80 Jahre Frieden: Zukunftssorgen sowie Fragilität der Demokratie

Wie steht es um den Frieden in Europa und welche Sorgen quälen die Österreicher am meisten?
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80 Jahre Frieden: Zukunftssorgen sowie Fragilität der Demokratie
Bertram Barth, Geschäftsführer von INTEGRAL.

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Am 8. Mai jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 80. Mal – ein Meilenstein für den Frieden in Europa. Doch aktuelle Entwicklungen trüben die Zuversicht: Laut einer aktuellen INTEGRAL-Studie befürchten in Österreich 55% den Ausbruch eines Dritten Weltkriegs. Gleichzeitig zeigt sich ein geringes historisches Bewusstsein – der Blick auf die eigene Geschichte wird brüchig.

Wie stark prägt die Erinnerung an vergangene Konflikte noch unser Denken? Und welche Rolle spielen Werte wie Frieden und Verantwortung in einer Welt voller Unsicherheiten? Diesen und weiteren Fragen ist INTEGRAL in einer aktuellen Onlinebefragung nachgegangen.

„Die Ergebnisse spiegeln eine hohe Unsicherheit der österreichischen Bevölkerung wider. Gleichzeitig ist die Bereitschaft, für demokratische Werte aktiv einzustehen, niedrig – eine Entwicklung, die aufmerksam beobachtet werden muss“, sagt Bertram Barth, Geschäftsführer von INTEGRAL.

History Repeating?

Viele Menschen ziehen Parallelen zwischen der Gegenwart und den 1930er- und 1940er Jahren: 6 von 10 Befragten (62%) fühlen sich durch aktuelle politische und soziale Entwicklungen an die Ereignisse erinnert, die zur Herrschaft der Nazis geführt haben. 43% halten heute sogar eine Wiederholung einer autoritären Herrschaft wie das Nazi-Regime für denkbar.

„Die Mehrheit der Bevölkerung sorgt sich um den Verlust der politischen Mitte. Deutlich mehr als die Hälfte (59%) sehen in rechten politischen Kräften eine reale Gefahr. Gleichzeitig blicken 44% besorgt auf die Stärke linker politischer Kräfte, im Wählerpotenzial der FPÖ sogar 73%“, führt Bertram Barth aus.

Aus Sicht der Bevölkerung gibt es klar erkennbare Gründe, warum heute mehr Menschen als früher Parteien mit radikalen oder extremen Positionen wählen: An erster Stelle stehen Themen wie Migration und Flüchtlingspolitik (74%), gefolgt von Unzufriedenheit mit der Regierung (64%) sowie Islamistischen Attentaten in Österreich (60%).

Besonders kritisch wird auch die Rolle der sozialen Medien bewertet: 79% glauben, dass Plattformen wie Facebook & Co populistische oder extremistische Aussagen verstärken.

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Die Angst vor einem neuen Weltkrieg ist in Österreich real: 55% der Bevölkerung fürchten eine Eskalation. Gleichzeitig sind nur 16% bereit, Österreich im Ernstfall aktiv zu verteidigen – Männer deutlich häufiger (27%) als Frauen (9%). Den Frieden in Europa sehen die Befragten am stärksten durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine bedroht, gefolgt von der aktuellen USA-Politik und der Zuwanderung nach Europa.

Thema 2. Weltkrieg

Auch 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges bewegt das Thema die österreichische Bevölkerung auf vielfältige Weise:

Beim Gedanken daran dominieren bei den Befragten vor allem starke Emotionen: 55% fühlen sich erschüttert, 39% bedrückt, 26% ängstlich und jeweils 22% wütend oder interessiert. Deutlich seltener zeigen sich Abwehrhaltungen wie Genervtheit (11%), Distanz (9%) oder das Gefühl von Bevormundung (4%).

Die Verantwortung für die Zerstörung Österreichs im Zweiten Weltkrieg wird klar verortet: 67% der Befragten sehen sie bei den Nationalsozialisten – besonders häufig unter SPÖ- und Grün-nahen Personen. 21% machen hingegen die Alliierten dafür verantwortlich.

Polarisierende „Erinnerungskultur“

Die Auseinandersetzung mit Österreichs Rolle im Zweiten Weltkrieg polarisiert und erzeugt in Teilen der Bevölkerung eine „Erinnerungsmüdigkeit“:

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„Zwar gibt es eine relative Mehrheit von 35%, die meint, dass zu wenig darüber gesprochen wird und 30% halten das Maß für angemessen. Aber ein Viertel ist der Meinung, es werde hierzulande zu viel darüber gesprochen – die letztere Gruppe wird stark durch FPÖ-nahe Befragte geprägt“, weiß Bertram Barth.

Vergleichbare Spannungen zeigen sich auch beim persönlichen Zugang: 60% der Befragten ist das Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs wichtig, aber 42% stimmen der Aussage zu, dass wir zu sehr auf die dunklen Kapitel der österreichischen Geschichte schauen.

Der Umgang mit der „Erinnerungskultur“ ist in der Gesellschaft ungleich verteilt und hängt stärker mit Werten und Lebensstilen von Menschen zusammen als mit soziodemografischen Faktoren wie Geschlecht, Alter oder Bildung. Das legt die Analyse im Gesellschaftsmodell der Sinus-Milieus offen, das die österreichische Bevölkerung auf Basis ihrer Werte, Lebensstile und der sozialen Lage in zehn „Gruppen Gleichgesinnter“ einteilt.

Bertram Barth erklärt:

„Gesellschaftskritische Milieus wie die Postmateriellen oder das Progressiv-Realistische Milieu messen dem Gedenken an die Rolle Österreichs im Zweiten Weltkrieg große Bedeutung bei. Sie verstehen aktive Erinnerungskultur als persönliche und gesellschaftliche Verantwortung. Auf der anderen Seite steht die alte Mitte des Nostalgisch-Bürgerlichen Milieus: Sie beschäftigt sich mit diesem Thema lieber weniger und sieht die größte Bedrohung in einem möglichen Dritten Weltkrieg. Auch die neue Mitte des Adaptiv-Pragmatischen Milieus teilt diese Sorge in hohem Maß.“

Verantwortung und Aufarbeitung

Die Verantwortung für die Zukunft wird unterschiedlich bewertet:

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Eine Mehrheit (62%) sieht Österreich aufgrund seiner Geschichte im Zweiten Weltkrieg in einer besonderen moralischen Pflicht, Frieden und Zusammenarbeit in der Welt zu fördern.

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Gleichzeitig sind sich 82% der Befragten einig, dass die nachfolgenden Generationen nicht für die Vergehen des Zweiten Weltkriegs verantwortlich gemacht werden sollten.

Der Umgang mit der Geschichte ist in Österreich deutlich offener als in Deutschland – trotz des langewährenden Selbstbildes als Opfer des Zweiten Weltkriegs. Laut einer aktuellen Umfrage des SINUS-Instituts und YouGov sind in Deutschland nur 23% der Meinung, dass zu wenig über die Rolle ihres Landes im Zweiten Weltkrieg gesprochen wird, in Österreich sind es immerhin 35%.

Gleichzeitig glauben 34% der deutschen Befragten, dass zu viel darüber gesprochen wird, in Österreich sind es 24%.

Die Sorge vor einem Dritten Weltkrieg ist in Deutschland etwas stärker ausgeprägt als in Österreich: 59% fürchten einen solchen Krieg, hierzulande teilen 55% diese Angst.

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