Der Hernstein Management Report erhebt seit über 20 Jahren ein jährliches Stimmungsbild unter Führungskräften und Unternehmerinnen und Unternehmern in Österreich und Deutschland. An der repräsentativen Befragung haben 1.600 Führungskräfte sowie Unternehmerinnen und Unternehmer, davon 600 in Österreich und 1.000 in Deutschland teilgenommen.
Trendentwicklung
Der aktuelle Hernstein Management Report stellt die Themen Stärken von Mitarbeitenden sowie stärkenorientiertes Führen in den Vordergrund. Umfeldbedingungen ändern sich laufend und deshalb werden neue Stärken, wie Flexibilität und Anpassungsfähigkeit am Arbeitsmarkt gefragter.
Auf der anderen Seite stellt sich für Unternehmen, gerade in Zeiten eines ausgeprägten Mitarbeitermangels, die Frage, wie sehr sie zumindest in einigen Aufgaben- und Qualifikationsbereichen auf spezielle Stärken eingehen können. Dies ist sowohl für die Mitarbeitermotivation relevant als auch für die Effizienz der Unternehmen. Dafür sind verschiedene Konzepte möglich und werden in der Praxis auch angewendet.
Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Softskills
25 % der Führungskräfte sind der Ansicht, dass Flexibilität und Anpassungsfähigkeit als persönliche Stärken von Mitarbeitenden an Bedeutung gewinnen werden. Angesichts erhöhter Komplexität, immer kürzer werdender Innovationszyklen und zahlreicher Umbrüche auch bei als bisher sicher angenommener Umfeldbedingungen (geopolitisches Umfeld, Energiekrise etc.) überrascht diese Antwort nicht.
„Diese persönlichen, individuellen Stärken werden für Unternehmen immer wichtiger. Erhöhte Komplexität, immer kürzer werdende Innovationszyklen und zahlreiche Umbrüche, auch bei als bisher sicher angenommene Umfeldbedingungen, benötigen oft rasche und unkonventionelle Entscheidungen, um wirtschaftlich kompetitiv zu bleiben“, erklärt Michaela Kreitmayer, Leitung Beratung, Projektleitung und Vertrieb des Hernstein Instituts.
An zweiter Stelle mit 22 % und einem relativ geringen Abstand folgen die Softskills Teamfähigkeit und Empathie. Viele Führungskräfte scheinen daher davon auszugehen, dass ein auf Kooperation und gegenseitiges Verständnis ausgerichtetes Teamgefüge eine wichtige Erfolgsvoraussetzung ist.
Dies erscheint nicht als Selbstverständlichkeit, denn gerade angesichts der krisenhaften Konjunkturlage und Standortdiskussion könnte ein mehr auf Struktur und Disziplinierung ausgerichtetes Organisationsverständnis an Bedeutung gewinnen.
„Viele Führungskräfte gehen davon aus, dass ein auf Kooperation und gegenseitiges Verständnis ausgerichtetes Teamgefüge eine wichtige Erfolgsvoraussetzung ist“, informiert Michaela Kreitmayer.
Mit 16 Prozent an dritter Stelle nennen die befragten Führungskräfte Tech- und Digital-Skills. Mit nur 5 Prozent werden hingegen Hard-Skills, wie etwa Fachwissen genannt.
Jobbeschreibungen berücksichtigen Stärken und Schwächen
Auf die Frage, inwieweit Jobbeschreibungen Stärken und Schwächen von Mitarbeitenden berücksichtigen, geben 16 Prozent der Führungskräfte an, dass in ihrem Unternehmen bereits sehr stark darauf Rücksicht genommen wird. Weitere 45 Prozent sind eher dieser Meinung, in Summe stimmen also 61 Prozent der Führungskräfte zu, dass diese persönlichen Eigenschaften bereits beachtet werden.
„Insbesondere bei internen Jobvergaben macht es sowohl für das Unternehmen wie auch Mitarbeitende Sinn, die Stärken und Schwächen zu berücksichtigen. So kann es etwa leicht sein, dass kreative, aber weniger strukturierte Personen in einer Organisationsfunktion schlechter aufgehoben sind, oder dass sich eine introvertierte Person nicht optimal für eine Verkaufsposition eignet. Organisationen sollten optimalerweise so gestaltet sein, dass es ein gutes Zusammenspiel zwischen der HR-Abteilung und den Führungskräften gibt, sowie klare Rollenzuordnungen, Handlungs- und Entscheidungsspielräume“, unterstreicht die Expertin.
Anpassungsprozesse
Laut 12 Prozent der befragten Führungskräfte träfe es sehr zu, dass sich Stellendefinitionen, Abteilungen oder sogar das gesamte Unternehmen an die Mitarbeitenden anpassen, 32 Prozent sind eher dieser Ansicht. In Deutschland ist die Anpassung der Jobs und der Organisation an die Mitarbeitenden etwas stärker ausgeprägt als in Österreich.
„47 Prozent der deutschen Führungskräfte geben an, dass diese Aussage auf ihr Unternehmen zutrifft. In Österreich liegt der Vergleichswert bei 41 Prozent“, konkretisiert Michaela Kreitmayer.
Individuelle Behandlung von Mitarbeitenden
Zusammenfassend, in Hinblick auf die vorangegangenen Kapitel, stellt sich die Frage, inwieweit eine individuelle Behandlung von Mitarbeitenden überhaupt umsetzbar ist?
14 % aller befragten Führungskräfte sind der Meinung, dass dies sehr gut umsetzbar ist. Weitere 32 % geben auf einer 6-stelligen Skala den Wert 2 und meinen damit, dass dies eher gut umsetzbar ist. Insgesamt sieht also knapp die Hälfte, 46 %, die Möglichkeit einer individuellen Behandlung. In dieser Frage gibt es kaum Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland.
„Je höher die Hierarchiestufe, desto eher wird die Möglichkeit einer individuellen Behandlung gesehen. Während unter den Inhaberinnen und Inhabern von Unternehmen 62 Prozent diese Vorgehensweise für sehr oder eher gut umsetzbar halten, sind unter Angehörigen des unteren Managements lediglich 38 Prozent dieser Ansicht“, analysiert Michaela Kreitmayer.
Auch nach Branchen zeigt sich ein differenziertes Bild:
- Besonders stark ist die Vermutung, dass eine individuelle Behandlung möglich ist, in den Finanzdienstleistungen (59 %) und im sonstigen Dienstleistungsbereich (57 %) verbreitet.
- Überdurchschnittlich skeptisch sind Führungskräfte aus dem Tourismusbereich (34 %) und im öffentlichen Sektor (26 %). Letzterer ist stark durch ein öffentlich-rechtliches Dienstrecht geprägt, was möglicherweise die Spielräume einengt oder zumindest so gesehen wird.