Bis zum Jahr 2027 stehen rund 41.700 kleine und mittlere Betriebe zur Übergabe an – das sind 26% aller KMU der gewerblichen Wirtschaft Österreichs. Die neu gegründete Plattform „Betrieb-zu-haben.at“ hat daher gemeinsam mit dem Managementcenter Nord vom Februar bis April 2022 eine umfassende Befragung unter Vertretern von in die Betriebsnachfolge involvierten Beratungsberufen durchgeführt. Daran beteiligt haben sich Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater, Rechtsanwälte, Sachverständige und weiteren Nachfolgebegleiter. Eines der zahlreichen Erkenntnisse ist, dass Senior-Chefs nach der Übergabe ihres Lebenswerkes oft nicht loslassen können und sich in die Unternehmensführung der jungen Generation weiter einmischen.
Rückzug der älteren Generation oft problematisch
Abgefragt wurden 39 mögliche Problemfelder, die sich nach einer Übernahme für die Neo-Unternehmer ergeben könnten. Die meiste Zustimmung (Summe aus „stimme voll zu“ und „stimme eher zu“) gab es mit 68% für die Antwortmöglichkeit „Konflikte mit im Betrieb beschäftigten Familienmitgliedern“, gefolgt von „Konflikte mit verbleibenden Senior-Unternehmer:innen“ mit 63%. Häufig wird auch der aufgestaute Investitionsbedarf unterschätzt (62%) oder die Planungsrechnungen waren zu optimistisch (59%). Bei der Übergabe im Familienkreis kommen manchmal auch mehrere Faktoren zusammen, wie Studienleiter Thomas Reischauer aus der Unternehmensberatungspraxis weiß: „Wenn Senior-Chefs weiter im Betrieb mitreden, kann das zur Untergrabung der Autorität der Jungen gegenüber ihren Mitarbeiter:innen führen, was sehr frustrierend ist. Umgekehrt kann es aber zu einem finanziellen Problem werden, wenn sich die bisher mitarbeitende ältere Generation plötzlich völlig ausklinkt, weil dann ihre Arbeitskraft fehlt und zusätzliche Mitarbeiter:innen eingestellt werden müssen“, so der Experte.
Geschäftszahlen in Ordnung bringen
Eine wichtige Erkenntnis der Studie ist auch, dass es häufig gravierende Unterschiede zwischen den von Fachleuten ermittelten Unternehmenswerten und den bei der Veräußerung tatsächlich erzielten Preisen gibt. Dabei wurden verschiedene Bewertungsmethoden verglichen. Fazit von Co-Studienleiter Harald Schützinger: „Von den ermittelten Unternehmenswerten gibt es meist relativ hohe Abschläge. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass bei den Discounted Cashflow-Verfahren Prognoserechnungen für die Zukunft eine wichtige Rolle spielen, die von den Käufern oft angezweifelt werden.“ Im Gegensatz dazu werden bei Multiplikator-Verfahren häufig die Umsätze bzw. Betriebsergebnisse der vergangenen Jahre herangezogen, was für potenzielle Käufer einfacher nachvollziehbar ist. „Wer ein Unternehmen verkaufen will, sollte daher bereits Jahre zuvor damit beginnen, seine Geschäftszahlen in Ordnung zu bringen“, empfiehlt Unternehmens- und Steuerberater Schützinger.
Häufige Fehler
Peter Buchegger, der gemeinsam mit Reischauer und Schützinger die Nachfolgeplattform „Betrieb-zu-haben.at“ gegründet hat, gibt zu bedenken, dass die Eruierung eines möglichst fairen Unternehmenswertes auch bei der Übergabe im Familienkreis eine wichtige Rolle spielt. „Wenn ein Betrieb an einen bestimmten Nachfahren übergeben wird und es sind mehrere Geschwister da, müssen die anderen in der Regel abgelöst werden, was natürlich ein gewisses Konfliktpotenzial birgt“, gibt Unternehmensberater Buchegger zu bedenken. Aber auch bei Verkaufsverhandlungen mit externen Personen verläuft nicht immer alles friktionsfrei, so die Erfahrung von Buchegger. Häufige Gründe, warum potenzielle Käufer einen Deal platzen lassen, sind zu hohe Preisvorstellungen oder ungenügende Vorbereitungen des Verkäufers, das Aufdecken ungeahnter Risiken oder keine erzielte Einigung bei einzelnen Vertragsdetails.
Rechtzeitige Einleitung von Maßnahmen
„Leider gibt es immer noch Unternehmer, die bereits Jahre vor dem Pensionsantritt, der Übergabe oder dem beabsichtigten Verkauf nichts mehr investieren und die Kennzahlen vernachlässigen. Richtig wäre hingegen vorausschauendes Agieren: Eine detaillierte Betriebsanalyse und die Einleitung von Maßnahmen zur Verbesserung der Kennzahlen bereits Jahre vor der Weitergabe machen sich beim Ausstieg durch deutlich höhere Verkaufspreise mehr als bezahlt“, erklärt der Experte.