Medien – Wo Digital Druck macht

Die Digitalisierung hat die Mediennutzung verändert – und die gesamte Medienbranche unter Druck gesetzt. Wie Print, Fernsehen und Radio nach Auswegen suchen.

Teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
WhatsApp

Das hat Timothy John Berners-Lee nicht erwartet. Als er 1989 die Grundidee für das World Wide Web entwarf, ahnte er nicht, welche Dynamik das auslösen sollte. Erst belächelt, entwickelte sich das Internet zur Plattform für alle Lebensbereiche. Unternehmen wie Google oder Amazon kauften scheinbar planlos Firmen aus den Bereichen Robotik, Medientechnik und Sensorik zusammen. Im Nachhinein gesehen waren hier Vordenker am Werk, Amazon macht heute mit seinem Angebot aus Online-Warenhaus, Musikdienst, Streaming-Plattform und Co im Jahr rund 180 Milliarden Dollar Umsatz. Google ist, zumindest in Europa, zur Suchmaschine Nummer eins avanciert; Netflix und Spotify haben den Unterhaltungsmarkt erobert.

Mit der rasanten Entwicklung des Internets hat sich die Mediennutzung verändert. Gratis-Nachrichten überschwemmen das Netz und bringen heimische Medien unter Druck. Auch die Konkurrenz ist gewachsen: Internationale Beiträge zu konsumieren ist heute mit einigen Klicks möglich. Es geht mehr denn je um Qualität, aber auch um Angebotsvielfalt und neue Distributionswege – alles in Verbindung mit neuen Finanzierungsmodellen.

Markus Mair, Präsident des Verbands Österreichischer Zeitungen

Print forciert Paid Content

Mehr als 70 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung nützt als Informationsquelle ihr Mobiltelefon. Die künftige Verbreitung des 5G-Standards wird das noch schneller und bequemer machen. Digitales Storytelling, Integration von Bewegtbildinhalten und Visual Content werden verlangt, mit Virtual Reality und Alexa stehen schon die nächsten Technologien vor der Tür. „Mobile first“ gilt als neues Motto der Verlage.

Zwar sinken Auflagen und Reichweiten im Print-Sektor, doch im internationalen Vergleich wird in Österreich Gedrucktes nach wie vor stark gelesen und auch im Abo bezogen. Der Fokus der Verlage richtet sich nun immer stärker auf die Markenkraft. Markus Mair, Präsident des Verbands Österreichischer Zeitungen, konkretisiert das bei den Österreichischen Medientagen so: „Bei Gesundschrumpfen muss auch immer Gesundheit rauskommen. Bei jeder Medienmarke muss dabei der journalistische Kern erhalten bleiben. Das ist der Grund, warum Leser hinkommen und auch bleiben wollen.“ Das heiße aber auch, dass über kurz oder lang keiner an Paid Content mehr vorbeikomme. Mair: „Mit Display-Werbung ein journalistisches Unternehmen am Leben zu erhalten st privatwirtschaftlich nicht darstellbar.“ Doch stellt man die bisher kostenlos konsumierbaren Angebote hinter eine Paywall, geht wahrscheinlich ein großer Teil digitaler Reichweite verloren – und damit Digital-Umsätze. Punkten kann man mit uniquem Inhalt, Zusatzelementen oder Services, doch dafür braucht es Investitionen in Online, also in einen Kanal, der sich bei den meisten Verlagen des Landes noch nicht allein refinanziert.

Wie es gehen kann, zeigen die Vorarlberger Nachrichten. Verleger Eugen Russ gilt als einer der Online-Pioniere, die frühzeitig darauf schauten, journalistische Angebote digital zu monetarisieren. Mit einem 100-Millionen-Euro-Fonds für Beteiligungen will Russmedia die Digitalisierungsstrategie weiter vorantreiben. Und auch Reichweiten-Riesen wie die Kronen Zeitung, die an gedruckter Auflage verlieren, verzeichnen steigende E-Paper-Absätze – zuletzt gab es hier innerhalb eines Jahres beinahe eine Verdoppelung.

Von ORF-Gebühren bis Vermarktungsplattform

Digital ist auch für TV das Wort der Zukunft. Non-lineares Fernsehen nimmt zu, die Nutzung von On-Demand-Angeboten ebenso. Die Konkurrenz von Streamingdiensten wie Amazon und Netflix wird größer, auch durch ihre Eigenproduktionen. Im Sportsektor wird das Gezerre um die millionenschweren Lizenzen intensiver, neue Player wie DAZN (Fußball-Champions-League) treiben die Preise. International gesehen hat es etwa die RTL Group geschafft, einen erheblichen Teil ihres Umsatzes aus der Digital-Sparte zu generieren, und sie nennt dabei als wichtigste Priorität ihre Video-on-Demand-Plattformen, die sich direkt an die Endkunden richten. Um sich für die digitalen Zeiten zu rüsten, braucht es also auch im TV-Sektor (mehr) Geld für (neue) Angebote. Markus Breitenecker, Chef von ProSiebenSat.1 PULS4, will ein Stück vom Gebührenkuchen, sein Modell skizzierte er so: Die Gebühren sollen weiterhin dem ORF zugeführt werden, lukrierte Werbegelder des ORF sollten in einen Topf fließen, um Projekte wie ein europäisches YouTube zu finanzieren.

Das stößt bei ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz auf wenig Begeisterung: „Es ist nicht sinnvoll, das bestehende Budget einfach nur umzuverteilen. Wir erstellen aus unserem Budget ein Gesamtangebot, das wir dann nicht mehr in dieser Form machen könnten. Das würde den Medienstandort schwächen.“ Vielmehr müsse man mehr Mittel bekommen, etwa über eine Digital-Besteuerung der US-Internetriesen. „Diese Mittel sollten in einen Fonds fließen, um derartige Projekte voranzutreiben.“ Darüber hinaus wird auf politischer Ebene an einer Vermarktungsplattform gearbeitet, einem Zusammenschluss heimischer Medienhäuser als Gegengewicht zu Google, Facebook und Co. Hintergrund: Rund die Hälfte der digitalen Werbegelder würde bereits von diesen Tech-Giganten inhaliert.

Und Radio?

Musikstreaming-Dienste wie Spotify und Apple Music haben den linearen Anbietern bisher nicht ernsthaft schaden können. Auch Alexa-Sprachdienste und der wachsende, aber noch nicht monetarisierbare Podcast-Markt haben kaum Spuren hinterlassen. Technologien wie Skip FM sollen Radio individualisieren, im Radioplayer sehen vor allem Privatsender eine Allianzmöglichkeit – auf dieser Plattform seien alle Sender vereint und damit geschlossen auftretender Verhandlungspartner für große Werbekunden. „Kein einziger Radiosender wird stark genug sein, dass er neben Apple Music, Spotify oder Amazon seinen Platz finden wird. Und auch die ORF-Sender werden allein nicht stark genug sein“, sagt dazu Ernst Swoboda, Vorstandsvorsitzender des Verbands Österreichischer Privatsender und Geschäftsführer von KRONEHIT.

Experten sagen der Hörfunk-Branche gute Zeiten voraus. Die Vernetzung der Geräte schreitet weiter voran, damit auch die Sprachsteuerung. Das „gute alte Radio“ profitiert davon und könnte im derzeit heftig schwankenden Medienmarkt eine stabile Säule sein.

Beitrag:
Marlene Auer ist Herausgeberin und Chefredakteurin HORIZONT Österreich

Das könnte Sie ebenfalls interessieren:

Melden Sie sich hier an

Sie sind noch nicht registriert?