Während des starken Umbruchs, in dem sich die Arbeitswelt seit mehreren Jahren befindet, steht nicht nur die digitale Transformation im Blickfeld, zunehmend wird auch (wieder) der Sinn, die Kultur und die Organisation der Arbeit und ihre Vereinbarkeit mit dem Privatleben zum Thema gemacht. Schlagworte wie „Work-Life-Balance“ oder „Employer Branding“ treten mittlerweile in beinahe jedem Bewerbungsgespräch in den Vordergrund.
„Nur wenn man diese Faktoren berücksichtigt, kann die Frage nach dem Sinn und der Legitimität des Einsatzes von digitalen Technologien beantwortet werden“, sagt Ralph Sichler, der sich als Leiter des Instituts für Management & Leadership Development an der Fachhochschule Wiener Neustadt (FHWN) seit Jahren mit dem Thema beschäftigt.
Wo bleibt die Anerkennung?
Das gemeinsame Arbeiten in Teams auch über weite räumliche Distanzen bringt viele Vorteile mit sich – der Arbeitsweg fällt weg, dadurch werden auch Zeitressourcen bei Arbeitnehmer:innen frei. Fixpunkte eines Arbeitstags können mithilfe digitaler Tools problemlos auch von zu Hause erledigt werden. Doch in vielen Unternehmen und Teams werden die Gefahren, die ein solcher Arbeitsalltag mit sich bringt, außer Acht gelassen. Im Rahmen seiner Forschung konzentriert sich Sichler im Wesentlichen auf vier Aspekte: Sinn und Anerkennung von Arbeit, Kultur und Organisation, digitale Transformationsprozesse und „Work-Life-Blending“.
„Auf allen vier Ebenen gibt es vielfältige, miteinander verbundene Problemstellungen. Ein Beispiel: Durch wen und in welcher Form bekomme ich Anerkennung, wenn zunehmend mit digitalen Medien und Tools gearbeitet und kommuniziert wird?“
Reflexion und Partizipation
Unternehmen, die zwar viele Prozesse verändert und digitalisiert haben, jetzt aber mit unzufriedenen Mitarbeiter:innen konfrontiert sind, müssen laut Sichler den neuen Herausforderungen mit grundlegenden Änderungen entgegentreten.
„Dabei geht es vor allem um zwei Aspekte: Die Reflexion der internen und externen Kommunikation und Kooperation im Unternehmen und die Partizipation der Mitarbeiter:innen bei der Einführung und Gestaltung von Arbeitsprozessen mit Hilfe von digitalen Technologien. Wer in die Gestaltung eines neuen Prozesses eingebunden wird, hält sich dann auch eher daran und arbeitet wirkungsvoller“, erklärt der Wirtschaftspsychologe.
Humanistische Gestaltungskriterien
Neben diesen Ergebnissen gelangte er zu einer Erkenntnis, die sich nach langjähriger Forschung immer deutlicher herauskristallisiert hat und die er allen Unternehmen ans Herz legen möchte. „Digitale Transformationsprozesse sind immer auch Organisationsentwicklungsprozesse und sollten auch dementsprechend nach humanistischen Gestaltungskriterien ausgeführt werden. Dabei gilt es, die Selbstbestimmung der Menschen in der Arbeit zu fördern, aber ebenso und damit verbunden die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung für das eigene Tun. Anstehende Entscheidungen sollten von allen Betroffenen gründlich diskutiert und ihren vielfältigen Folgen abgewogen werden.“