Jubiläum eines Wunders – ein trauriges Resümee

Vor einem halben Jahrhundert landeten die allerersten Menschen auf dem Mond. Per Mitte August 2019 könnten sie das gar nicht mehr – und der Erde geht es inzwischen (noch) viel schlechter.

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Die Raumfahrtmission Apollo 11 der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA erreichte tatsächlich das 1961 vom US-Präsidenten John F. Kennedy vorgegebene Ziel, noch vor Ende des Jahrzehnts einen Menschen zum Mond und wieder sicher zurück zur Erde zu bringen. Die drei Astronauten Neil Armstrong, Edwin „Buzz“ Aldrin und Michael Collins starteten am 16. Juli 1969 mit einer Saturn-V-Rakete von Launch Complex 39A des Kennedy Space Center in Florida und erreichten am 19. Juli eine Mondumlaufbahn. Während Collins im Kommandomodul des Raumschiffs Columbia zurückblieb, setzten Armstrong und Aldrin am nächsten Tag mit der Mondlandefähre „Eagle“ auf dem Erdtrabanten auf. Wenige Stunden später betrat Armstrong als erster Mensch den Mond, kurz danach auch Aldrin. Nach einem knapp 22-stündigen Aufenthalt startete die Landefähre wieder von der Mondoberfläche und kehrte zum Mutterschiff zurück. Nach der Rückkehr zur Erde wasserte die Columbia am 24. Juli rund 25 km vom Bergungsschiff USS Hornet entfernt im Pazifik. Mit Apollo 11 wurden auch das erste Mal Gesteinsproben von einem anderen Himmelskörper zur Erde geholt. Bei der Fernsehübertragung der Mondlandung 1969 verfolgten weltweit rund 600 Mio. Menschen das Ereignis.

Die Blue Marble, aufgenommen von der Apollo

Eine Bilanz des Versagens

Die „blaue Murmel“ zeigte, wie einzigartig und zerbrechlich unsere Erde ist. „Wir flogen als Techniker zum Mond – und kehrten als Menschenfreunde zurück“, hatte es Apollo 14-Astronaut Edgar Mitchell zwischen Armstrong und Schmitt formuliert. Die Blue Marble wurde auf zahllose Buttons und T-Shirts gedruckt, meistens in Kombination mit beschwörenden Slogans wie „One World“, „World Community“ und „Save Our Planet“. Darüber hinaus war sie u.a. auf dem Cover des „Whole Earth Catalog“ zu sehen, einem einflussreichen Magazin der ökologisch angehauchten Gegenkultur in den USA – und bis heute ist die „blaue Murmel“ das Symbol des Jahr für Jahr am 22. April abgehaltenen „Earth Day“, bei dem Wachstumskritiker und Klimaaktivisten den Zustand des wohl nach wie vor einzigen für Menschen bewohnbaren Planeten unseres Sonnensystems beklagen. Dabei wurde die Erde noch vor einem halben Jahrhundert als stabiler Planet wahrgenommen – erst vom Kosmos aus zeigte Terra plötzlich ihre Zerbrechlichkeit und erschien gläsern, fragil, wertvoll und isoliert in einer ewigen Finsternis. Dabei wirkte die Gleichzeitigkeit der Mondlandung(en) und der ersten konkreten Ökologiegedanken keineswegs beliebig, sondern die blaue Murmel hatte eben ein Gefühl für die Kostbarkeit dieses – wie lebendig erscheinenden – Planeten geweckt.

Im August 2019, 50 Jahre nach der ersten Mondlandung, lässt sich Bilanz ziehen – und die fällt verheerend und vernichtend aus. Beim Klimaschutz beispielsweise ist das Kyoto-Protokoll gescheitert: Einige Staaten haben den Klimavertrag gar nicht erst unterschrieben, andere haben ihn unterschrieben, aber nicht ratifiziert – und wieder andere haben ihn ratifiziert, aber nicht eingehalten. So kam man auf die Idee, das Vertragswerk auf Basis der Freiwilligkeit neu zu errichten. „Übereinkommen von Paris“ heißt dieser Entwurf, der die globale Erwärmung auf zwei oder doch eher 1,5 Grad begrenzen soll, denn auf ein eindeutig formuliertes Ziel konnte sich die Staatengemeinschaft schon bei den Verhandlungen nicht einigen. Rechnet man die auf dem Papier zugesicherten Maßnahmen der insgesamt 196 Länder hoch, landet man bei etwa drei Grad plus. Und die praktische Umsetzung wird – „nett“ formuliert – „bescheiden“ abgearbeitet.

Zeitungsbericht zur erfolgreichen Raumfahrtmission

Ein ähnliches Muster musste man im Mai 2019 nach der Veröffentlichung eines alarmierenden Berichts des Weltrats für Biodiversität erkennen: Von den geschätzt acht Mio. Tier- und Pflanzenarten ist rund eine Mio. akut vom Aussterben bedroht. Die Menschheit verursacht somit ein Massensterben, vergleichbar mit jenen, die in Urzeiten durch Asteroideneinschläge oder andere Naturkatastrophen ausgelöst wurden. Wie reagierten die G-7-Umweltminister? Sie bekannten sich gerade noch zu einem Dokument, in dem sich die größten Industrienationen zum Artenschutz bekennen – selbstverständlich völlig unverbindlich. Die Anstrengungen zum Schutz der Artenvielfalt sollen „beschleunigt und intensiviert“, es sollten „andere Akteure zum Handeln bewegt“ und „weltweit gültige Maßnahmen“ entwickelt werden. Und das erst für die Zeit nach 2020. Umsetzen kann das Papier ja die nächste oder die übernächste Regierung.

Apropos Österreich

Unsere Heimat ist wegen Topografie und Lage besonders vom Klimawandel betroffen. Heuer gab es den heißesten Mai seit 1868, vermehrt ist mit Unwettern, Überflutungen, Trockenheit und Hitze zu rechnen, wie auch der am 11. August wörtlich im Schweiße seines Angesichts arbeitende Chronist bestätige kann. Während Anfang des Jahres die starken Schneefälle viele Österreicher beschäftigten, waren es in den letzten Wochen vor allem starke Regenfälle, Hochwasser, Stürme oder auch Hagel. Besonders betroffen waren Vorarlberg und Tirol durch Überflutungen, Kärnten und die Steiermark durch Hagelgewitter sowie Salzburg, Nieder- und Oberösterreich durch Vermurungen und Stürme. Der Klima- und Energiefonds der Bundesregierung rechnet mit Schäden in Höhe von bis zu 8,8 Mrd. € jährlich bis zum Jahr 2050. Darauf müssen sich ganze Regionen ebenso wie Häuslbauer, Land- und Forstwirte einstellen.

Seit Herbst 2016 läuft ein Pilotprojekt des Klima- und Energiefonds, zusammen mit dem Umweltministerium und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), in der einige Regionen das „Klimawandel-Anpassungs-Programm“ (KLAR!) anwenden sollen. Dabei wurden für 23 Regionen Konzepte für ihre jeweilige Klimazukunft maßgeschneidert. Sie sollten dabei, wissenschaftlich begleitet, erfahren, mit welchem Klima in den kommenden Jahren bis 2050 zu rechnen sei, wie man sich darauf einstellen könne und welche Investitionen zu setzen seien. 20 davon gehen nun in die Umsetzung, mit dabei sind laut Umweltministerium 400.000 Menschen in 176 Gemeinden. Die wichtigsten Themen sind dabei landesweit Hitze, höhere Durchschnittstemperaturen, Trockenheit und Starkregen. So muss sich etwa laut Klimafonds die Bevölkerung der Bundeshauptstadt auf eine Verdoppelung (!) der Tropennächte (= Temperatur fällt in der Nacht nicht unter 20 Grad Celsius) einstellen. Auch die Hitzewellen (Tageshöchsttemperatur an mehreren Tagen hintereinander liegt über 30 Grad Celsius) nehmen zu: Im Jahr 2040 wird jeder vierte Sommertag in Wien ein Hitzetag sein.

Die Forstwirtschaft – der Sektor erzielt in Österreich jährlich rund zehn Mrd. € Umsatz – hat schon 2019 stärker als je zuvor mit Schädlingen zu kämpfen. Die Wälder sind durch Trockenheit und Hitze großem Stress ausgesetzt, zusätzlich macht der Borkenkäfer, der durch milde Winter begünstigt wird und sich bei höheren Temperaturen besonders gut vermehren kann, den Wäldern zu schaffen. Die Fichte wird aus den österreichischen Wäldern verschwinden, die Holzproduktion zurückgehen.

Einem Computermodell zur Zukunft von einem halben Hundert Pflanzen-, Schmetterlings- und Heuschreckenarten im Alpenraum (Österreich, Schweiz, Liechtenstein, Südtirol und Süddeutschland) zufolge werden viele Tier- und Pflanzenarten reagieren und in für sie günstigere – sprich: kühlere Gebiete – abwandern. Aber die intensiv vom Menschen genutzten Landschaften lassen das oft nicht zu, daher werden immer mehr natürliche Lebensräume durch Flächenversiegelung, Städtebau und intensivere Landwirtschaft verlorengehen.

Die Analysemodelle der Forscher sagen große Artenverluste voraus – und diese seien kaum zu verhindern. Selbst wenn fünf Prozent der derzeit land- und forstwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen wieder in naturnahe Räume umgewandelt werden würden, „kann das Aussterben der am stärksten betroffenen Arten wie z. B. dem Böhmischen Enzian, der in Österreich nur im Wald- und Mühlviertel vorkommt, nicht verhindert werden“, so der Leiter der Division für Naturschutzforschung der Universität Wien, Stefan Dullinger. Rasche und ambitionierte Maßnahmen zur Verringerung des Klimawandels seien daher nötig, um unsere Artenvielfalt zu bewahren.

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