„Der österreichische Handel konnte nach einem coronabedingt extrem herausfordernden Jahr 2020 in den vergangenen Monaten einen deutlichen Restart hinlegen. Das ist ein Grund zur Freude, aber nicht für Euphorie: Das aktuell wieder steigende Infektionsgeschehen könnte dieser positiven Entwicklung nämlich einen Strich durch die Rechnung machen“, sagt Rainer Trefelik, Obmann der Bundesparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).
Umsatzzuwächse nicht in allen Bereichen
In Summe konnte der österreichische Handel in den ersten 5 Monaten 2021 Netto-Umsätze in Höhe von rund 114,2 Mrd. Euro generieren und damit um nominell 11,8 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum 2020. Gegenüber dem Vorkrisenjahr 2019 steigerten sich die Erlöse um 0,8 Prozent.
Trotz dieser Umsatzzuwächse gibt es innerhalb des Handels Bereiche, die in den ersten Monaten des Jahres 2021 deutlich unter Vorkrisenniveau blieben: So ist etwa im Bekleidungs- sowie Schuhhandel der Restart nicht gelungen, die Umsätze liegen nach wie vor mehr als 20 Prozent zurück; auch der Schmuckhandel, der Spielwaren- und Sportartikelhandel sowie der Bücher- und Zeitschriftenhandel erreichten bislang nicht das Umsatzniveau von 2019. „Um allen Branchen einen Restart zu erleichtern, den heimischen Handel generell zu stärken und damit krisensicher aufzustellen, braucht es dringend Entlastungsmaßnahmen, insbesondere eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer, damit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr Netto vom Brutto bleibt, und die Senkung der KÖSt“, fordert Trefelik.
Im Einzelhandel lagen die Netto-Umsätze im ersten Halbjahr 2021 bei rund 35,2 Mrd. Euro. Das entspricht einem Wachstum von 6,4 Prozent (+4,3 Prozent zu 2019) bzw. von rund 2,1 Mrd. Euro netto (+1,4 Mrd. Euro zu 2019) gegenüber 2020. Auch der Großhandel konnte von Jänner bis Mai 2021 mit einer Steigerungsrate von nominell 11,1 Prozent gegenüber 2020 das Vorkrisenniveau übertreffen (+0,4 Prozent gegenüber 2019).
„Das Wachstum im Online-Handel hielt an, wenngleich sich die Wachstumsdynamik im ersten Halbjahr 2021 abschwächte und zum Teil wieder in den stationären Handel verlagerte“, so Peter Voithofer vom Economica Institut für Wirtschaftsforschung. Veränderungen gab es auch bei den Serviceerwartungen der Konsumentinnen und Konsumenten, zeigt eine Studie des Instituts für Handel, Absatz und Marketing (IHaM) der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) im Auftrag der Bundesparte Handel.
Service als zentrale Komponente
Laut der IHaM-Studie spielen für 8 von 10 Österreicherinnen und Österreicher Services beim Einkauf in Ladengeschäften und für 7 von 10 beim Online-Shopping eine wichtige Rolle. „Basierend auf den gestiegenen Serviceerwartungen in der Covid-19-Krise kristallisieren sich mehrere Trends heraus: Kunden und Kundinnen im Einzelhandel wollen mehr Qualität, digitale Begleitung im Einkaufsprozess, höhere Sicherheit sowie mehr Effizienz und Flexibilität beim Einkauf“, so Christoph Teller, Vorstand des Instituts für Handel, Absatz und Marketing an der JKU. „Einkaufen dient längst nicht mehr nur dem Konsumbedürfnis selbst, sondern steht für Shoppingerlebnisse“, ergänzt Ernst Gittenberger, Leiter des Centre of Retail and Consumer Research an der JKU.
Auf Basis der durchgeführten Konsumentenbefragung werden in Zukunft vor allem die Trends „Labeling“ (Kennzeichnungen) (für 70 Prozent der österreichischen Konsumenten in Zukunft wichtig), „Prove it“ (68 Prozent) sowie „Return to Experts“ (Expertenberatung) (62 Prozent) zentrale Bedeutung für den Einzelhandel erlangen. Im Lebensmittelhandel sind „Unmanned Stores“ und „Vending Maschines“ (Verkaufsboxen) weitere Trends.
Arbeitsmarkt deutlich erholt
Mit über 555.000 unselbständig Beschäftigten kann der Handel – durch Beschäftigungszuwächse im Groß- und Einzelhandel – ein Beschäftigungsplus von 2,3 Prozent im ersten Halbjahr 2021 verzeichnen. Das ist ein Zuwachs von 1,1 Prozent bzw. 6.000 Beschäftigten gegenüber dem Vorkrisenniveau. Beachtlich ist, dass der Einzelhandel erstmals die Marke von 300.000 Beschäftigten überschreiten konnte. Weit überdurchschnittliche Wachstumsraten konnte mit rund 29 Prozent der Onlinehandel verzeichnen. „Mit dem Anstieg der Beschäftigung sank auch die Arbeitslosenquote. So können 9,6 Prozent weniger Arbeitslose als im Vergleichszeitraum 2020 verzeichnet werden. Gleichzeitig stieg die Zahl der offenen Stellen auf 13.250, davon 70 Prozent im Einzelhandel“, so Trefelik.
Von den insgesamt mehr als 300.000 aus dem Handel insgesamt zur Kurzarbeit gemeldeten Personen seit März 2020 sind im Mai 2021 nur mehr weniger als 10 Prozent gemeldet. In Anspruch genommen wird sie derzeit im Wesentlichen von jenen Branchen, die umsatzmäßig das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht haben. Ebenfalls positiv entwickelte sich die Zahl der unselbständig Beschäftigten im Großhandel.
Weitere Umsatzzuwächse erwartet
Der Restart im österreichischen Handel wird sich auch im zweiten Halbjahr 2021 fortsetzen. Dafür sprechen ein reales BIP-Wachstum im Gesamtjahr von 4,0 Prozent (laut WIFO-Juni-Prognose), eine Steigerung der Bruttowertschöpfung im Handel von 6,0 Prozent sowie ein erwarteter Rückgang der Sparquote von 13,9 Prozent im Jahr 2020 auf 10,2 Prozent im Gesamtjahr 2021. Im Handel wird für 2021 mit einer realen Steigerung der Bruttowertschöpfung von 6,0 Prozent gerechnet, die damit also über dem realen BIP-Wachstum liegen würde. Das weitere Infektionsgeschehen könnte diese insgesamt positive Erwartungshaltung negativ beeinträchtigen – je nachdem, ob bzw. welche Maßnahmen im Herbst 2021 notwendig sind. „Wir müssen alles daransetzen, um einen weiteren Lockdown zu verhindern. Daher appelliere ich dringend an die Bevölkerung, sich impfen zu lassen“, so Trefelik abschließend.