Die Autowelt erlebt gerade einen Umbruch. Und das in einer ziemlichen Heftigkeit. Die vergangenen Jahre waren für die Autoindustrie „sieben fette Jahre“, wie es Prof. Stefan Bratzel von der Uni Bergisch-Gladbach in einer Studie formuliert. Doch ob es so weitergeht, ist angesichts der Mischung aus Regulierungsdruck, angeknackstem Vertrauen nach der Abgas-Affäre und vor allem dem Eindringen branchenfremder Konzerne wie Google, Apple oder sogar dem Staubsaugerhersteller Dyson ins traditionelle Autogeschäft über die Hebel der Elektrifizierung und der Digitalisierung ungewiss. Die großen Hersteller BMW, Daimler, Audi und eine Reihe von Autozulieferern mussten für das vergangene Jahr die ursprünglichen Gewinnerwartungen jedenfalls zurückschrauben.
Für die österreichischen Zulieferer mit ihren traditionell engen Verbindungen zur klassischen Autoindustrie bedeutet das ein Umdenken. Generell sind sie gut aufgestellt. Die Scheinwerfer sind an, die Fahrt durch alles, was man Krise oder auch Herausforderung nennen könnte, geht zügig voran. „Made in Austria“ gilt bei Fahrzeugen weltweit als Qualitätsbegriff.
Diesel-Unsicherheit
Allerdings: Die Dieselkrise geht auch an den großen heimischen Zulieferern nicht spurlos vorüber. Ist doch unser Land bekannt dafür, gerade bei Dieselmotoren viel zur Entwicklung beigetragen zu haben. Die Alpenrepublik war lange Jahre eines der Länder mit den europaweit höchsten Diesel-Anteilen bei Pkw-Neuzulassungen.
Fest steht: Österreich ist definitiv ein Autoland, auch wenn bei den Produktionszahlen die Slowakei längst an uns vorbeigezogen ist. Knapp drei Millionen Autos wurden laut Industriellenvereinigung seit Anfang der 1980er-Jahre in Österreich produziert – der Traum von Bruno Kreisky mit seinem mit öffentlichen Geldern angetriebenen „Austro-Porsche“ wurde jedenfalls längst von der Realität und privaten Unternehmern überholt. Heute laufen jedes Jahr in Österreich darüber hinaus auch mehr als zwei Millionen Motoren vom Band, die Exportquote beträgt fast 100 Prozent.
Das größte Motorenwerk des Münchner BMW-Konzerns weltweit steht in Steyr, dort werden vor allem Dieselmotoren hergestellt. Jeder zweite BMW auf der Welt fuhr einmal mit einem Motor aus Oberösterreich. Ganz neu auf der Exportliste steht neuerdings Mexiko, der siebentgrößte Automarkt weltweit. Das Bekenntnis zum Verbrennungsmotor ist in Steyr jedenfalls ungebrochen. Aber man spürt die Krise. Deswegen ist auch geplant, am Standort heuer die Produktion für ein Gehäuse für E-Motoren aufzubauen, produziert werden soll ab 2020.
Magna baut auf Elektro
Und die Autohochburg Graz? Magna Steyr, das ehemalige Chrysler-Eurostar-Werk, ist der einzige Standort im Magna-Konzern weltweit, in dem ganze Fahrzeuge produziert werden. Dort ist der Modellmix bereits in Richtung Elektro gewechselt, so laufen derzeit etwa Hybridvarianten des BMW 5 oder der rein elektrische Jaguar I-Pace vom Band. 2018 hat Magna in Graz deswegen laut eigenen Angaben 3.000 Jobs schaffen können.
Auch die AVL List in Graz, eine weltweit renommierte Forschungs- und Engineeringfirma, ist bereits voll in den Megatrend Elektrifizierung der Autoflotten involviert – vom Thema Micro Hybrid (Start-Stop) über alle Stufen der Hybridisierung (zwei Antriebe, Elektro und Verbrennung in Kombination) bis zu vollelektrischen Antrieben. Die Stärke der Grazer besteht darin, die vorhandenen Technologien so zusammenzuführen, dass ein ausbalanciertes Gesamtsystem entsteht – je nach Kundenansprüchen und regulatorischen Vorgaben. Die jüngsten Vorgaben der EU in Sachen Emissionsreduktionen (minus 35 Prozent bis 2030 bei CO2) werden das Know-how aus Österreichs Zulieferindustrie wohl noch gefragter machen.
Die Liste der erfolgreichen heimischen Unternehmen kann sich jedenfalls sehen lassen:
- Jedes zweite Allradauto weltweit fährt mit einem Antriebssystem von Magna Powertrain.
- Der deutsche Zulieferriese Robert Bosch GmbH hat die Standorte in Wien, Linz und Hallein zu internationalen Entwicklungs-Kompetenzzentren ausgebaut und beschäftigt in Österreich rund 3.000 Mitarbeiter.
- Im burgenländischen Oberpullendorf betreibt der deutsche Kabelspezialist Kromberg & Schubert mit dem Hauptsitz bei Stuttgart ein Werk für Kunststoffteile, Prüfstände und Werkzeuge, das über den deutschen Familienkonzern weltweit vernetzt ist.
- Miba in Laakirchen ist Technologieführer bei Sinterformteilen und Gleitlagern.
- Pollmann International aus Karlstein an der Thaya operiert auf drei Kontinenten, jedes zweite Kinematik-System in Autoschiebedächern stammt vom niederösterreichischen Unternehmen.
- ZKW in Wieselburg liefert Premium-Lichtsysteme und Elektronik an alle Autohersteller weltweit.
- BRP-Rotax in Gunskirchen ist ein World Player bei der Herstellung von Antrieben für motorisierte Freizeitfahrzeuge wie Skidoos.
- Rosenbauer mit Sitz in Leonding ist einer der größten Hersteller von Feuerwehr-Spezialfahrzeugen weltweit.
- Die Polytec-Gruppe steuert von Hörsching aus einen strammen Expansionskurs. Seit dem Börsegang 2006 ist der Hersteller von Kunststoffteilen für die Autoindustrie auf 28 Standorte in Österreich sowie in elf anderen Ländern angewachsen.
Einer der Erfolgsfaktoren der heimischen Autozulieferer: Sie sind trotz rasanten Wachstums Familienbetriebe geblieben, in denen die Gründer oder deren Nachkommen nach wie vor voll im Einsatz sind. Das gilt etwa für Polytec, Pollmann, Miba, AVL und Rosenbauer. Das spiegelt durchaus die Verhältnisse in der Autoindustrie wider, auch bei großen Herstellern wie Volkswagen (Familien Porsche und Piëch), BMW, PSA und Toyota haben Familien als bestimmende Eigentümer noch immer das Sagen.
Mittlerweile ist Österreich als traditionsreiches Land der Erfinder, Techniker und Ingenieure bereits dermaßen in sich ruhend, dass auch wildere Evolutionen bis hin zu Revolutionen die Bedeutung als Zulieferland eher stärken als schwächen werden. Made in A wird auch in einer Welt, in der die Veränderung das neue Normal ist, ein Erfolgsfaktor bleiben.
Abfahren in die Zukunft
Bereits in den 1980er-Jahren bot Hyundai den Kleinwagen Pony mit Gasantrieb an. Mit dem Ioniq folgte später der weltweit erste neu entwickelte Personenwagen, der komplett für alternative Antriebssysteme ausgelegt wurde. Die Rolle der Koreaner als Innovationstreiber ist kein Zufall: Aktuell belegt Hyundai bei alternativen Antrieben weltweit wie auch europaweit den zweiten Platz. „Klares Ziel ist, bis 2021 weltweit die Nummer eins zu werden“, sagt Österreich-Geschäftsführer Roland Punzengruber. Doch wie fährt das Auto der Zukunft? „Für die kommenden Jahre sehen wir die Koexistenz unterschiedlichster Antriebsformen: Verbrennungsmotoren, 48-Volt-Mild-Hybrid, Hybrid, Plug-in-Hybrid, batterieelektrische Antriebe und in steigendem Maß auch die Wasserstoff-Brennstoffzelle“, sagt Punzengruber, „es geht hier nicht ums Durchsetzen, sondern darum, welche Antriebsform für welchen Einsatzzweck am besten geeignet ist.“