Wolfgang Eder: Mister Steel

14 Jahre hat Wolfgang Eder die voestalpine erfolgreich geleitet, im Sommer 2019 tritt er ab.

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Ganz gibt der erfahrene Boxer die Deckung nie auf. Wolfgang Eder hört aufmerksam-gespannt den Fragen der Wirtschaftsjournalisten zu. Viele davon hat er schon einmal oder auch öfter beantwortet. Aber er bleibt gelassen, verbindlich, spricht mit Geduld und Präzision. Die Arme hält er dennoch fest verschränkt am Körper, erst wenn es in technische oder finanzielle Details geht und er in Fahrt gerät, öffnet er sie und wird lebendiger.

Eder hat als Generaldirektor der Linzer voestalpine AG schon eine erkleckliche Anzahl von Bilanzpressekonferenzen und Präsentationen von Halbjahresergebnissen vorzuweisen. Immerhin seit 2004 steht er an der Spitze der voestalpine, ab Ende 1995 war er schon Mitglied des Vorstandes gewesen. Aber Eder kennt noch eine ganz andere Industriekultur aus praktischer Erfahrung, jene der alten „Verstaatlichten“ mit ihren mächtigen Betriebsräten, die nach einem einzigen Termin bei Bundeskanzler Bruno Kreisky in Wien penibel ausgearbeitete Sanierungskonzepte stoppen konnten.

Tränen in den Augen

Eder, Jahrgang 1952, stammt aus Steinbach am oberösterreichischen Attersee. Nach dem Jusstudium jobbte er kurz beim Marktforscher IMAS in Linz und trat 1978 in die damalige VOEST ein. Langsam arbeitete er sich hinauf, wurde Prokurator, dann Bereichsleiter für Fragen wie Konzernkommunikation, Recht, Beteiligungen und internationale Belange. Viele Jahre führte er Protokoll bei Vorstandssitzungen, lernte das Konzerngeschäft von der Pike auf. Zu seinen einschneidendsten Erlebnissen zählt der vom damaligen Verkehrs- und Verstaatlichtenminister Ferdinand Lacina erzwungene Rücktritt des gesamten VOEST-Vorstandes unter Heribert Apfalter, nicht nur jener der unmittelbar verantwortlichen Manager, nach dem Platzen der Intertrading-Affäre rund um riesige Ölspekulationen 1985. „Hartgesottene Männer wie Betriebsratschef Franz Ruhaltinger oder der stellvertretende Aufsichtsratschef Assmann hatten Tränen in den Augen“, erzählte Eder später den Oberösterreichischen Nachrichten.

Die Verstaatlichte Industrie war damals in enormen Schwierigkeiten, schrieb jahrelang rote Zahlen, brauchte wiederholt hohe Zuschüsse aus dem Budget. Auf den Radikalschnitt folgten turbulente Jahre mit mehreren Management-Wechseln. Erst Peter Strahammer gelang es ab 1995, wieder Ruhe hineinzubringen, und er schaffte auch den Gewaltakt der Privatisierung. An seiner Seite war stets Wolfgang Eder. Er sollte Strahammer dann auch nachfolgen, freilich nicht sofort nach dessen überraschendem Tod bei einem Bergunfall im Jahr 2001. Zunächst wurde er nur stellvertretender Generaldirektor, hinter Franz Struzl. Als dieser wegen eines Aktien-Insidergeschäfts drei Jahre später gehen musste, rückte Eder an die Spitze auf. Zwar ist er nicht für alle großen Modernisierungen und Neupositionierungen des Industriekonzerns verantwortlich, jedoch für viele. Denn selbst wenn man die Nachteile des Hineinregierens der Politik deutlich genug über die Jahrzehnte gesehen hatte, so braucht ein börsenotierter Konzern doch stabile Kernaktionäre. Diese bestehen aus den Regionalbanken Raiffeisen-Landesbank OÖ und Oberbank sowie den Mitarbeitern über eine Privatstiftung.

Umsatz mal vier

Wie sehr sich das Industrieunternehmen in den Jahren unter Eders Führung gewandelt hat, zeigen auch die Zahlen: Aus einem Umsatz von 3,3 Milliarden Euro 2001 sind in der letzten Gesamtjahresbilanz 2017/18 stolze 12,9 Milliarden Euro geworden. Der Halbjahresumsatz im Herbst 2018 betrug 6,7 Milliarden Euro. Und auch ordentliche Gewinne werden erzielt. Was noch entscheidender ist: Das gesamte Unternehmen ist heute ein anderes. Einem wenn auch technologisch anspruchsvollen traditionellen Stahlkocher von damals steht heute eine hoch differenzierte global tätige Technologiegruppe gegenüber – mit mehr als 500 Tochterunternehmen in 50 Ländern und 52.000 Mitarbeitern.

Dabei wird längst nicht mehr Tonnage-Stahl verkauft, die Produkte reichen von ganzen Bodengruppen, Türen oder Seitenteilen für deutsche Luxuslimousinen bis zu Komplettlieferungen an internationale Bahnverwaltungen, die nicht nur Hochgeschwindigkeitsschienen oder -weichen enthalten, sondern auch die Installation der Signaltechnik und gleich auch die dazu passenden Wartungsverträge. Dem entsprechen zahlreiche Niederlassungen und Produktionswerke in Europa und Übersee, von Skandinavien bis Frankreich, von den USA bis China.

Volatile Branche

Aber die Stahlbranche ist ein schwieriges Geschäft. Nicht nur wechseln sich Boom und Konjunkturschwäche in den einzelnen Kundensegmenten, ob Automobilindustrie oder Erdölförderer, mit grausamer Regelmäßigkeit ab. So musste die voestalpine im Jahr 2008 ein lange geplantes zusätzliches Stahlwerk in Osteuropa über Nacht endgültig aus ihren Überlegungen streichen. Erst Jahre später kam es dann zum Bau eines modernen Werkes im Süden der USA, aber auch dort gab es Kostenüberschreitungen und nach erfolgreichem Anlauf ganz andere, neue Probleme, etwa Überflutungen.

Eder schaffte es, den Konzern trotz harter internationaler Konkurrenz ­– und die ist nicht immer gerade fair, wie man von den subventionierten Lieferungen aus China weiß – recht geräuschlos zu steuern. Der trend attestierte ihm anlässlich der Wahl zum „Mann des Jahres“, bescheiden und frei von Allüren zu sein. Mit dem Betriebsrat gibt es ein seit Jahrzehnten solides Verhältnis, selbst bei großen Investitionen wie dem neuen digitalen Walzwerk im steirischen Donawitz wurde die – erst beträchtlich verunsicherte – Belegschaft professionell mitgenommen. Eder streut den Stahlwerkern auch gelegentlich Blumen für ihre Leidensfähigkeit: „Unsere Mitarbeiter haben in den letzten Jahren nicht nur großartige Arbeit geleistet und Innovation vorangetrieben, sie haben auch Veränderungen im Konzern mitgetragen sowie Herausforderungen in kritischen Zeiten gemeinsam mit dem Management gemeistert.“

Unsere Mitarbeiter haben in den letzten Jahren nicht nur großartige Arbeit geleistet und Innovation vorangetrieben, sie haben auch Veränderungen im Konzern mitgetragen.

WOLFGANG EDER

Harter Lobbyist

Doch Eder kann auch anders. Bei der Diskussion um CO₂-Umweltkosten zeigte er sich als harter Lobbyist seiner Sache – und der gesamten Branche als Vorsitzender des Europäischen Stahlverbandes Eurofer sowie auf globaler Ebene der Worldsteel. Vor dem Beschluss für eine große Neuinvestition in der Steiermark drohte er nicht nur einmal, das Werk anderswo zu bauen, falls man ihn nicht unterstützte. Die voestalpine müsse sich „die grundsätzliche Frage stellen, was langfristig der richtige Standort ist“, betonte Eder damals gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, „im Moment sehen wir nur Nordamerika als langfristig kalkulierbaren Standort“. Es wurde dann doch Kapfenberg. Das neue, umfassend digital gesteuerte Edelstahlwerk ist übrigens der erste derartige Neubau in Europa seit Jahren.

Was dem passionierten Segler bei allen guten Ergebnissen und trotz des großen persönlichen Einsatzes bei internationalen Investoren nicht gelungen ist: voestalpine ganz von den traditionellen Stahlkochern weg zu positionieren. Noch immer sind diese die „Peer Group“, mit der man seine Aktiencharts vergleichen muss, auch wenn die Produktportfolios teils sehr unterschiedlich aussehen. Bis der Konzern ganz als Technologiegruppe akzeptiert wird, kann es noch dauern. Daran wird auch noch Eders Nachfolger Herbert Eibensteiner gemessen werden, der Mitte 2019 übernimmt.­

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