Die ATX-Unternehmen messen Nachhaltigkeit immer mehr Bedeutung zu und bündeln das Thema inzwischen bei einem Chief Sustainability Officer (CSO). Allerdings variiert der Einfluss des CSOs innerhalb der ATX-Unternehmen enorm.
Rund drei Viertel (75 %) der derzeitigen ATX-CSOs sind in den vergangenen drei Jahren eingestellt oder in die Rolle befördert worden. Aktuell haben insgesamt alle 20 ATX-Unternehmen (100 %) die CSO-Rolle besetzt – in Deutschland sind es 90 Prozent der DAX-Unternehmen und in der Schweiz 100 Prozent der SMI-Unternehmen. Dies zeigt sowohl das Engagement der Unternehmen, die ESG-Transformation zu beschleunigen, als auch die Widerstandsfähigkeit der CSO-Rolle in einem anspruchsvollen wirtschaftlichen Umfeld.
ESG-Transformation in vollem Gange
Bislang sind allerdings nur 35 Prozent der österreichischen ATX-CSOs auf Vorstandsebene angesiedelt – und haben damit auch eine entsprechende Entscheidungsmacht, die ESG-Transformation umfassend vorantreiben zu können. Unabhängig von der Position des CSOs gibt es in nur sieben der 20 ATX-Unternehmen (35 %) eine eigenständig agierende Nachhaltigkeitsabteilung. Rund drei Viertel (75 %) haben dafür ein eigenes Nachhaltigkeitsboard oder einen Nachhaltigkeitsrat eingerichtet.
Auch weltweit betrachtet gewinnt die Rolle des CSOs immer mehr an Bedeutung: Im Jahr 2021 wurden global mehr CSOs eingestellt als in den vorherigen fünf Jahren (2016-2020) zusammen.
„Die ESG-Transformation ist inzwischen in der Wirtschaft angekommen: Alle 20 ATX-Unternehmen haben bereits eine CSO-Position geschaffen, in denen die vielfältigen Nachhaltigkeitsaspekte zusammenlaufen. Das Schaffen einer solchen Position ist allerdings lediglich der erste Schritt. Genauso wichtig ist die Integration des CSOs ins Kerngeschäft. CSOs sollten in strategische Entscheidungen eingebunden und mit ausreichend Ressourcen ausgestattet sein. Nur so können sie den nötigen Wandel innerhalb ihrer Organisation vorantreiben und durchsetzen“, konstatiert Willibald Kofler, Country Head von Strategy& Österreich.
ATX-CSOs zwischen Bedeutung und Bedeutungslosigkeit
Insgesamt unterteilt sich das Feld der ATX-CSOs in zwei ungleich große Gruppen: CSOs mit Anbindung ans Top-Management, die über die notwendige Schlagkraft verfügen, um ESG-Ziele eigenständig in der Unternehmensstrategie zu verankern und interne Prozesse sowie Geschäftsmodelle anzupassen (“CSOs with impact”) und CSOs, denen dieser Zugang zur obersten Führungsebene fehlt und die nur ein limitiertes Mandat haben (“CSO lights”).
Fast zwei Drittel (65 %) der ATX-Unternehmen haben derzeit „CSO lights“ – sie berichten nicht zwangsläufig direkt an den Vorstand – und haben somit wenig Einfluss, um transformative Veränderungen auch tatsächlich umsetzen zu können. Bei DAX-Unternehmen sind es hingegen nur 45 Prozent, bei SMI-Unternehmen sogar nur 35 Prozent.
„Viele Unternehmen scheinen die steigende Bedeutung von ESG für ihre langfristige finanzielle Zukunft und Wertschöpfung bereits erkannt zu haben. Allerdings muss noch mehr getan werden, um die CSO-Rolle und ihre Relevanz innerbetrieblich weiterzuentwickeln. Dies gilt insbesondere für die meisten ATX-Unternehmen, die einen ‚CSO light‘ beschäftigen und dadurch nur begrenzten Einfluss auf die ESG-Transformation des Unternehmens haben. Der Bedarf scheint daher groß zu sein, das Mandat des CSO in Österreich gezielt zu stärken, um eine ganzheitliche Nachhaltigkeitstransformation vorantreiben zu können“, schlussfolgert Harald Dutzler, Partner bei Strategy& Österreich.
Die CSOs lassen sich je nach Einfluss und Tätigkeitsbereich in fünf Archetypen einteilen:
• Typ 1: CEO-CSO
In drei ATX-Unternehmen (15 %) übernimmt der CEO die Aufgabe des CSOs in Personalunion
• Typ 2: C-Level-CSO
In weiteren vier ATX-Unternehmen (20 %) ist die CSO-Rolle ebenbürtig zu Positionen wie etwa dem CFO direkt auf Vorstandsebene angesiedelt, oder ESG-Themen werden in bereits bestehende C-Level-Rollen integriert
• Typ 3: Standalone CSO
In vier ATX-Unternehmen (20 %) leitet der CSO zwar eine eigene Abteilung, ist jedoch kein Mitglied des Vorstands. Diese „CSO lights“ sind auf andere Geschäftsbereiche angewiesen und müssen Allianzen bilden.
• Typ 4: Core Business Function CSO
In einem weiteren Modell, das sich ebenfalls in drei ATX-Unternehmen (15 %) findet, werden CSOs in das Kerngeschäft, etwa die Produktion, eingebunden und versuchen diese auf ESG-Kriterien zu trimmen.
• Typ 5: Support Function CSO
CSOs, die lediglich unterstützenden Abteilungen wie HR oder Communications angegliedert sind und über sehr begrenzten Gestaltungsspielraum verfügen, sind in fünf ATX-Unternehmen (25 %) zu finden.
Der „Support Function CSO“ stellt somit den häufigsten CSO-Archetyp bei ATX-Unternehmen dar, kommt hingegeben bei den DAX- und SMI-Unternehmen gar nicht mehr vor. Indes ist der „Standalone CSO“ bei DAX-Unternehmen am häufigsten vertreten (40 %), bei SMI-Unternehmen ist es sogar der „C-Level-CSO“ (55 %).
Kein One-Size-Fits-All CSO
Ein Blick auf die Demographie der ATX-CSOs legt nahe, dass die Unternehmen bei der Besetzung der CSO-Position besonders großen Wert auf langjährige Unternehmenszugehörigkeit, eine entsprechend große Kenntnis der Unternehmensstrukturen sowie ein belastbares internes Netzwerk legen. 70 Prozent der ATX-CSOs wurden intern auf ihre Stelle befördert. Fast die Hälfte (55 %) der ATX-CSOs besitzt einen wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund, 10 Prozent haben ihre akademischen Wurzeln im Bereich Marketing und Kommunikation und 10 Prozent im juristischen Bereich.
Bei der Geschlechterverteilung herrscht noch ein deutliches Ungleichgewicht: Nur 30 Prozent der ATX-CSOs sind weiblich – davon sind nur 14 Prozent „CSOs with impact“. Damit bildet Österreich im DACH-Vergleich das Schlusslicht. Bei den DAX-Unternehmen in Deutschland ist die Mehrheit (58 %) der CSO-Stellen weiblich besetzt – davon sind sogar 44 Prozent „CSOs with impact“. Bei den SMI-Unternehmen in der Schweiz liegt der Frauenanteil bei immerhin 35 Prozent.
„Die Rolle des CSOs hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich weiterentwickelt und dabei rasant an Bedeutung gewonnen. Um notwendige Anpassungen des Business-Modells und der Prozesse vorantreiben zu können, muss die Rolle vielmehr für jede Organisation individuell zugeschnitten werden. Entscheidend ist dabei, dass die CSO-Position zu den spezifischen ESG-Herausforderungen des Unternehmens passt und die Organisationsstrukturen sowie die Kultur des Unternehmens berücksichtigt“, meint Willibald Kofler abschließend.