Änderungen in der Insolvenzordnung – Gläubiger aufgepasst!

Der Nationalrat hat am 7.7.2021 das s.g. Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (RIRUG) beschlossen, das mit 17.7.2021 in Kraft tritt. Diese bringt gravierende Neuerungen und einen gewissen Systemwechsel in die heimische Sanierungslandschaft. Alle Gläubiger sollten daher im eigenen Interesse besonders aufmerksam sein.
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„Die ESG-Faktoren sind für die Kreditwürdigkeit wichtig“
Gerhard M. Weinhofer

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I. Änderungen in der Insolvenzordnung

Die Insolvenzrechtsnovelle setzt eine EU-Richtlinie um, die es nun ermöglicht, dass sich (ehemals) Selbstständige künftig innerhalb von drei Jahren – statt der bisher geltenden fünf Jahren – entschulden können. Die Möglichkeit zur schnelleren Entschuldung wird aber – entgegen der Vorgabe der EU-Richtlinie – generell auch für private Schuldner gegeben sein. Diese Verkürzung ist allerdings bis 2026 befristet und soll danach evaluiert werden.

Die verkürzte Entschuldung mittels s.g. Tilgungsplan ist an bestimmte Bedingungen gebunden, da lediglich „redliche“ Schuldner in den Genuss kommen sollen. Sobald z.B. das Exekutionsgericht die offenkundige Zahlungsunfähigkeit (siehe dazu die vergangene Mitgliederinformation zur Gesamtreform des Exekutionsrechts) veröffentlicht hat, müssen Schuldner nun rasch handeln:

  • Unternehmer müssen innerhalb von 30 Tagen ab Veröffentlichung der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit in der Ediktsdatei einen Antrag auf Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens stellen.
  • Private Schuldner müssen innerhalb von 30 Tagen ab Veröffentlichung der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit in der Ediktsdatei Maßnahmen zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit oder zur Vorbereitung eines Schuldenregulierungsverfahrens ergreifen.

Bisher werden rund 70% aller Schuldenregulierungsverfahren (umgangssprachlich als „Privatkonkurs“ bezeichnet) mit einem Zahlungsplan geregelt. Hier hat die Mehrheit der Gläubiger der vom Schuldner angebotenen Quote und der Zahlungsweise bzw. -frist zuzustimmen. 30% der Verfahren werden als Abschöpfungsverfahren mit einem gerichtlich bestellten Treuhänder abgewickelt. Hier muss der Schuldner – bisher fünf Jahre lang –den pfändbaren Einkommensteil für die Schuldentilgung leisten. Es ist nun zu befürchten, dass viele Schuldner den einfacheren Weg über den neuen, kürzeren Tilgungsplan gehen werden. Im schlimmsten Fall sehen die Gläubiger dann keinen Cent ihrer Forderungen mehr.

II. Einführung eines Restrukturierungsverfahrens

Mit der Restrukturierungsordnung (ReO) wurde nun ein neues, nicht-öffentliches Verfahren zur Sanierung bestandsfähiger Unternehmen geschaffen. Hintergrund ist die Schaffung eines europaweit harmonisierten präventiven Restrukturierungs-rahmen mit einem vorinsolvenzlichen Verfahren für bestandsfähige Unternehmen, denen eine „wahrscheinliche Insolvenz droht“, und damit die Vermeidung „unnötiger“ Liquidationen. Die Nichtöffentlichkeit soll verhindern, dass Lieferanten ihre Leistungen einstellen und damit eine Restrukturierung verunmöglichen. S.g. Akkordstörer können überstimmt werden, eine wesentliche Vereinfachung in Bezug auf den „stillen Ausgleich“ bei dem man die Zustimmung aller Gläubiger benötigt.

Eine Bestandsgefährdung („wahrscheinliche Insolvenz“) liegt iSd § 273 Abs 2 UGB, insbesondere bei drohender Zahlungsunfähigkeit, vor. Zudem wird diese bei Erfüllung der URG-Kennzahlen vermutet (weniger als 8% Eigenmittelquote, Schuldentilgungsdauer mehr als 15 Jahre). Hingegen schadet eine insolvenzrechtliche Überschuldung des Unternehmens nicht.

Wesentliche Inhalte der ReO sind folgende:

  • Einleitung auf Antrag des Schuldners. Es erfolgt keine Ladung und Zustellung an Gläubiger. Gläubiger haben kein Rechtsmittel gegen den Eröffnungsbeschluss.
  • Zuständigkeit des Handelsgerichts
  • Vorlage eines Restrukturierungsplanes, Vermögensverzeichnisses,      
    Finanzplans und von Jahresabschlüssen
  • Gericht bestellt einen Restrukturierungsbeauftragten zur Unterstützung des Schuldners und der Gläubiger bei der Aushandlung und Ausarbeitung des Restrukturierungs-Plans. Die genaue Rolle des Beauftragten ist noch unklar, wird sich in der Praxis aber an den Aufgaben eines Insolvenzverwalters orientieren.
  • Vollstreckungssperre (max. 3 Monate, kann auf 6 Monate verlängert werden) durch unanfechtbaren gerichtlichen Beschluss. Die Rechtswirkungen treten mit Zustellung an den jeweiligen Gläubiger ein. Forderungszessionen bleiben von der Vollstreckungssperre unberührt.
  • Eigenverwaltung des Schuldners
  • Ruhen der Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung und keine Insolvenzeröffnung aufgrund eines Gläubigerantrages wegen Überschuldung
  • 5 Gläubigerklassen:
    1. Gläubiger mit besicherten Forderungen
    2. Gläubiger mit unbesicherten Forderungen
    3. Anleihegläubiger
    4. „Schutzbedürftige Gläubiger“ mit Forderungen < 10.000 Euro
    5. Gläubiger nachrangiger Forderungen
  • Dienstnehmerforderungen sind ausgenommen!
  • Restrukturierungsplantagsatzung binnen 30 bis 60 Tagen nach Vorlage des Restrukturierungsplanes
  • Annahme des Restrukturierungsplans durch die Mehrheit der anwesenden Gläubiger jeder Klasse und wenn die Summe der Forderungen der zustimmenden Gläubiger in jeder Klasse zumindest 75% der Gesamtsumme der Forderungen der anwesenden betroffenen Gläubiger in dieser Klasse beträgt.
  • Klassenübergreifender Cram-Down (=gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans trotz fehlender Gläubigerzustimmung einer Gläubigerklasse): Es können Forderungskürzungen und Stundungen auch bei Nichtzustimmung einzelner Gläubiger vorgenommen werden. Die Entscheidung des zuständigen Gerichts ersetzt eine Gläubigerzustimmung, wenn die Gläubiger durch den Restrukturierungsplan zumindest das erhalten, was sie bei einer Liquidation oder einem Alternativszenario (z.B. Sanierungsplan) erhalten hätten.
  • Bei grenzüberschreitenden Unternehmen kommt es zu einem „Europäischen Restrukturierungsverfahren“, das öffentlich in der Ediktsdatei bekanntzumachen ist.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass dieses neue, sehr komplexe Verfahren nur dann erfolgreich sein wird, wenn es professionell vorbereitet ist. Es ist zudem mit einem hohen Beratungs- und Kostenaufwand verbunden und wird daher wahrscheinlich nur von Großunternehmen in Anspruch genommen werden, die vorab mit den Hauptgläubigern (Banken, öffentliche Körperschaften) ein Agreement geschlossen haben. Vieles, was vom Gesetzgeber nur vage formuliert wurde, wird sich erst in der praktischen Umsetzung und richterlichen Handhabung zeigen. Das Justizministerium rechnet mit ca. 100 Restrukturierungsverfahren im Jahr.

Gläubigern ist jedenfalls zu empfehlen, noch mehr denn je im Rahmen Ihres Risikomanagements darauf zu achten, mit wem sie Geschäfte machen und sich erforderlichenfalls abzusichern. Bonitätsprüfungen – auch langjähriger Bestandskunden – sind ein Gebot der Stunde. Ebenso sollte der Augenmerk auf ein stringentes Mahn- und Inkassowesen gelegt werden. Denn in diesen volatilen Zeiten gilt: Trau, schau, wem.

Nähere Information dazu unter: https://www.schuldnerberatung.de/eu-insolvenz/

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