Die Industrierezession hält an: Im dritten Quartal dieses Jahres schrumpfte der Umsatz der deutschen Industrieunternehmen um 0,5 Prozent – der dritte Umsatzrückgang in einem dritten Quartal in Folge.

Das stärkste Umsatzminus verzeichnen aktuell die Autoindustrie und die Papier- und Pappe-Industrie mit Einbußen von 3,2 bzw. 3,5 Prozent im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahr. Gegen den Trend stieg der Umsatz hingegen im Maschinenbau und in der Elektroindustrie – um 6,4 bzw. 5,0 Prozent. Beide Branchen hatten allerdings im Vorjahr einen besonders massiven Umsatzeinbruch erlitten.
Die Unternehmen reagieren auf die insgesamt schwache Umsatzentwicklung mit einem beschleunigten Stellenabbau:
Die Zahl der Beschäftigten lag zum 30. September dieses Jahres 2,2 Prozent niedriger als zwölf Monate zuvor. Binnen eines Jahres wurden damit in der deutschen Industrie etwa 120.000 Stellen abgebaut. Seit dem Vor-Pandemie-Jahr 2019 schrumpfte die Zahl der Beschäftigten unterm Strich sogar um fast 272.000 – ein Rückgang um 4,8 Prozent.


Den stärksten Beschäftigungsabbau verzeichnet aktuell die Automobilindustrie mit einem Rückgang um 6,3 Prozent. Damit wurden in dieser Branche innerhalb eines Jahres knapp 49.000 Jobs abgebaut. In keiner der untersuchten Industriebranchen stieg die Beschäftigung im Lauf des vergangenen Jahres. Das geringste Minus verzeichnete die Chemie- und Pharmabranche mit einem Rückgang von 0,7 Prozent.
„Die Industrierezession hält an, eine Trendwende ist nicht in Sicht. Die Umsätze der Industrieunternehmen entfernen sich immer weiter von den Höchstständen im Jahr 2022, vor allem die Automobilindustrie leidet und zieht weitere Branchen mit nach unten“, analysiert Jan Brorhilker, Managing Partner des Geschäftsbereichs Assurance von EY in Deutschland.
Die Gründe für die aktuelle Krise seien vielfältig, so Jan Brorhilker:
„Vor allem die anhaltend schwache Inlandsnachfrage bleibt hinter den Erwartungen zurück. Es wird viel zu wenig investiert, was zum Teil auf die bekannten Standortnachteile in Deutschland wie hohe Energie- und Arbeitskosten zurückzuführen ist. Zudem fehlt es an Vertrauen in eine wirtschaftliche Erholung, weshalb viele Unternehmen in einer abwartenden Haltung verharren. Von den Hoffnungen auf einen kurzfristigen konjunkturellen Effekt ist wenig übriggeblieben. Nach wie vor gilt: Es braucht in Deutschland einen spürbaren Wachstumsimpuls, sonst wird sich die Stimmung nicht drehen.“
Der Umsatz der Industrieunternehmen mit inländischen Kunden schrumpfte im dritten Quartal um 0,9 Prozent und damit deutlich stärker als die Exporte, die nur um 0,1 Prozent sanken – trotz des Einbruchs der Exporte in Richtung USA, dem wichtigsten Auslandsmarkt für deutsche Waren.
Exporte in die USA
Nachdem die deutschen Exporte in die USA im zweiten Quartal noch um zehn Prozent gesunken waren, weitete sich das Minus im dritten Quartal weiter aus: auf 16 Prozent.
Die Probleme werden noch verstärkt durch die schwache Umsatzentwicklung in China: Der Wert der Ausfuhren nach China lag im dritten Quartal um acht Prozent niedriger als im Vorjahr. China belegt aktuell nur noch den achten Rang unter den Exportmärkten – im Jahr 2020 war China noch der zweitwichtigste Exportmarkt für die deutsche Wirtschaft.

Positive Impulse gibt es hingegen aus wichtigen europäischen Märkten: Insgesamt stiegen die Ausfuhren in Länder der Eurozone um 2,3 Prozent, die Exporte nach Frankreich legten sogar um sechs Prozent zu, der Wert der Ausfuhren in die Niederlande, dem drittwichtigsten Exportmarkt, stieg sogar um acht Prozent.
Auch Exporte nach Österreich legten um knapp acht Prozent zu.
„Gerade der Absatzmarkt USA entwickelt sich aufgrund der neuen Zollhürden schlecht. Die Einbußen dort können auch nicht durch eine positive Entwicklung in Europa abgefedert werden. Unterm Strich gilt aber immer noch: Der hohe Internationalisierungsgrad der deutschen Industrie und die guten Handelsbeziehungen mit den europäischen Ländern sind eine große Stärke der deutschen Industrie“, unterstreicht Jan Brorhilker.
Arbeitsplatzstruktur
Die Zahl der Arbeitsplätze in der deutschen Industrie sank im Vergleich zum Vorjahr um 2,2 Prozent bzw. 120.300.

Seit 2019 – also vor Ausbruch der Corona-Pandemie und den anschließenden Krisen – sind in der deutschen Industrie insgesamt 271.700 Arbeitsplätze verloren gegangen, was bedeutet, dass fast jeder zwanzigste Industriejob (4,8 Prozent) gestrichen wurde.
Vom Stellenabbau am härtesten betroffen ist die deutsche Automobilindustrie: Im Jahresvergleich schrumpfte die Beschäftigung um 6,3 Prozent und damit stärker als in jeder anderen Industriebranche. In absoluten Zahlen sind 48.800 Jobs in der Autoindustrie weggefallen.

Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 sank die Zahl der Stellen sogar um 112.000 bzw. 13 Prozent. Damit ist in den vergangenen sechs Jahren fast jeder siebte Job in der deutschen Autoindustrie weggefallen.
„Der Stellenabbau in der deutschen Industrie ist noch nicht abgeschlossen. Das gilt vor allem für die Autoindustrie, die sich in einem perfekten Sturm befindet: Massive Gewinneinbrüche, Überkapazitäten, Handelsbarrieren und schwächelnde Auslandsmärkte machen einen konsequenten Sparkurs unumgänglich – gerade in Deutschland, wo Verwaltungs- und F&E-Funktionen angesiedelt sind. Viele Unternehmen haben Altersteilzeit- und Abfindungsprogramme gestartet. Deren Effekte zeigen sich in der Beschäftigungsstatistik erst mit Verzögerung. Und auch die steigende Zahl von Insolvenzen bei Autozulieferern wird weitere negative Auswirkungen auf die Zahl der Stellen haben. Das ist ein Tal der Tränen, durch das die gesamte Branche gehen muss und an dessen Ende hoffentlich eine wettbewerbsfähigere und agilere Autoindustrie steht“, verdeutlicht der Experte.
Vorerst werden sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt und auch die Perspektiven für Schul- und Hochschulabsolventen aber nicht aufhellen, ergänzt Jan Brorhilker abschließend:
„In den vergangenen Jahren haben Autoindustrie und Maschinenbau Jahr für Jahr Tausenden jungen Menschen hervorragende berufliche Perspektiven eröffnet. Das ist jetzt weitgehend vorbei. Auch wenn die Verteidigungsbranche boomt, ist der Personalbedarf dort nicht so groß, dass er den Stellenabbau in anderen Industriezweigen ausgleichen könnte. Daher bleibt die Arbeitsmarktsituation für junge Ingenieure weiterhin sehr herausfordernd.“
Das sind Ergebnisse des aktuellen EY-Industriebarometers. Die Studie analysiert die Umsatz- und Beschäftigungsentwicklung in der deutschen Industrie und wichtigen Industriebranchen.
Hier können Sie die Studie gratis anfordern.
