Die „Digitale Transformation“ verändert gerade das Leben und Arbeiten der Menschen grundlegend. Doch es steht bereits eine weitere revolutionäre Technologie in den Startlöchern: Quantencomputer. Sie sind die „Super-Computer“ der Zukunft – schneller, besser, effizienter, mit zigfacher Rechenleistung als bisherige Computer. Quantencomputer sollen künftig helfen, die großen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern – und bei der Entwicklung entsprechender Software ist z.B. Oberösterreich international vorne mit dabei.
Der Wirtschafts- und Industriestandort Oberösterreich hat sich erfolgreich zu einem Innovationszentrum mit internationaler Sichtbarkeit entwickelt. Auf dem Gebiet der Softwareentwicklung für Quantencomputer zählt Univ.-Prof. Robert Wille zu den international führenden Experten, der diese Innovationsarbeit an der Johannes Kepler Universität Linz und am Software Competence Center Hagenberg aus dem UAR Innovation Network vorantreibt.
Neue Medikamente und Klima-Know-how
Quantencomputer sollen bereits in naher Zukunft spezielle Herausforderungen und Fragestellungen, für die bisherige Rechner Jahrtausende brauchen würden, in kürzester Zeit lösen. Das verspricht u.a., dass neue Medikamente, ressourcenschonende Energiesysteme oder optimierte Verkehrskonzepte schneller entwickelt werden können. Auch bei der Vorhersage und Bekämpfung des Klimawandels gibt es bereits jetzt erste vielversprechende Ergebnisse durch den Einsatz von Quantencomputern.
Zugleich müssen aber auch IT-Sicherheitskonzepte für die Zukunft gerüstet werden, denn gängige Verschlüsselungsverfahren könnten dann einfacher „geknackt“ werden. Quantencomputer sollen helfen, Sicherheitsstandards – wie zum Beispiel beim Online-Banking oder in Produktionsumgebungen – neu zu überdenken, zu verbessern und schließlich noch sicherer zu machen.
„Bisher investieren insbesondere „Big Player“ wie IBM, Google, Intel oder Microsoft im großen Stil in diese neue Technologie“, sagt Robert Wille. „Aber wir sehen auch mehr und mehr Start-Ups, die sich mit Quantum Computing beschäftigen. Und auch für KMUs wird das Thema sichtbar interessanter.“ Neben der physikalischen Realisierung entsprechender Maschinen ist mittlerweile auch die Entwicklung entsprechender Software essenziell. „Der beste Computer bringt nichts ohne entsprechende Programmierung und Entwurfswerkzeuge“, so Wille.
Viele Fragen in diesem Gebiet zählen noch zur Grundlagenforschung, die an der JKU auf internationalem Niveau betrachtet werden. Sobald der „Sprung“ in die Anwendung gelungen ist, stehen Technologietransfer-Zentren aus dem UAR Innovation Network wie das Software Competence Center Hagenberg bereit. Eine entsprechende Task Force dazu wurde im SCCH bereits gegründet.
Und der Erfolg spricht für sich: So hat Prof. Wille und sein Team einen Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrats (European Research Council) an die JKU geholt. Dies zählt zu den renommiertesten Wissenschaftsauszeichnungen Europas, die zudem mit einer Förderung von knapp zwei Millionen Euro verknüpft ist.
Der Rektor der Johannes Kepler Universität Linz, Univ.-Prof. Meinhard Lukas, betont das perfekte Zusammenspiel zwischen Grundlagenforschung an der JKU und angewandter Forschung am SCCH: „Das SCCH betreibt in Hagenberg herausragende Forschung mit praktischer Anwendung. Gleichzeitig werden an der JKU die international viel beachteten Grundlagen dafür gelegt. Mit dem Consolidator Grant für seine Forschung an Software für Quantencomputer treibt Prof. Wille die Grundlagenforschung an seinem Institut und am Linz Institute for Technology der JKU weiter voran.“
„Zugleich stellt Prof. Wille als wissenschaftlicher Leiter des SCCHs sicher, dass in Zukunft dieses Thema auch in den heimischen Unternehmen Einzug hält“, erklärt Wilfried Enzenhofer, Geschäftsführer der Upper Austrian Research GmbH, die mit den Forschungszentren im UAR Innovation Network auf die anwendungsorientierte Forschung fokussiert. „Damit sind hier die optimalen Bedingungen für einen erfolgreichen Technologie-Transfer gelegt“.
Quanten-Power auch im „Heiligen Land“
Die Träger von Quanteninformation, die sogenannten Qubits, sind anfällig für Fehler, die durch unerwünschte Wechselwirkungen mit der Umwelt verursacht werden. Diese Fehler häufen sich während einer Quantenrechnung an, ihre Korrektur ist für den zuverlässigen Einsatz von Quantencomputern eine zentrale Voraussetzung.
Ähnlich wie der klassische Computer benötigt auch der Quantencomputer eine funktionierende Fehlerkorrektur. Forscher der Universität Innsbruck haben in Zusammenarbeit mit Kollegen der RWTH Aachen und der Universität Bologna in der Fachzeitschrift Nature eine Methode präsentiert, mit der Quantencomputer auch dann weiterrechnen können, wenn sie einige Qubits verlieren.
Die Forscher mussten zwei Schlüsseltechniken entwickeln, um ihren Quantencomputer vor dem Verlust von Qubits zu schützen. Die erste Herausforderung bestand darin, den Verlust eines Qubit überhaupt zu erkennen. „Die direkte Messung des Qubits ist keine Option, da dies die darin gespeicherte Quanteninformation zerstören würde“, erklärt Philipp Schindler von der Universität Innsbruck. „Wir konnten dieses Problem überwinden, indem wir eine Technik entwickelten, bei der wir mit einem zusätzlichen Ion prüfen, ob das fragliche Qubit noch vorhanden ist oder nicht, ohne es aber zu stören“, erläutert Martin Ringbauer.
Die zweite Herausforderung bestand darin, den Rest der Berechnung in Echtzeit anzupassen, falls tatsächlich ein Qubit verloren geht. Diese Anpassung ist entscheidend, um die Quanteninformation nach einem Verlust zu entschlüsseln und die verbleibenden Qubits zu schützen. Der Leiter des Innsbrucker Teams, Thomas Monz, betont, dass „alle in dieser Arbeit entwickelten Bausteine leicht auf andere Quantencomputerarchitekturen und andere führende Protokolle zur Quantenfehlerkorrektur anwendbar sind“.
Last but not least ist noch das Tiroler Start-up AQT erwähnenswert, dass mit IT-Partnern in technischer Hinsicht „eine gemeinsame Sprache“ finden will (ISO/IEC WD 4879 „Information technology – Quantum computing“). AQT hat sich darauf spezialisiert, Ionenfallen-Quantencomputer zu entwickeln, und ist das erste Start-up in Europa, das einen Quantencomputer in die Cloud bringt.
Aufbauend auf mehr als 20 Jahre Forschung an der Universität Innsbruck und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften konnte AQT einen auf Industriestandards basierenden Quantencomputer realisieren. Der Nutzen: Der Computer benötigt keine Laborbedingungen, passt in einen Wandschrank und hat den Stromverbrauch eines Wasserkochers. Die Technologie kann dank hoher Rechenleistung die Entwicklung von neuen Medikamenten oder von Materialien mit geplanten Eigenschaften unterstützen.