Wolfram Senger-Weiss: Der Neue am Steuer

Nach 14 Jahren übernimmt mit Wolfram Senger-Weiss wieder ein Familienmitglied die Führung des Logistikkonzerns Gebrüder Weiss und soll ihn in die digitale Zukunft lenken.

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Es ist nur eine kleine, eher unscheinbare Holzbrücke über die Dornbirner Ach, die Vorarlberg und die Schweiz verbindet. Aber sie hat es bis nach China geschafft, zumindest als Abbildung: Im Büro des Geschäftsführers des Speditions- und Logistikunternehmens Gebrüder Weiss in Shanghai hängt ein Foto von ihr an der Wand. Für Wolfram Senger-Weiss, seit Anfang dieses Jahres neuer Vorstandschef des Unternehmens, ist das, wenn er davon erzählt, mehr als eine Anekdote. Das Foto ist ein Beleg, dass es dem Vorarlberger Familienunternehmen gelungen ist, nicht nur Güter, sondern auch seinen speziellen Spirit in entfernte Teile der Welt zu transportieren.

Gebrüder Weiss ist mittlerweile mit 150 eigenen Niederlassungen in 30 Ländern präsent und beschäftigt rund 7.000 Mitarbeiter rund um den Globus. Und hat seit Anfang des Jahres wieder einen Chef, der aus der Familie kommt. Ein Muss ist das nicht: Zuletzt wurde der Konzern von Wolfgang Niessner erfolgreich geführt, einem familienfremden Manager. „Das hat ausgezeichnet funktioniert“, sagt Wolfram Senger-Weiss, „kein Grund für einen Kurswechsel.“

Chance Seidenstraße

Tatsächlich hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren stark expandiert. Kontinuierlich wurden in der Kernregion auch Unternehmen übernommen, vor allem in Süddeutschland. „Unsere Basisgeschäfte sind der europäische Landverkehr und Logistiklösungen, mit starker Präsenz in den mittel- und osteuropäischen Ländern“, sagt Senger-Weiss. 2017 ist der Logistiker zudem mit eigenen Luft- und Seefrachtstandorten in den USA, in Deutschland und weiteren Ländern in Asien neu gestartet. Das ist gut für das Unternehmen, aber eine Herausforderung für den neuen Chef – denn eine weitere räumliche Expansion steht nicht im Fokus. „Es ist nicht unser Ziel, über Groß-Akquisitionen schnell im Umsatz zu wachsen. Was nicht heißt, dass wir nicht die eine oder andere Gelegenheit nutzen werden, in unseren Stammländern oder zum Beispiel entlang der Seidenstraße.“

Bereits im 15. Jahrhundert betrieb die Familie einen regelmäßigen Kurierdienst zwischen Lindau und Mailand – den sogenannten „Mailänder Boten“. Das bedeutet eine ziemlich lange Historie, die beflügeln, aber auch eine Last sein kann. „Ich bin ein großer Befürworter von Familienunternehmen“, sagt der 47-Jährige in seiner ruhigen, überlegten Art, „sie können viel für die Gesellschaft leisten.“

Den speziellen Spirit und die Kultur des Vorarlberger Familienunternehmens in die Welt zu tragen sieht Wolfram Senger-Weiss als eine seiner großen Aufgaben an. Seit 2003 ist er im Unternehmen, seit 2005 als Vorstand Finanzen, Legal, Einkauf, Immobilien und M&A verantwortlich. Aber wie trägt man den Lauteracher Geist nach Ungarn, Rumänien, Hongkong oder Japan, wo es schon Schwierigkeiten bereitet, den Firmennamen halbwegs richtig auszusprechen?

Mitarbeiter-Austausch über Grenzen

„Unsere Unternehmenskultur ist ein wichtiger Erfolgsfaktor“, sagt Senger-Weiss, „aber natürlich lässt sie sich nicht von oben verordnen und einfach weltweit ausrollen. Es gibt auch nicht eine Kultur – es muss jeweils eine gute Mischung mit der lokalen Kultur entstehen.“ Dabei hilft neben internationalen Management-Meetings vor allem der Austausch von Mitarbeitern über Landes- und Kontinentalgrenzen hinweg. „Ich habe mir auch vorgenommen, viele Standorte persönlich zu besuchen.“ Doch das kostet Zeit, weshalb Senger-Weiss das Thema Zeitmanagement ganz oben auf seiner Agenda angesiedelt hat. Als ersten Schritt hat er den Vorsitz des Zentralverbandes Spedition & Logistik nach sechs Jahren zurückgelegt. Immer zu wenig Zeit – das ist eines der großen Leiden der Leader. Und was macht es sonst so komplex, ein Unternehmen zu führen? „Was sich im Vergleich zu früher sicher geändert hat, ist die Transparenz: Manager werden intern wie extern kritischer hinterfragt, mit den Konsequenzen ihres Handelns konfrontiert, selbst strafrechtlich“, analysiert Wolfram Senger-Weiss. „Visionäre Entscheidungen zu treffen verlangt dadurch mehr Mut, wird aber auch ungleich wichtiger. Bei eingeschränktem Informationsstand gewinnt der Bauch wieder an Bedeutung.“ Gefragt ist echtes Leadership. Was das für Senger-Weiss bedeutet: „Eine klare Vorstellung zu haben, was man will. Und diese dann auch authentisch und glaubwürdig zu kommunizieren und umzusetzen.“ Das sei zwar prinzipiell nichts Neues, müsse aber stets in jeder Generation an die aktuellen Gegebenheiten angepasst werden.

Wie Millennials begeistern?

Hinter diesem harmlosen Satz verbirgt sich ein brennendes Thema: das Gewinnen und Halten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. „Wir müssen akzeptieren, dass von den Millennials viele nicht das gesamte Berufsleben in einer Firma verbringen möchten. Diese Menschen für ihre Arbeit und das Unternehmen zu begeistern wird eine große Herausforderung.“ Doch genau darauf kommt es ihm an: „Ich bin von unserer Firma begeistert, genau diese Begeisterung möchte ich auch auf die Mitarbeiter übertragen. Denn in der Serviceindustrie, in der wir tätig sind, kommt es auf den Einzelnen an, seine Bereitschaft, die Extrameile zu gehen. Oder noch besser: über die Extrameile hinauszugehen.“ „Wir möchten für mehr Tugend und Ehrlichkeit stehen. Was Gebrüder Weiss ausmacht: Wir haben den Anspruch, die Leistung zu erbringen, die wir zusagen. Hier kontinuierlich auf hohem Niveau zu bleiben, und das Ganze unter den technologischen und sonstigen Dynamiken des 21. Jahrhunderts, das ist die Herausforderung.“ Da gibt es für den neuen Chef also noch viel zu tun. Klingt nach einer Extra-Extrameile.

Eine klare Vorstellung zu haben, was man will. Und diese dann auch authentisch und glaubwürdig zu kommunizieren und umzusetzen. Das bedeutet für mich Leadership.

WOLFRAM SENGER-WEISS

 

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