Der sich zuspitzende Arbeitskräftemangel durch eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung wird Österreich und seine Exportwirtschaft im nächsten Jahrzehnt vor große Probleme stellen.
Demografie und Arbeitsmarktpolitik
Selbst unter optimistischen Annahmen, was die demografische Entwicklung betrifft, dürfte der Arbeitskräftemangel in den 2030er Jahren auch bei moderatem Wirtschaftswachstum ein limitierender Faktor werden. Zwar sollte die Exportwirtschaft angesichts ihrer Beschäftigungsstruktur davon grundsätzlich etwas weniger stark betroffen sein. Weil sie aber im Wettbewerb mit anderen Branchen um die immer rareren Arbeitskräfte steht, wird auch sie verstärkt um Fachkräfte und Talente buhlen müssen.
Allein zwischen 2022 und 2027 werden rund 540.000 Menschen der geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge in Pension gehen. Diese fehlenden Arbeitskräfte werden nicht vollständig durch jüngere Menschen ersetzt werden können, weil nachfolgende Jahrgänge wesentlich geburtenschwächer sind.
Um den daraus resultierenden Arbeitskräftemangel zu bekämpfen und den damit zu befürchtenden Wohlstandsverlusten zu begegnen, empfiehlt die Untersuchung eine gezielte Arbeitsmarktpolitik zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, Migrant:innen und Älteren, die Steigerung von Produktivität und Innovation sowie die verstärkte Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland.
Für die Studie haben die beiden Autor:innen Robert Stehrer und Stella Zilian verschiedene Szenarien der Bevölkerungsentwicklung mit der voraussichtlichen Nachfrage nach Arbeitskräften verglichen.
Im Fokus steht dabei die heimische Exportwirtschaft, die rund ein Drittel der österreichischen Wirtschaftsleistung und Arbeitsplätze generiert.
Fazit: Auch unter optimistischen Annahmen in Bezug auf die Bevölkerungsentwicklung, die Zuwanderung und die Erwerbsbeteiligung wird es ab den frühen 2030er Jahren in Österreich einen akuten Mangel an Arbeitskräften geben.
Industrie
Nicht zuletzt die exportorientierte Industrie – immer noch das Rückgrat der heimischen Wirtschaft – steht im Wettbewerb um Talente mit anderen Branchen und könnte in Zukunft unter größeren Engpässen bei Facharbeiter:innen in der Produktion und bei Beschäftigen mit mittlerer und höherer Bildung leiden.
„Angesichts des bereits heute ausgeprägten Fachkräftemangels in der Industrie sollten bei den Verantwortlichen sämtliche Alarmglocken schrillen. Es steht nämlich zu befürchten, dass vor allem Vorzeigebetriebe abwandern könnten, wenn es dafür keine Lösung gibt“, warnt Robert Stehrer, wissenschaftlicher Direktor des wiiw und Co-Autor der Studie.
Steigerung der Arbeitsproduktivität unumgänglich?
Eine einfache Rechnung verdeutlicht das volkswirtschaftliche Ausmaß des Problems:
Selbst im äußerst positiven Szenario eines um 0,4% steigenden Angebots an Arbeitskräften pro Jahr durch verstärkte Zuwanderung und verstärkte Erwerbsbeteiligung bis Anfang der 2030er Jahre müsste die Arbeitsproduktivität in Österreich pro Jahr um satte 1% steigen, um ein BIP-Wachstum von moderaten 1,5% zu ermöglichen (Durchschnittswert der Jahre 2011 bis 2019).
„Das würde bedeuten, dass die Produktivität pro Jahr etwa dreimal so stark ansteigen müsste, wie sie das in den Jahren 2011 bis 2019 getan hat. Aber auch durch den Einsatz von Automatisierung und digitaler Technologien sowie kapitalintensiven Investitionen in effizientere Produktionsmethoden wäre eine derartige Steigerung der Arbeitsproduktivität keineswegs gesichert“, erläutert Stella Zilian, Ökonomin am wiiw und Co-Autorin der Studie.
Fazit
Neben den erwähnten Maßnahmen für eine erhöhte Erwerbsbeteiligung von Frauen, Älteren und Migran:innen empfiehlt die Studie vor allem die Förderung von Innovation und Digitalisierung in den Betrieben, um so die Arbeitsproduktivität zu steigern.
Zudem sollten verstärkt Fachkräfte aus dem Ausland angeworben und mittels attraktiver Rahmenbedingungen an das Land gebunden werden.
„Österreich wird sich hier ins Zeug legen müssen, um gegenüber anderen Staaten nicht den Anschluss zu verpassen, schließlich steht es auch international in einem immer schärferen Wettbewerb um die besten Köpfe“, betont Stella Zilian abschließend.
Mehr Informationen zur vollständigen Studie finden Sie hier.