Der weltweite CO2-Ausstoß steigt kontinuierlich an, gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung und mit ihr die Lebensmittelproduktion. Insbesondere der Bedarf an hochwertigen Proteinen wird sich bis zum Jahr 2050 fast verdoppeln. Alternative, nachhaltige Quellen für die Proteinproduktion sind daher gefragt. Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) und das Start-up Econutri verwandeln mithilfe eines besonderen Mikroorganismus namens Cupriavidus necator das schädliche Treibhausgas CO2 in hochwertiges Protein.
Landwirtschaft drittgrößter CO2-Hauptverursacher
Die globale Agrarindustrie steht vor zahlreiche Herausforderungen: Einerseits müssen genügend Futter- und Lebensmittel produziert und andererseits muss diese Produktion so ressourcen- und klimaschonend wie möglich gestaltet werden. Denn: Neben Energie- und Transportsektor sowie Industrie liegt die Landwirtschaft als CO2-Hauptverursacher auf dem dritten Platz.
Steigender Bedarf
Auch die Versorgungssicherheit von z.B. Protein ist vielerorts – insbesondere in Entwicklungsländern sowie Konfliktgebieten – nicht flächendeckend gewährleistet. Eine weitere Herausforderung: Protein wird nicht nur für die menschliche Ernährung, sondern in großen Mengen auch in der Tierzucht verwendet – und fehlt wiederum der Nahrungsmittelindustrie. Derzeit hauptsächlich genutzte Quellen für die Tierernährung sind Fischmehl oder proteinreiche Pflanzenprodukte wie Soja. Der steigende Bedarf an Agrarflächen für die Produktion pflanzlicher Proteine bedingt die Vernichtung von Urwaldflächen. Ein wichtiger CO2-Speicher geht dadurch verloren und der Klimawandel wird weiter vorangetrieben. Dem nicht genug, ist die Gewinnung von Fischmehl hinsichtlich der bereits überfischten Ozeane äußerst strittig.
Schädliche Treibhausgase in hochwertiges Protein verwandeln
In mehreren, aktuellen Schwerpunktprojekten setzt sich acib zum Ziel, Lösungen gegen Klimawandel und Versorgungsunsicherheit von Nahrungs- und Futtermitteln zu entwickeln. Eine neuartige Carbon-Utilization-Technologie sorgt nun für Aufsehen: „Dabei handelt es sich um einen neuartigen Prozess, bei dem das schädliche Treibhausgas CO2 in hochwertiges Protein verwandelt wird“, erklärt Helmut Schwab, ehemaliger Leiter am Institut für Molekulare Biotechnologie an der Technischen Universität Graz und Gründervater des acib.
Auf Basis seiner jahrelangen Forschung auf diesem Gebiet wurde der Prozess gemeinsam mit acib- und TU Graz Forscherin Petra Heidinger und ihrem Team entwickelt. Petra Heidinger erklärt: „Dass Pflanzen CO2 als Rohstoff nutzen können, ist allgemein bekannt. Allerdings benötigen sie dafür Sonnenlicht und sehr viel Platz. Weniger bekannt ist, dass es Mikroorganismen gibt, welche ebenfalls CO2 als Rohstoff nutzen können. Ein typischer Vertreter ist ein Bakterium namens Cupriavidus necator. Es ist in der Lage, CO2 als alleinige Kohlenstoffquelle zu verwenden und somit auf Zucker oder andere organische Substanzen aus landwirtschaftlicher Produktion als Kohlenstoffquelle völlig verzichten zu können.“ Für die Umsetzung des Prozesses benötigt das Bakterium lediglich Wasserstoff. „Am Ende des Prozesses kann C. necator in seiner Biomasse bis zu 80% an hochwertigem Protein einlagern – und das umweltfreundlich und platzsparend“, ergänzt Helmut Schwab.
Großindustrielle Produktion geplant
Die Forscher planen, schon bald konkrete Anwendungen industriell umzusetzen. Dazu wurde 2021 die steirische Firma Econutri – mit einem Eigenkapital von 1 Mio. Euro – gegründet. Das Start-up geht aus dem acib und der Technischen Universität Graz hervor. Das Ziel von Econutri ist, schon in den nächsten Jahren Bioreaktoren mit Industriegroßanlagen zu koppeln, um CO2 beispielsweise aus Abgasen von Industrieanlagen zu verwenden.
Innovationspreis Steiermark 2022 an acib und Econutri
Das acib und die Econutri GmbH wurden für ihren Prozess nun vom Land Steiermark mit einer ganz besonderen Würdigung bedacht: Die Carbon-Utilization-Technologie wurde mit dem Innovationspreis Steiermark 2022 in der Kategorie Nachhaltigkeit: F&E-Institutionen ausgezeichnet. Für Mathias Drexler, Geschäftsführer des acib, eine ganz besondere Würdigung: „Als eines der am schnellsten wachsenden Zukunftsfelder zeigt die industrielle Biotechnologie einmal mehr ihre Relevanz, durch anwendungsorientiertes Forschungs-Know-how Antworten auf drängende Fragen unserer Zeit zu liefern, darunter Krisen wie Klimawandel oder weltweite Versorgungsunsicherheit“.
Über acib
Das 2010 gegründete Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) entwickelt neue, umweltfreundlichere und ökonomischere Prozesse für die Biotech-, Chemie- und Pharmaindustrie und verwendet dafür die Methoden der Natur als Vorbild. Das acib, eine Non-Profit-Organisation, ist ein internationales Forschungszentrum für industrielle Biotechnologie mit weltweiten Standorten und Hauptsitz in Graz. acib versteht sich als Partnerschaft von 150+ Universitäten und Unternehmen. Eigentümer des acib sind die Universitäten Innsbruck und Graz, die TU Graz, die Universität für Bodenkultur Wien sowie Joanneum Research. Gefördert wird das K2-Zentrum im Rahmen des COMET-Programms durch das BMVIT, BMDW sowie die Länder Steiermark, Wien, Niederösterreich und Tirol. Das COMET-Programm wird durch die FFG abgewickelt.