Die drängende Notwendigkeit einer umfassenden Neujustierung des Gesundheitssystems ist unbestritten und stößt generell auf breiten Konsens. Der Fiskalrat, als unabhängige Plattform, hat im Zuge eines Workshops, nun Reformpotenziale analysiert und konkrete Maßnahmen skizziert.
Die voranschreitende Alterung der österreichischen Gesellschaft führt in den nächsten Jahrzehnten zu einem starken Anstieg der Demografie-abhängigen Ausgaben. Dies gilt vor allem für die Bereiche Gesundheit und Pflege.


Der stärkste Anstieg der Ausgaben entsteht dabei im Gesundheitsbereich. Die Gesundheitsausgaben steigen von 7,7% des BIP im Jahr 2023 auf 8,9% des BIP im Jahr 2040 bzw. 10,3% des BIP im Jahr 2070.

Der deutliche Anstieg der Gesundheitsausgaben in Prozent des BIP (Ausgabenquote) bedeutet, dass ein immer größerer Teil der Staatseinnahmen für die Finanzierung des Gesundheitssystems aufgewendet werden muss.
Diese Entwicklung steht in Konkurrenz zur Finanzierung anderer Aufgaben des Staates und führt damit zu einem Finanzierungsproblem.
Problembeleuchtung aus unterschiedlichen Perspektiven
Der Fiskalrat betrachtet den bereits erfolgten und noch bevorstehenden Anstieg der Gesundheitsausgaben mit großer Sorge.

Um das bestehende Problem zu evaluieren und nötige Reformen anzustoßen, wurde ein Workshop mit den wichtigsten Akteur:innen der österreichischen Gesundheitsarchitektur abgehalten. Die Besonderheit der Veranstaltung bestand darin, dass Vertreter:innen von BMASGPK, BMF, Bundesländern, Gemeinden, Sozialversicherung und Ärztekammer gemeinsam mit Gesundheitsexpertinnen und -experten aus ganz Österreich die bestehenden Probleme und notwendigen Reformen aus den unterschiedlichen Perspektiven beleuchteten.
Mangelnde Nachhaltigkeit
Dabei wurde offensichtlich, dass jede/r der anwesenden Expert:innen die gegenwärtige Entwicklung der Gesundheitsausgaben als nicht nachhaltig erachtet.

Neben der dreifachen Alterung (Reduktion des Arbeitskräfteangebots in den Gesundheitsberufen, Alterung der Gesellschaft und Rückgang der Beitragszahlenden des Gesundheitssystems) führen Ineffizienzen in der aktuellen Organisation und in der Ausgestaltung des österreichischen Gesundheitssystems, der technologische Wandel und die hohe Arbeitsintensität in den Gesundheitsberufen zu einem starken Anstieg der Ausgaben.
Weiters wurde attestiert, dass die zwischen Bund und Ländern vereinbarten Ausgabenobergrenzen der Zielsteuerung Gesundheit nicht ausreichen, um Anreiz für Reformen zur Ausgabendämpfung auszulösen.
„Die vereinbarten Maßnahmen reichen nicht aus, um die Ausgabenquote zu stabilisieren. Eine Erhöhung der Kosteneffizienz unter anderem durch Strukturreformen beziehungsweise Strukturbereinigungen ist unumgänglich“, unterstrich Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrates, die Notwendigkeit von Reformen.
© Thomas Czypionka / Fiskalrat
Im Rahmen vieler möglicher Reformansätze wurden die Bedeutung einer effizienten Patientensteuerung (Stichwort: digital vor ambulant im niedergelassenen Bereich vor ambulant im Spital vor stationär), einer Vereinfachung der Finanzierungsstruktur (z. B. mögliche Zusammenlegung der Finanzierung von Ambulanzen), koordinierter strategischer Einkäufe von medizinischem Bedarf und Medikamenten sowie der Kosten-Nutzen-Betrachtung einzelner Behandlungen (Stichwort: Vermeidung von „Low Value Care“) hervorgehoben.
Erweiterung der „Reformpartnerschaft Österreich“
Auf Wunsch der Teilnehmenden wird der Fiskalrat als unabhängige Plattform versuchen, die Akteur:innen der Gesundheitsarchitektur und Gesundheitsexpert:innen bei der Erarbeitung von konkreten gesamtstaatlich gedachten Reformen zu unterstützen.
Die bestehende „Reformpartnerschaft Österreich“ sollte dringend um ein Kapitel zur Gesundheitsreform erweitert werden.
Nähere Informationen zu allen Vorträgen finden Sie hier.