Bevölkerung ist grundsätzlich mit der eigenen Lebenssituation zufrieden. Allerdings sind die persönlichen Erwartungen für die nächsten drei Jahre, aufgrund der derzeitigen Entwicklungen, getrübt. Allgemein sieht die Mehrheit auch den eingeschlagenen Weg Österreichs kritisch. „Schon lange nicht mehr haben so viele Menschen das Gefühl gehabt, dass sich Österreich in die falsche Richtung entwickelt. Das politische System ist gefordert, Antworten auf die vielen Herausforderungen zu finden und der Bevölkerung einen glaubhaften und konstruktiven Weg für die kommenden Monate aufzuzeigen. Staatliche Institutionen wie die Justiz und Österreichs Unternehmen sorgen für Stabilität und haben im vergangenen Jahr an Vertrauen hinzugewonnen, die Politik hat viel davon verloren“, fasst Studienautor und IFES Geschäftsführer Reinhard Raml die diesjährigen Umfrageergebnisse zusammen.
Neben der Einstellung zur aktuellen und zukünftigen Lebensqualität im Land wurden auch weitere Dimensionen im Zuge der Studie abgefragt, unter anderem der Bereich der Innovationsfähigkeit. Hierbei wurde klar ersichtlich, dass die Digitalisierung in der Arbeitswelt positiv betrachtet wird. „Während die Entwicklung der Digitalisierung im privaten Umfeld der Menschen als Unsicherheitsfaktor wahrgenommen wird, wird der technologische Fortschritt im Arbeitsumfeld begrüßt. Hier gilt es mit den entsprechenden Bildungsangeboten alle Menschen gleichermaßen abzuholen, um die Chancen beruflich wie privat optimal nutzen zu können”, meint Knill.
Erste Ergebnisse im Detail
Zu den positiven Aspekten der aktuellen Ergebnisse zählen, dass nahezu zwei Drittel der Menschen in Österreich grundsätzlich mit ihrer aktuellen Lebenssituation zufrieden sind (64%), 53% bezeichnen sich als glücklich im Leben. Beides zusammen – Zufriedenheit und Glück – sind Indikatoren für die subjektiv empfundene Lebensqualität zu werten. Diese hatte zwar von 2019 auf 2020 einen empfindlichen Dämpfer erfahren, allerdings ausschließlich in Bezug auf die Lebenszufriedenheit (eher/sehr zufrieden: 2020: 73%; 2022: 65%). Von 2020 auf 2022 hat dann auch das bis dahin stabile persönliche Glücksempfinden gelitten (eher/sehr glücklich: 2020: 63%; 2022: 53%).
Reduzierte Lebensqualität
Die persönlichen Erwartungen für die nächsten drei Jahre waren ebenso bis 2020 stabil und haben sich erst jetzt verschlechtert. Die lange Pandemie, die krisenhaften globalen Entwicklungen sowie die ungewohnt unsicheren Aussichten haben das individuelle Wohlbefinden angegriffen und damit die Lebensqualität noch einmal reduziert. Alles in allem ist die Lebensqualität in Österreich aber nach wie vor sehr hoch, denn die Anteile der ausdrücklich Unglücklichen bzw. Unzufriedenen sind nahezu unverändert klein (12 bzw. 10%). Es ist jedoch die Anzahl jener gestiegen, die sich in der Mitte verorten und weder wirklich unglücklich bzw. unzufrieden noch wirklich glücklich bzw. zufrieden sind.
Auffällig sind Unterschiede zwischen dem urbanen und ländlichen Raum (richtige Richtung: 31 vs. 19%), zwischen Selbstständigen und Arbeitnehmer:innen (40 vs. 23%) und bei Jüngeren und Älteren als bei mittleren Altersgruppen (Unter 30 Jahren: 25%, über 70 Jahre: 33%, 40-49 Jahre: 19%).
Digitalisierung wird als positive Entwicklung in der Arbeitswelt betrachtet
62% der Befragten halten es für unwahrscheinlich, dass ihre Tätigkeit in Zukunft von Maschinen statt von Menschen durchgeführt werden könnte. In Österreich nimmt man die Automatisierung also mehrheitlich nicht als Gefahr für den eigenen Arbeitsplatz wahr. Auf die Frage wie sich die Digitalisierung in den nächsten drei Jahren auswirken wird, reagieren die Menschen in Österreich vor allem mit Unsicherheit. Speziell der Einfluss auf das Familienleben ist für fast jede/n Zweite/n nicht absehbar (59%; davon neutrale Antwort: 47%, keine Antwort: 12%), rund ein Viertel erwartet Positives (26%), 15% Negatives. Auch in Bezug auf die Freizeit traut sich mehr als die Hälfte keine Einschätzung zu (55%; davon neutral: 44%, k. A.: 11%). 30% sehen vorteilhafte Entwicklungen, 15% nachteilige.
Über digitale Trends im Arbeitsleben können sich die Befragten ein besseres Bild machen. Der Einfluss der Digitalisierung auf die Arbeitswelt wird positiver beurteilt. Der Anteil der neutral bzw. unsicher Eingestellten liegt unter 50% (46%; davon neutral: 38%, k. A.: 8%). Dass die Digitalisierung im Beruf eine negative Wirkung entfalten wird, vermuten nur wenige (12%). Die Erwartungshaltung bezüglich der digitalen Zukunft ist seit dem IV-ZukunftsMonitor 2019 stabil geblieben und wird von den verschiedenen Gruppen in der Bevölkerung mit großem Konsens geteilt.
Vertrauen in Wirtschaft, Industrie und Unternehmertum bleibt unberührt
Die aktuellen Krisen konnten dem hohen Stellenwert von Wirtschaft, Industrie und Unternehmertum in Österreich bis dato nichts anhaben. Unverändert ist eine klare Mehrheit der Menschen der Überzeugung, dass Unternehmer:innen Arbeitsplätze schaffen (71%; 2019: 73%, 2020: 75%). 68% treten dafür ein, Forschung, Entwicklung und Innovation als Basis neuer Technologien und Produkte höher zu fördern – ein starker Hinweis auf das gute Image der wirtschaftsnahen Forschung (2019: 65%, 2020: 70%). Ebenfalls eine (wenn auch bescheidenere) absolute Mehrheit sieht in der Industrie den Motor der österreichischen Gesamtwirtschaft (56%, 2019: 55%, 2020: 60%t), wobei sich viele hier nicht eindeutig positionieren (neutral + k. A.: 36%).
Ob das wirtschaftliche und politische Klima in Österreich für Unternehmensgründungen günstig ist, scheint vielen unklar zu sein. Es stehen sich in etwa gleich große Gruppen gegenüber, die das Klima für günstig (29%) bzw. ungünstig (25%) halten. In der beruflichen Zukunftsplanung der Menschen in Österreich führt die Selbstständigkeit jedenfalls eher ein Schattendasein: 43% halten eine Karriere als Unternehmer:in explizit für unattraktiv, nur 24% für attraktiv, ein Drittel legt sich nicht fest. Für die Generation unter 30 ist die Aussicht auf ein eigenes Unternehmen reizvoller (34%).
„Trotz der multiplen Krisen und der eingetrübten Stimmungslage, erkennen wir doch, dass das Vertrauen in Wirtschaft, Industrie und Unternehmertum in unserem Land groß ist. Für uns Unternehmerinnen und Unternehmer ist das zum einen ein klarer Auftrag, unser Land, wie auch bisher, weiterzuentwickeln und Innovationen voranzutreiben. Zum anderen liegt es auch in unserem Selbstverständnis Verantwortung für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und unseren Standort zu übernehmen – heute und in Zukunft“, so der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill, zu den ersten Ergebnissen des von der IV in Auftrag gegebenen ZukunftsMonitors 2022.
Über den IV-ZukunftsMonitor
Der IV-ZukunftsMonitor wurde 2019 erstmalig von der Industriellenvereinigung in Kooperation mit dem Institut für empirische Sozialforschung (IFES) durchgeführt. Er basiert auf 1.200 Mixed-Mode Interviews und bezieht sich auf die Themenbereiche gesellschaftlicher Zusammenhalt, Lebensqualität, Politik, globale Entwicklung und Innovationsfreudigkeit.
Weitere Informationen unter: www.zukunftsmonitor.at