Die erste Evaluierungsstudie von Höffinger Solutions zu den Folgewirkungen der Einstellung innerösterreichischer Anbindungsflüge zum Flughafen Wien zeigt, dass sich die Hoffnung auf eine positive Klimawirkung nicht erfüllt hat.
Denn statt auf die Bahn umzusteigen, reisen die meisten Passagiere etwa aus Salzburg, wo es das Verbot der Inlandsflüge bereits gibt, nun – wenig klimafreundlich – mit dem Privatauto zum Flughafen München. Vor allem für Geschäftsreisende oder auch Familien mit Kindern ergeben sich klare Nachteile, was sich negativ auf den Wirtschaftsstandort auswirkt.
Deutlich dürfte das dann auch in der Steiermark zu sehen sein. Dort ist die geplante Einstellung der Flugkurzstrecke Graz-Wien an die Fertigstellung des Semmering-Basis-Tunnels gekoppelt, wenn die Bahnfahrt zwischen Graz und Wien weniger als drei Stunden dauert.
Nur dort, wo es ein den Reisebedürfnissen entsprechendes Bahnangebot gibt, wie etwa von Linz nach Wien, funktioniert das Umsteigen. Flug und Bahn ergänzen sich im Idealfall. Die Bahn kann aber die Fluganbindung der Regionen an das Drehkreuz Wien nicht bedarfsgerecht ersetzen.
Negativentwicklung bestätigt
Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler hat für das AUA-Rettungspaket, zu Beginn der Coronakrise 2020, zur Bedingung gemacht, dass alle Inlandsflüge auf Strecken, die mit der Bahn „deutlich“ unter drei Stunden zurückgelegt werden können, eingestellt werden.
Die nun vorliegende Evaluierungsstudie von Höffinger Solutions untersucht, ob die damals erwarteten und in der Luftfahrtstrategie 2040+ des Klimaschutzministeriums formulierten Lenkungseffekte eingetroffen sind und ein „signifikanter“ Anteil der rund 120.000 Passagiere, die 2019 mit dem Flugzeug von Salzburg zum Weiterflug über Wien reisten, auf den Zug nach Wien umgestiegen sind.
Die Antwort fällt klar negativ aus. Der weitaus größte Teil fährt mit dem Auto zum Flughafen München oder fliegt zu anderen Umsteigeflughäfen.
Flughafen Salzburg: Schädigung des regionalen Standorts
„Ein Lenkungseffekt ist eingetreten, aber nicht im Sinne der Erfinderin. Mehr als 90 % der ehemals bis zu 120.000 Passagiere pro Jahr auf der Flugstrecke Salzburg-Wien nutzten die Flugverbindung, um vom Flughafen Wien weiter in die Welt zu fliegen. Rund 10 % dieser Passagiere – vorwiegend Menschen die direkt aus der Stadt Salzburg und dem Nahbereich kamen – waren Point to Point Fluggäste und sind auf die Schiene umgestiegen. Der überwiegende Anteil der restlichen ca. 90 % Passagiere ist entweder auf das Auto in Richtung Flughafen München umgestiegen oder erreicht über andere Drehkreuze im Ausland, Frankfurt, Istanbul, Düsseldorf, Dubai, Amsterdam das gewünschte Ziel“, verdeutlicht Alexander Klaus, Pressesprecher des Flughafen Salzburg.
Das Drehkreuz Wien habe vor allem für die ländlichen Salzburger Bezirke und die vielen Geschäftsreisenden aus dem Grenzbereich Deutschland an Bedeutung verloren.
„Die Flugverbindung von Salzburg nach Wien bestand 60 Jahre. Die Einstellung stellt eine nachhaltige Schädigung des Wirtschafts- und Industriestandortes Salzburg dar. Sie erfolgte nicht aus Klimagründen, siehe Emissionsverlagerung auf die Straße, sondern aus reinem Dogmatismus“, ergänzt Alexander Klaus.
Flughafen Graz: Ähnliches Szenario erwartet
„98 % der Passagiere nach Wien sind Umsteigepassagiere. Entweder werden die Passagiere von Graz aus auf andere Drehkreuze wie Frankfurt, München oder Amsterdam ausweichen oder direkt von Alternativflughäfen wie Laibach abfliegen. In jedem Fall wird ein Großteil der Wertschöpfung ins Ausland verlagert, sollte die Flugstrecke zwischen Wien und Graz eingestellt werden müssen,“ unterstreicht Wolfgang Grimus, Geschäftsführer des Flughafen Graz.
„Erschwerend kommt dazu, dass gerade die für Geschäftsreisende wichtigen Tagesrandverbindungen von Wien aus nicht mehr für Umsteigepassagiere von den Bundesländerflughäfen erreichbar sind oder sich die Heimreise in die Bundesländer an einem Tag nicht mehr ausgeht. Ergo werden vor allem Geschäftsreisende ausländische Drehkreuze nutzen, was oft einen Umweg bedeutet. Weniger wird also nicht geflogen“, stellt Peter Malanik, Geschäftsführer der AviationIndustry Austria fest.
Negative Auswirkungen für den Standort
Für WKÖ-Luftfahrtobmann Günther Ofner steht damit fest: „Die erwarteten positiven Effekte auf die CO2-Emissionen in Österreich sind nicht eingetroffen.“
Der Obmann merkt in diesem Zusammenhang an, dass die Luftfahrt laut IEA und Umweltbundesamt in Österreich einen Anteil von weniger als 0,2 % an den gesamten CO2-Emissionen hat. Europaweit ist der Anteil bei etwas mehr als 0,5 % und weltweit bei 2,7 %.
„Nichtsdestotrotz hat sich die Luftfahrt weltweit zum Ziel gesetzt, bis 2050 CO2-neutral zu sein. Für die Erreichung dieses Ziels leistet die Behinderung der innerösterreichischen Anbindung keinen relevanten Beitrag. Entscheidend ist vielmehr der rasche Einsatz von CO2-neutralen alternativen Flugzeugtreibstoffen. Das bringt unmittelbar messbare CO2-Einsparungen. Zur Beschleunigung des Einsatzes sind entsprechend den EU-Empfehlungen auch Fördermittel notwendig“, konstatiert Günther Ofner.
Zusätzlich hat die Maßnahme negative Auswirkungen auf den Standort, wie Studienautor Stefan Höffinger abschließend zusammenfasst: „Eine Einschränkung inländischer Flugstrecken führt vor allem zu einem Verlust an Konnektivität, welcher sich wiederum negativ auf die Attraktivität des Wirtschaftsstandort Österreich auswirkt. Das heißt, es treten nicht nur die erwarteten Effekte für den Klimaschutz nicht ein, sondern durch das Ausweichen auf ausländische Drehkreuze geht zusätzlich innerösterreichische Wertschöpfung verloren.“
Mehr Infos zur vollständigen Studie finden Sie hier