Lehman Brothers? Wer ist Lehman Brothers? Im Herbst 2008 waren am Wiener Finanzplatz ganz andere Unternehmen Gegenstand der hektischsten Diskussionen. Anlegerskandale von Primeo Fonds über AvW Invest bis Meinl European Land erschütterten die Finanzcommunity. Unter den zuvor unsinkbar gewähnten „Tankern“, die auf Grund zu laufen drohten, war damals auch die Immofinanz – und drohte bei ihrem Niedergang auch die Karriere von einem der Jungstars in Österreichs Immobilienbranche noch vor seinem 40. Geburtstag in die Tiefe zu reißen. „Ich war in der heißesten Zeit in den Vorstand der Immofinanz gekommen – das hätte auch anders ausgehen können“, erinnert sich Daniel Riedl an die schwierigsten Tage in seinem Berufsleben, die ihn stark geprägt haben.
Hätte er damals einen Fehler gemacht, hätte ihm das einen sicheren Platz auf der Anklagebank neben seinen damaligen Vorstandskollegen im Immofinanz-Prozess beschert. Dass es nicht so gekommen ist, hat vor allem zwei Gründe. „Was ich nicht verstehe, würde ich nie im Leben unterschreiben“, sagt der Manager – und er hat immer einen Plan B in der Schublade.
Aufstieg mit Wohnungen
Zehn Jahre später sind die Gerichtsurteile gesprochen, die wirren Monate vergessen. Österreichs größter Wohnimmobilienkonzern, die damals noch als Tochter der Immofinanz geführte BUWOG, die Riedl seit 15 Jahren lenkt, ist vom verstaubten Bestandhalter zu einem schillernden Immobilienentwickler mit einer milliardenschweren Pipeline aufgestiegen und inzwischen Teil des deutschen Vonovia-Konzerns. Der Aufstieg ging Hand in Hand mit einer Aufwertung des gesamten Sektors: Immobilien sind in den letzten Jahren von „kann man auch haben“ zu „muss man haben“ aufgerückt.
Vor allem der Teilbereich Wohnen, vor 15 Jahren von Institutionellen gemieden und von kapitalstarken Anlegern höchstens widerwillig zur Beimischung in ein Gewerbeimmobilien-Portfolio aufgenommen, führt die Topliste der Anlageklassen an. In Österreich, aber auch in Deutschland haben sich die Wohnungsquadratmeterpreise praktisch ungeachtet der Lage vervielfacht – und die niedrigen Zinsen, verbunden mit der Zunahme der Haushalte und dem Run der großen Fonds auf den Sektor, sorgen für eine anhaltende Dynamik.
Persönlich und politisch
Dieses Marktumfeld hat die BUWOG unter Riedls Führung perfekt genutzt und sich als führende Marke für hochwertige, aber nicht unbezahlbare Luxusklasse-Wohnimmobilien in Deutschland und Österreich etabliert. „Ich habe mit Freude auch an anderen Assetklassen gearbeitet – Wohnen hat sich ergeben und macht nach wie vor Spaß“, sagt Riedl. „Zu beobachten, wie Häuser wachsen, und mit den Kindern durch die Stadt zu fahren und zu sehen, wo man selbst mitgearbeitet hat, ist ein sehr gutes Gefühl.“ Aber auch eine sehr große Verantwortung, wie der Manager ergänzt: „Wohnen ist etwas sehr Persönliches, weil es ein Grundbedürfnis betrifft – und auch etwas sehr Politisches, vor allem auch im Hinblick auf die Preisentwicklungen.“
Heute muss sich Riedl nichts mehr beweisen: Die BUWOG-Übernahme durch Deutschlands größten Wohnimmobilienkonzern Vonovia hat ihm einen jener raren Top-Jobs verschafft, die nur wenige Österreicher in DAX-30-Mitgliedern innehaben: Seit Mai 2018 ist Riedl im Vorstand von Vonovia für das Development-Geschäft in Deutschland und Österreich zuständig. In den kommenden Jahren wird er damit Europas zweitgrößten Immobilienkonzern mit rund 25 Milliarden Euro Börsenwert mitsteuern.
Und was ein Unternehmen unter Riedls Führung erreichen kann, zeigt ein Rückblick auf den Erfolgsrun der BUWOG. Erst 2004 im Zuge einer umstrittenen Privatisierung von der Immofinanz erworben, gelang dem Wohnimmobilienentwickler im Jahre 2014 ein unerwartet erfolgreicher Börsegang, und bis zur Übernahme durch Vonovia hat sich der Kurs in etwa verdreifacht.
Manager mit Bodenhaftung
„Natürlich ist dieser Erfolg allein mir zu verdanken“, witzelt Riedl. „Nein, keine Sorge: Ich habe noch nicht jegliche Bodenhaftung verloren.“ Tatsächlich wird er auch von seinen Mitarbeitern als sehr bodenständiger Manager wahrgenommen, mit dem man stets auf Augenhöhe diskutieren kann. Sehr viel mitbekommen hat der aus Linz stammende Top-Manager von seinem Elternhaus: Sein Vater, einst Landesschulratspräsident von Oberösterreich, hat ihm neben dem Fokus auf den Hausverstand auch die Grundlagen des multidimensionalen Denkens beigebracht. Beides Qualitäten, die auch der Nachwuchs in den Chefetagen – Riedl fördert junge Talente im Rahmen seiner Lehrtätigkeit an der FH Wien – brauchen wird. „Ich bin nicht der Meinung, dass der Konzernchef ein Alleskönner sein muss“, betont Riedl. „Führung hat sehr viel mit Vorbildwirkung zu tun und mit einem ausgeprägten Umsetzungswillen.
In guten Zeiten immer im Hinterkopf zu haben, was einem in schlechteren Zeiten alles passieren kann, hilft sehr.
DANIEL RIEDL
Ich glaube sehr stark an das Allroundertum, an Zahlengefühl, Authentizität, Empathie und den Mehrwert, den Teamgeist bringt. Und an die Fähigkeit zum lebenslangen Lernen: Ich habe es relativ weit gebracht für die Immobilienbranche, bin aber nicht der Meinung, dass ich ausgelernt hätte. Wenn man den Status des Lernenden aufgibt, ist der Bodenkontakt weg.“
Auch wenn Riedl noch vor seinem 50. Geburtstag selbst die allerhöchsten Ziele erreicht hat, denkt er nicht daran, sich entspannt zurückzulehnen. „Ich finde, Stillstand ist das Langweiligste“, sagt er. Was ihn motiviert? Die Möglichkeit, als Manager ein wahrer „Macher“ zu sein, zu bewegen, Aufgaben im Team zum Erfolg zu bringen und bei Veränderungen vorne dabei zu sein. Denn Wirtschaft ist Veränderung – auch in der Immobilienbranche.