Nach einer vorsichtigen Wachstumsprognose des Spendenaufkommens im Vorjahr, war die Überraschung im Fundraising Verband Austria bei der umfassenden Analyse der Spendendaten für den Spendenbericht groß: 1,1 Mrd. Euro bedeuten das höchste jemals erzielte Aufkommen für gemeinnützige Zwecke und eine Steigerung der Großzügigkeit von über 26% innerhalb eines Jahres.
„Das Ausmaß der Hilfsbereitschaft gegenüber den Millionen an betroffenen Menschen des Ukraine-Krieges hat alle Erwartungen übertroffen. 150 bis 200 Millionen Euro wurden allein für die Ukraine-Hilfe gegeben – der entscheidende Faktor für den größten hiesigen Spendenzuwachs aller Zeiten“, betont Günther Lutschinger, Geschäftsführer des Fundraising Verband Austria.
„Bis zum heutigen Tag wurden an das Österreichische Rote Kreuz über 15,5 Millionen Euro für die Hilfe in der Ukraine gespendet. Damit können wir seit mehr als 600 Tagen die betroffenen Menschen unter anderem mit medizinischer Versorgung, Notunterkünften und mobilen Gesundheitsdiensten unterstützen. Möglich waren und sind diese schnellen und effizienten Hilfeleistungen dank der außergewöhnlichen Spendenbereitschaft der Menschen in Österreich. Danke an jede einzelne Spenderin und jeden einzelnen Spender!“, ergänzt Michael Opriesnig, Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes.
Dominanz der Privathaushalte
Die Analyse zeigt, dass Privatpersonen in Österreich vergangenes Jahr unglaubliche 920 Mio. Euro für gemeinnützige Projekte beigetragen haben – mit 84% der Löwenanteil am Spendenaufkommen.
Davon resultierten 120 Mio. Euro aus Erbschaften, eine Spendenform, die bei immer mehr Menschen auf Interesse stößt. Jeder neunte Spendeneuro des Landes kommt mittlerweile aus einem gemeinnützigen Testament. Je 8% des Aufkommens stammten von Unternehmen und gemeinnützig aktiven Stiftungen. Unter den Einkommensschichten bildete der Mittelstand weiterhin die Hauptschlagader des Gebens in Österreich: 96% aller Spenden resultierten zuletzt aus Beträgen unter 600 Euro, während Spenden über 1.000 Euro in Summe lediglich 2% ausmachten.
Österreichischer Spendenzuwachs
Während sich bei der Spendenweltmeisternation USA (475,55 Mrd. Euro) 2022 ein seltener Rückgang einstellte, sucht der österreichische Spendenzuwachs international seinesgleichen.
Nur die Schweiz (+22%) und die Tschechische Republik (+19%) verzeichneten ein ähnlich hohes Plus. In der Praxis erstreckte sich die Steigerung der Spendeneinnahmen vor allem auf eine kleine Zahl an NPOs, die intensiv mit der Ukraine-Nothilfe befasst waren und sind.
„Nicht alle gemeinnützigen Vereine des Landes durften sich über mehr Spenden freuen und ihr Wirken ausdehnen. Viele kleinere Vereine haben die Teuerung deutlich zu spüren bekommen und mussten bereits Rückgänge verkraften“, fasst Günther Lutschinger die Entwicklung zusammen.
Größte Spendenbeteiligung in Niederösterreich und Burgenland
Österreichweit beteiligen sich nach eigenen Angaben aktuell 71% (+4%) der Bevölkerung aktiv am Spenden, durchschnittlich mit 123 Euro, so das Ergebnis der Spendenmarktbefragung.
Nachdem in den vergangenen Jahren Salzburg, Tirol und Vorarlberg ihre Spitzenposition bei der Höhe der Durchschnittsspenden immer weiter ausbauen konnten, zeigte sich im Vorjahr ein anderes Bild, wonach erstmals Spendende in Kärnten und der Steiermark mit 148 Euro die höchsten Spendenbeträge aufwiesen (zum Vergleich: Wien 110 Euro, Oberösterreich 109 Euro). Bei der Beteiligung am Spenden konnten Niederösterreich und das Burgenland hingegen ihre führende Stellung ausbauen: 80% der Menschen in diesen beiden Bundesländern spendeten.
Neben der humanitären Hilfe für die Ukraine, blieben die Kinderhilfe und der Tierschutz für je 30% der Spendenden die beliebtesten Themen.
Bei der Verteilung der Spendengelder zeigte sich hingegen ein anderes Bild: Im Vorjahr verteilte sich das Aufkommen zu 30% auf soziale Hilfsprojekte, zu 26% auf die Internationale Hilfe, zu 15% auf Wissenschaft und Forschung, zu 9% auf Kinderhilfe, zu 8% auf Tier- und Umweltschutz und zu 12% auf andere Spendenziele.
Auswirkungen der Teuerung
Die im Spendenbericht ausgewerteten Zahlen und Daten aus dem ersten Halbjahr 2023 verdeutlichen den Trend einer leicht rückläufigen Spendenbereitschaft gegenüber dem Rekordjahr 2022.
„Die Teuerung ist spätestens heuer in der Mitte der Gesellschaft angekommen und hat viele Menschen zu Einschränkungen bei ihrem Spendenengagement bewegt“, weiß Ruth Williams, Philanthropie-Expertin und designierte Geschäftsführerin des Fundraising Verband Austria ab 2024.
In seiner Prognose geht der Fundraising Verband Austria von 9% Rückgang und einem Aufkommen von rund 1 Mrd. Euro 2023 aus – immer noch deutlich mehr als in den vorangegangenen Jahren. Entscheidend für den Ausgang des Spendenjahres ist besonders die Vorweihnachtszeit, in der im Schnitt bis zu 30% des jährlichen Aufkommens eingehen.
Kräftige Impulse erwarten sich Expertinnen und Experten auch von den verbesserten Rahmenbedingungen für NPOs und ihre Spendenden ab 2024. Das Gemeinnützigkeitspaket bringt u.a. die Spendenabsetzbarkeit für alle Vereine. Insbesondere Spenden für Bildungszwecke im Inland werden erstmals begünstigt und Bildungsorganisationen hoffen, dadurch ihr Wirkungsvermögen zu erweitern.
„Durch den Zugang zur Spendenbegünstigung können laut EcoAustria-Studie mindestens 30 Millionen Euro pro Jahr kurzfristig für gemeinnützige Projekte mobilisiert werden, Mittel, die in Zeiten des wachsenden Bildungsnotstands dringend benötigt werden. 5.000-8.000 Schülerinnen und Schüler mit Lernrückstand könnten damit in Österreichs engagierten Bildungsinitiativen zusätzlich betreut werden“, konstatiert Walter Emberger, Gründer Teach for Austria, abschließend.
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