Mit dem Deloitte Radar werden Attraktivität und internationale Wettbewerbsfähigkeit des heimischen Wirtschaftsstandortes ermittelt. Neben der Analyse internationaler Indizes wurden dazu heuer rund 250 österreichische Top-Führungskräfte befragt. Das Ergebnis: Die anhaltende Krise dämpft die Zuversicht der Unternehmen. Aktuell glauben nur mehr 27 Prozent der Führungskräfte, dass Österreich den Aufschwung im Vergleich zu anderen europäischen Staaten „Gut“ oder „Sehr gut“ meistern wird. Im Sommer 2020 waren es noch 64 Prozent.
„Für unsere Volkswirtschaft ist es spielentscheidend, wie schnell wir wieder an Fahrt aufnehmen können“, fordert Harald Breit, Partner und designierter CEO von Deloitte Österreich. Im Europavergleich rangiert unser Österreich beispielsweise im IMD-Ranking aktuell nur auf Platz 9 und damit bestenfalls im Mittelfeld. Andere vergleichbare Länder wie Dänemark, Schweden, die Schweiz oder die Niederlande liegen deutlich besser. „Wir müssen jetzt an den richtigen Stellschrauben drehen und die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um erfolgreich aus der Krise zu kommen“, verlangt Breit.
Die Ideen der Firmen
Für die Unternehmen ist klar, wo angesetzt werden müsste: Neben der lange geforderten Senkung der Lohnnebenkosten (92 Prozent) werden die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung (96 Prozent), des Schulsystems (93 Prozent) und des Gesundheitssystems (93 Prozent) als wichtigste Maßnahmen genannt. Auch die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes (89 Prozent) sowie die Förderung von Investitionen (87 Prozent) – speziell im Bereich Umwelttechnologien (86 Prozent) – stehen weit oben auf der Wunschliste der Wirtschaftsvertreter.
„Wir brauchen eine umfassende Digitalisierungsoffensive insbesondere im Schulbereich, im Gesundheitswesen und in der öffentlichen Verwaltung, um die bestehenden Versäumnisse auszuräumen“, ist Breit überzeugt. „Nur so kann sich der Wirtschaftsstandort Österreich für die Zeit nach der Pandemie wappnen und an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen.“
Mangelnde Digitalisierung und schwaches Wachstum
Die Betrachtung der einzelnen Standortfaktoren offenbart vor allem im Bereich Innovation einigen Aufholbedarf. Neben der Digitalisierung sehen die Unternehmen auch in Hinblick auf Risikokapital (57 Prozent „Genügend“ oder „Nicht genügend“) und Start-up-Kultur (58 Prozent „Genügend“ oder „Nicht genügend“) Optimierungspotenzial.
Doch laut Deloitte Partner Herbert Kovar gibt es auch erfreuliche Entwicklungen: „Um Innovation zu fördern, muss man auch Risikobereitschaft ermöglichen. Als Anreizsystem für Unternehmen und Investoren hat sich dabei die Forschungsförderung bewährt: Die Hälfte der Befragten vergibt für dieses Modell Bestnoten und attestiert Österreich damit einen klaren Wettbewerbsvorteil.“
Die Rahmenbedingungen bergen allerdings weitere Stolpersteine: 50 Prozent der Befragten bewerten das Wirtschaftswachstum mit „Genügend“ oder „Nicht genügend“, weitere 38 Prozent vergeben die Note „Befriedigend“.
Zudem sind auch die Bürokratie (69 Prozent „Genügend“ oder „Nicht genügend“) und die Einkommensbesteuerung (57 Prozent „Genügend“ oder „Nicht genügend“) klare Hindernisse für erfolgreiches Wirtschaften am Standort.
Arbeitsmarkt zu unflexibel
Der heimische Arbeitsmarkt schneidet im internationalen Vergleich eher durchschnittlich ab. So wird die Arbeitsmarktflexibilität von 46 Prozent der Unternehmer mit „Befriedigend“ bewertet, 35 Prozent vergeben nur ein „Genügend“ oder „Nicht genügend“. Vor allem die Verfügbarkeit von Fachkräften ist weiterhin ein Problem: Ganze 44 Prozent werten diesen Punkt nur als „Genügend“ oder „Nicht genügend“.
„Mit der Corona-Kurzarbeit wurde eine wirkungsvolle Akutmaßnahme ins Leben gerufen“, analysiert Elisa Aichinger, Parternin bei Deloitte Österreich. „Der Aufschwung des Arbeitsmarktes muss aber mittel- und langfristig geplant werden. Um das Spannungsfeld von Fachkräftemangel und hoher Arbeitslosenquote zu bewältigen, braucht es eine Qualifizierungsoffensive – sowohl mit überbetrieblichen Initiativen als auch arbeitsplatznaher Fortbildung.“
Pluspunkte sammelt die Alpenrepublik heuer erneut in den Bereichen Infrastruktur und Lebensqualität. Hier werden Spitzenwerte erzielt: 86 Prozent der befragten Unternehmen bewerten die Energieversorgung mit „Sehr gut“ oder „Gut“, 81 Prozent sind mit der Verkehrsinfrastruktur zufrieden. Die Qualität der Umwelt wird von 92 Prozent mit „Sehr gut“ oder „Gut“ bewertet, die individuelle Sicherheit von 93 Prozent.
Hebel für den Aufschwung
Zwölf Monate Ausnahmezustand haben laut Deloitte Radar zweifelsohne zu einer Pandemie-Müdigkeit unter den Unternehmen geführt. Während das Krisenmanagement im letzten Jahr mehrheitlich sehr gut beurteilt wurde, ist die positive Stimmung diesbezüglich abgeflacht. Das heimische Gesundheitssystem wird hingegen weiterhin als große Stärke wahrgenommen (84 Prozent „Sehr gut“ oder „Gut“).
Auch die finanzielle Unterstützung für Unternehmen wird von 59 Prozent der Führungskräfte noch mit „Sehr gut“ oder „Gut“ bewertet. Immerhin 38 Prozent vergeben für die raschen politischen Entscheidungen ein „Sehr gut“ oder „Gut“.
„Es gibt sechs Hebel zur Krisenbewältigung“, fasst Breit zusammen: „Rasche Digitalisierung der Verwaltung, Verringerung der Kosten- und Steuerbelastung, höhere Flexibilität des Arbeitsmarktes, Förderung von Innovation sowie Förderung von Investitionen und Entbürokratisierung der Verwaltung. In Kombination mit einem effizienten Impfmanagement können diese Maßnahmen für eine Aufwärtsentwicklung sorgen. Eine rasche Umsetzung ist jetzt entscheidend.“