Sollen mehr Firmen Pleite gehen?

„Zombie-Unternehmen“ schaden der Wirtschaft, es brauche mehr „kreative Zerstörung“, wird sowohl hierzulande als auch in Deutschland gefordert.
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Corona-Pleitewelle: Wie viele Ausfälle sind tatsächlich zu erwarten?

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Deutliche Kritik an der aktuellen Förderungspolitik in Corona-Zeiten übt die Wiener Unternehmensberatung Advicum Consulting. Aufgrund des Covid-19-Schocks werde rund um die Welt versucht, die am Boden liegende Wirtschaft mit milliardenschweren Förder- und Überbrückungsprogrammen zu stabilisieren.

„Förderungen, Stundungen und Garantien führen dazu, dass Unternehmen, die es aus eigener Kraft nicht mehr schaffen, irgendwie am Leben gehalten werden“, warnt Advicum Equity-Partner Daniel Knuchel. „Viele davon existieren aber bloß als ‚Zombie-Unternehmen’ weiter und schädigen durch falsche Ressourcenallokation die gesunden Teile der Wirtschaft.“

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Advicum Equity-Partner Daniel Knuchel.

Gesunde Unternehmen zahlen die Rechnung

„Eine uralte Weisheit der Dakota-Indianer sagt: Wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab“, vergleicht Knuchel. „Doch wie interpretieren wir das? Wir machen zusätzliche Mittel locker, um die Leistung toter Pferde zu erhöhen.“

Das künstliche Am-Leben-Halten von Unternehmen, denen es schon vor der Krise schlecht ging, die Verführung zu weiterer nachhaltiger Verschuldung, führe nur dazu, dass die gesunden Unternehmen die Rechnung zahlen. Besser sei es, spätestens jetzt auf die Selbstreinigungskraft der Wirtschaft zu vertrauen. Verzögerung und Stabilisierung seien an sich nichts Schlechtes, doch alles habe ein Ende. „Auf die Phase, die Ende dieses/Anfang nächsten Jahres auf uns zurollen wird, müssen wir uns mit Konsequenz, Fingerspitzengefühl und Mut zur Veränderung vorbereiten, statt weiterhin mit dem Füllhorn wahllos Fördergelder auszustreuen”, fordert der Advicum-Experte.

Spreu vom Weizen trennen

Mit der Beantwortung von drei wesentlichen Fragen könne man zügig Entscheidungen über den Zustand eines Unternehmens treffen, die eine gesunde und nachhaltige Wirtschaft braucht:

  1. Ist die Förderwürdigkeit des Unternehmens uneingeschränkt gegeben? (Vergangenheitsperspektive)
  2. Führt Covid-19 tatsächlich zu einer starken Betroffenheit des Unternehmens? (Gegenwartsperspektive)
  3. Bestehen erhebliche Zweifel an der Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells? (Zukunftsaussichten)

„Die ehrliche Beantwortung dieser Fragen macht eine sinnvolle Ressourcenallokation möglich, und sowohl die personellen als auch die finanziellen Mittel würden dorthin gelenkt, wo sie zukünftig den größten Mehrwert stiften können”, erklärt Knuchel. Auf Basis dieser Fragen hat Advicum Consulting einen einfachen „Gesundheits-Check“ entwickelt, der die grundsätzliche Überlebenschance und Zukunftsaussichten eines Unternehmens abklärt. Auf dieser Grundlage können dann individuelle Maßnahmenpakete definiert, Finanzierungsmöglichkeiten abgeklärt und eine positive Weiterentwicklung gesichert werden. Bei nicht mehr gegebener Zahlungs- oder zukünftiger Lebensfähigkeit kann rechtzeitig Insolvenz eröffnet werden – noch ehe gutes Geld dem schlechten endlos nachgeworfen wird.

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„Es kann nicht nach dem Gießkannenprinzip weitergehen, das schadet unserer Volkswirtschaft“, sagt Christian Sewing.

Auch Deutsche Bank warnt vor Gießkannenprinzip

Unterstützung bekommen die heimischen Unternehmensberater immerhin von der Deutschen Bank, die ebenso vor „immer neuen Rettungsprogrammen“ sowie vor der „wachsenden Macht des Staates in der Wirtschaft“ warnt. „Es kann nicht nach dem Gießkannenprinzip weitergehen, das schadet unserer Volkswirtschaft“, sagt Konzernchef Christian Sewing. Breit angelegte staatliche Subventionen setzten auf Dauer falsche ökonomische Anreize. Unternehmen müssten sich an die neuen Gegebenheiten anpassen, auch wenn dies mit Schmerzen verbunden sei. „Wir müssen ein gewisses Maß an kreativer Zerstörung zulassen.“

Sewing befeuert damit eine Debatte, die (auch) in Deutschland seit Wochen zunehmend hitzig geführt wird. Zum einen fordern (nicht nur) die deutschen Wirtschaftsverbände fast unisono staatliche Hilfen. Insbesondere in Branchen wie Touristik, Einzelhandel, Luftfahrt oder Gastronomie sind viele Unternehmen auf Überbrückungshilfen angewiesen, um ihr Überleben zu sichern. Andererseits warnen auch beim Nachbarn Top-Ökonomen oder der Kreditversicherer Euler Hermes vor einer „Zombie-Wirtschaft“, weil etwa die Regeln für einen Insolvenzschutz verlängert und Firmenpleiten damit aktuell verhindert werden.

Unter der schützenden Oberfläche der Staatsmilliarden gärt es, was vor allem in der Finanzwirtschaft Sorgen schürt. So rechnet die Bundesbank angesichts der sich wieder verschärfenden Corona-Krise mit zunehmenden Kreditausfällen. Mit der länger dauernden Krise werde es zu Solvenz Problemen bei Unternehmen kommen, die sich dann auf das Finanzsystem auswirkten, sagt Bundesbank-Vorständin Sabine Mauderer. „Steigende Insolvenzen im Unternehmenssektor werden zu Kreditausfällen und zu Wertberichtigungen führen.“

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„Nach der Krise wird manches weniger gefragt sein, manches gar nicht mehr, manches viel mehr.“

Weniger Kredite seitens der Banken?

Die Insolvenzen in Deutschland könnten Anfang 2021 auf mehr als 6000 pro Quartal steigen. Infolge der aktuellen Einschränkungen dürfte die Unsicherheit gestiegen sein, dies belaste die Eigenkapitalquoten der Institute. Mauderer: „Um diese zu stabilisieren, könnten die Banken weniger Kredite vergeben. Davon wäre wiederum die Realwirtschaft negativ betroffen.“ Wie bereits EZB-Vizepräsident Luis de Guindos spricht sie sich daher dafür aus, dass Banken ihre bestehenden Kapitalpuffer nutzen sollten. Die Ausreichung von Darlehen an die Wirtschaft könne so stabilisiert werden.

Laut Sewing sind in der aktuellen Situation Banken gefragt, die Geschäftsmodelle der Unternehmen kritisch zu hinterfragen. Es müsse geprüft werden, was nach der Pandemie noch funktioniere und was nicht. „Nach der Krise wird manches weniger gefragt sein, manches gar nicht mehr, manches viel mehr.“ Die aufgelegten Rettungsprogramme seien richtig gewesen, um schnell eine Krise abzufedern. Aber jetzt müsse über langfristige Lösungen gesprochen werden. „Dieses Thema kommt mir noch zu kurz. Das muss öffentlich breiter diskutiert werden.“ Grundsätzlich ist er der Meinung, dass Unternehmen mit einem stabilen Management und einem guten Geschäftsmodell die Corona-Krise meistern könnten. Solche Firmen würden auch nach wie vor Kredite bekommen. Es sei aber falsch, durch anhaltende staatliche Hilfen althergebrachte Strukturen zu konservieren.

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