Jahrelang herrschte ein Mangel an Wohnraum – vor allem in Wien. Daher wurde in den vergangenen Jahren die Wohnbauaktivität enorm gesteigert, Österreich ist hier mittlerweile Spitzenreiter in der EU. Als Folge kommen nun sehr viele Wohnungen auf den Markt.
Doch in den nächsten Jahren werden diese vielleicht gar nicht mehr so sehr gebraucht. Denn, am Beispiel von Wien erklärt: Der starke Zuzug in die Stadt, wie er 2015 und die Folgejahre herrschte, nimmt derzeit ab. „Die Migrationsbilanz ist negativ, das heißt in der Praxis: Bald gibt es in Wien mehr Wohnungen als Wohnungssuchende am Markt“, analysiert Mathias Mühlhofer, Vorstand der Immobilienrendite AG, im „WohnTräume“-Gespräch. „Viele Wohnungen, die nach 2020 auf den Markt kommen, werden also leer stehen. Denn, so paradox das klingt: Wir haben bald ein Überangebot an Wohnraum, zumindest kurzfristig.“ Wohnungen haben sich seit 2008 im Preis verdreifacht – das ist der höchste Anstieg innerhalb der EU. Mühlhofer: „Diese Preis-Rallye ist erst mal gestoppt, zumindest kurzfristig. Denn auch laut der Österreichischen Nationalbank sind Wohn-Immobilien überbewertet.“
Airbnb: vom Preistreiber zum Preisdämpfer
Der Online-Wohnungs-&-Zimmervermittler galt jahrelang als Preistreiber am Immobilienmarkt. Denn viele Wohnungseigentümer zogen es vor allem in urbanen Gebieten vor, ihre Immobilie an Touristen zu vermieten, anstatt diese auf den regulären und in Wien gesetzlich streng limitierten Wohnungsmarkt zu bringen. Denn via Airbnb waren wesentlich höhere Mietpreise zu erzielen als bei einer regulären Vermietung.
Infolge der Pandemie und der Rezession wendet sich aber nun das Blatt: Airbnb-Wohnungen stehen in Österreich wie weltweit derzeit Großteiles leer, denn die Touristen fehlen. Als Folge bieten viele Eigentümer ihre Immobilie nun zum Verkauf an, weil sie Liquidität benötigen. So waren in Wien im April nahezu doppelt so viele Kleinwohnungen auf dem Markt als im Jänner 2020. Airbnb wird so zum Paradoxon am Immobiliensektor: vom langjährigen Preistreiber zum Preisdämpfer, der den Trend „Überangebot an Wohnraum“ weiter befeuert.
Steigende Wohnkosten beunruhigen Österreicher
Allerdings sehen die Landsleute die Entwicklung der Wohnkosten sehr problematisch. Schon jetzt sind für 49 Prozent die Kosten in den letzten fünf Jahren „etwas gestiegen“ und für 18 Prozent sogar „sehr gestiegen“. Während in den 1980er Jahren die Österreicher zu 77 Prozent das Wohnen als „leistbar“ bzw. „sehr gut leistbar“ erachteten, so sind es heute nur noch 25 Prozent, die das so sehen. Dass Wohnen 2030 noch leistbar sein wird, glaubt heute nur noch knapp 18 Prozent. „Es ist eine düstere Prognose, dass vier Fünftel der Österreicher heute der Meinung sind, sich in zehn Jahren keine Wohnung mehr leisten zu können“, meint Thomas Schaufler, Privatkundenvorstand der Erste Bank. „Hier müssen die Alarmglocken schrillen!“
Das bestätigt eine Studie der ING in Österreich, wonach sich bereits 22 Prozent der Landsleute – also mehr als ein Fünftel – mit dem Bezahlen von Kreditrate oder Miete schwertun. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den Bundesländern. Während im Burgenland und Vorarlberg jeder Zehnte den Druck der Wohnkosten merklich spürt, ist es in Salzburg sogar schon jeder Dritte (32 Prozent).
Im Burgenland gehen die meisten Menschen von einem Anziehen der Immobilienpreise aus: 87 Prozent meinen, dass im östlichsten Bundesland die Preise für Grund und Eigenheim steigen werden. 67 Prozent sind es in Kärnten. „Zwar haben Niedrigzinsen enorme Vorteile bei den Finanzierungskosten gebracht, den Preisanstieg können sie aber unmöglich wettmachen“, sagt Sabine Gruber, Bereichsleiterin Immobilienfinanzierungen bei der ING. „Dass die Wohnkosten in der Relation zum Einkommen immer höher werden, setzt viele unter Druck und macht es besonders für Jüngere schwierig, so zu leben, wie sie es eigentlich wollen.“ Besonders die Pandemie hätte die Sehnsucht nach dem eigenen Fleckchen Grün verstärkt, was an der steigenden Nachfrage nach Immobilienkrediten festzumachen wäre, erzählt Gruber.
Sind seit 2015 laut Wifo die Reallöhne der Österreicher nur um 4,9 Prozent gestiegen, so sind die Mietpreise laut Verbraucherpreisindex der EZB um 15 Prozent in die Höhe geschossen. Die Immobilienpreise haben sich sogar im gleichen Zeitraum um beachtliche 27 Prozent verteuert. „Häuserpreise sind mit großem Abstand am stärksten gestiegen und übersteigen das Wachstum der durchschnittlichen Einkommen um fast das Dreifache“, meint Schaufler. „Diese Entwicklung ist alarmierend, denn Wohnen muss auch in Zukunft leistbar bleiben. Selbst Corona wird hier den Druck nicht aus dem Markt nehmen, denn Grund und Boden wird zunehmend zur Mangelware.“ Dabei hat die Pandemie hat spürbare Auswirkungen auf die Wohnwünsche der Österreicher: Wollten im Februar noch 59 Prozent ihre Wohnsituation verändern, sind es im Sommer nur noch 54 Prozent gewesen. Schaufler: „Die Menschen stellen aufgrund der vielen Unsicherheiten am Arbeitsmarkt ihre Wohnwünsche zurück. Auch die finanzielle Situation ist für viele in der Krise schwieriger geworden.“
My Home bleibt my Castle!
Zwölf Prozent der Österreicher wollen derzeit renovieren, elf Prozent den Außenbereich optimieren (+3 Prozent im Vergleich zu Beginn des Jahres) und elf Prozent Eigentum erwerben (+5 Prozent). Besonders bei der Gruppe der 18- bis 34-Jährigen hat die Pandemie den Wunsch nach Eigentum innerhalb eines halben Jahres um beachtliche sieben Prozent anwachsen lassen.
51,2 Prozent der Österreicher leben derzeit in einem Haus, 44 Prozent in einer Wohnung, drei Prozent in einer Wohngemeinschaft und der Rest in sonstigen Unterkünften wie z.B. im Studentenheim (1,2 Prozent). 59,6 Prozent haben bereits mindestens dreimal durch Umziehen ihr Zuhause gewechselt. Was verbinden Menschen mit dem Begriff „Mein Zuhause“? Egal ob Eigentum oder Miete, das Zuhause steht mehrheitlich für Geborgenheit (63,8 Prozent). „Nach wie vor ist es für viele Menschen ein wichtiger Teil ihrer Lebensplanung, ein Eigenheim zu besitzen“, kommentiert der Wiener Notar Markus Kaspar.
Konstante Eigentumsquote
Im Österreich-Schnitt besitzen 59,4 Prozent der Befragten zumindest eine private Immobilie, acht Prozent davon nennen sogar zwei oder mehrere Immobilien ihr Eigen (also Haus, Wohnung und/oder Grundstück). In Wien stehen im Bundesvergleich die wenigsten Immobilien (34,8 Prozent) im Eigentum. Im Burgenland sind 76,1 Prozent Eigentümer zumindest einer Immobilie. In Niederösterreich 73,7 Prozent, gefolgt von der Steiermark (66,8) Salzburg (65), Oberösterreich (62), Kärnten (61,4), Tirol (60,8) und Vorarlberg mit 58,2 Prozent.
Gaben 2015 fast 70 Prozent der Über-60-Jährigen an, eine Immobilie zu haben, während es bei den 25- bis 29-Jährigen nur knapp 38 Prozent waren, so zeigt sich aktuell folgendes Bild: Die meisten Immobilieneigentümer sind zwischen 40 und 49 (64,4 Prozent). In der Altersgruppe 60 bis 65 Jahre sind es 62,2 Prozent, bei den 50- bis 59-Jährige 61,9 Prozent. In der Altersgruppe 25 bis 29 Jahre nennen 43,4 Prozent eine Immobilie ihr Eigen, bei den 30- bis 39-Jährigen sind es 58,2 Prozent. „Diese Entwicklung führen wir u.a. auf die Änderungen bei der Grunderwerbssteuer im Rahmen der Steuerreform 2016 zurück, die zu vorgezogenen Immobilienübergaben in den Familien geführt haben“, erklärt Notar Kaspar.
Daten und Fakten zum Wohnen
Hauptmotive für den Erwerb einer Immobilie
- Die Schaffung eines Eigenheims liegt mit 65,6 Prozent auf Platz eins der Motive, warum eine Immobilie erworben wird.
- Die Österreicher schätzen Immobilien aktuell zunehmend als Altersvorsorge (37 Prozent). 2013 sahen das „nur“ 32,3 Prozent so.
- 35,7 Prozent meinen, das Motiv „sichere Geldanlage/Betongold“ wäre ausschlaggebend, warum sie eine Immobilie kaufen würden. 2013 lag dieser Wert allerdings mit 42,2 Prozent Zustimmung weit höher.
- 24,3 Prozent erwerben Immobilien als Vorsorge für Kinder und Enkel – mehr als 2013 mit 21 Prozent.
Eigentum bringt Vorteile!
- keine Mietkosten (21,1 Prozent)
- Geldanlage (19,1 Prozent)
- Unabhängigkeit (13,5 Prozent)
- „Man hat etwas Eigenes“ (12,8 Prozent)
Rechtliches Know-how
- Die rechtlichen Schritte, die bei Kauf, Verkauf und Übergabe von Immobilien erforderlich sind, sind weitgehend bekannt.
- Zum Beispiel kennen 69,3 Prozent der Österreicher die Lastenfeststellung über den Grundbuchauszug, 65,7 Prozent die grundbücherliche Durchführung und 65,5 Prozent den Energieausweis.
Quelle: Immobilienstudie 2020 der österreichischen Notariatskammer