Walter Senk: Wohnbaudebakel – wo liegt das eigentliche Problem?

Der Einbruch des Wohnungsneubau betrifft nicht nur Involvierte, sondern die ganze Gesellschaft.
© Richard Tanzer
Walter Senk: Wohnbaudebakel – wo liegt das eigentliche Problem?
Die TOP LEADER-Stimme der Immobilienwelt: Walter Senk.

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In den letzten Monaten lautete der dringende Appell an die Politik, so rasch wie nur irgend möglich etwas gegen die sich abzeichnende Wohnungsknappheit zu unternehmen. Bauträger allein können unter den derzeitigen Rahmenbedingungen die großen Herausforderungen für die Wohnungswirtschaft nicht stemmen.

Zuletzt wiesen die WKO und die BUWOG wiederum auf dieses mehr als drängende Problem hin. Die Appelle werden dringender, entsprechende Maßnahmen seitens der Politik kommen aber nicht. Mittlerweile mehren sich sogar die Stimmen, die sagen, dass die prognostizierten Fertigstellungszahlen eher zu hoch als zu tief angesetzt sind.

Hoffnung?

Viel interessanter wäre es, eine Politikerin oder einen Politiker zu finden, die bzw. der erklären könnte, wie wir dieses sich ganz klar abzeichnende Wohnungsdesaster noch vermeiden könnten. In der Immobilienbrache gibt es nämlich nur mehr wenig Hoffnung, dass es zu raschen Änderungen kommt.

© PantherMedia / raingod
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Aktuell befinden wir uns in einem Wahljahr. Wenn – wie es so schön heißt – sechs Monate vor der Nationalratswahl und sechs Monate nach der Wahl nichts getan wird, dann bleibt dieses Problem nicht nur weiter bestehen, sondern es wird auch immer größer. Und dann sind wir schon im Jahr 2026 oder 2027.

Ich frage mich bereits, mit welchen Wahlplakaten die politischen Parteien in Sachen Wohnbau diesmal punkten wollen. Ich kann mir die Sujets schon vorstellen: vom Miethai bis zu den gierigen Immobilienspekulanten, die den Menschen Wohnraum vorenthalten. Entsprechende Slogans auf den Wahlplakaten – das sei einmal angemerkt – erzeugen keinen Wohnraum, bringen nur wenig Wähler, aber schaffen viel böses Blut.

Problemlösungskompetenz gefragt

Man wird sicher wieder mit absurden Vorschlägen kommen wie dem Mietendeckel, der Mietenbremse, der Baubremse oder der Bettgeher-Prämie und der Parkbank-Zulage. Es ist zu befürchten, dass die politisch Verantwortlichen realistische und rasche Lösungen nicht umsetzen werden, sonst hätten sie es schon längst getan. Die Politikerinnen und Politiker sollten sich einmal mit den wirklichen Themen auseinandersetzen und nicht damit, wie viele Zentimeter eine Gaube bei einem Dachbodenausbau vorragen darf.

Abgesehen davon: Läge es nur an den bösen Spekulanten, dann hätten wir ja ausreichend Wohnungen, nur eben zu teure. Weil sie so gierig sind. Ähnlich wie beim Miethai. Also lassen wir uns nichts erzählen. Es gibt in Wien rund 220.000 Gemeindewohnungen und zusätzlich rund 200.000 gemeinnützige Wohnungen. 45 Prozent des Wiener Wohnungsbestands sind dauerhaft sozial gebunden, rund 60 Prozent der Wiener Bevölkerung wohnen in einer Gemeindewohnung oder in einer gefördert errichteten Wohnung.

© PantherMedia / minervastock
Walter Senk: Wohnbaudebakel – wo liegt das eigentliche Problem?

Mit dieser Vielzahl an günstigen Wohnungen hätte man doch längst den Spekulanten das Handwerk legen können.

Tatsächlich ist es nämlich so, dass die politisch (Un)verantwortlichen für einen großen Teil des Desasters verantwortlich sind und weder in der Lage sind noch waren, dieses Problem koordiniert anzugehen. Bezeichnenderweise arbeiten viele Unternehmen in der Immobilienwirtschaft immer enger zusammen – ob das parteienübergreifend in der Politik auch so ist, kann man diskutieren. Man schiebt halt die Fehler gerne auf die anderen. Ich frage mich ja, was uns in zwei, drei Jahren erzählt wird, woran es liegt, dass kein Wohnraum vorhanden ist. Vermutlich an den Spekulanten, die nichts bauen, weil sie so gierig sind.

Wenn dann auch noch Bezirksvorsteher verlauten lassen, dass im Augenblick keine Baugenehmigungen erteilt werden, dann stellt sich schon die Frage, ob man sich da nicht in einer abgehobenen anderen Realität befindet. Wobei: In einem Nobelbezirk kann es durchaus der Fall sein. Außerdem will die eigene Klientel geschützt sein – hoffentlich sieht die das genauso.

Blick in die Zukunft

Mir ist nach 25 Jahren als Journalist in der Immobilienwirtschaft völlig klar, dass in der Immobilienbranche nicht alles so rosig ist, wie man es gerne nach außen vertritt. Aber eines weiß ich: Die Immobilienbranche hat sich im letzten Vierteljahrhundert sehr wohl zum Positiven verändert. Man bemüht sich, viele Probleme abzustellen und neue Wege zu gehen – und dass trotz aller Probleme, die den Unternehmen mit Normen, Gesetzen und Regulatorien in den Weg gelegt werden.

© PantherMedia / DovidPro (YAYMicro)
Walter Senk: Wohnbaudebakel – wo liegt das eigentliche Problem?

Aber abseits dieser Gemengelage muss man den Blick in die Zukunft richten. Da schaut es nicht gut aus – es schaut eher sehr schlecht aus.

Wir steuern de facto auf eine soziale Krise zu. Ein Dach über dem Kopf zählt zu den absoluten Grundbedürfnissen des Menschen, und wenn das nicht mehr in einem ausreichenden Maße sichergestellt ist, werden wir uns bald wundern, wie es auf dem Wohnungsmarkt zugehen wird – und wie sich dieses Problem immer mehr auf die Straßen verlagern wird. Und den sozialen Frieden will niemand in seiner Umgebung gestört sehen, egal, in welchem Bezirk man wohnt.

Der mangelnde Wohnbau trifft bereits auf eine schlechte Konjunktur, und den Menschen bleibt für das Wohnen und das tägliche Leben weniger Geld als noch vor einigen Jahren. Wer das nicht sehen will, der will auch mit der Realität nichts zu tun haben. Aber irgendwann wird uns diese einholen, und dann wird es umso schlimmer. Ganz zu schweigen von den zahllosen Unternehmen, die direkt und indirekt mit dem Baugewerbe zusammenhängen und davon auch finanziell abhängig sind – also in diesem Fall von den Projektentwicklern und Wohnbauträgern. Da kommt auch noch etwas auf uns zu.

Man muss sich jetzt nicht die Details ausmalen, aber wie gesagt: Von einer „Wohnungskrise“ zu sprechen ist sehr kurz gegriffen. Wir werden uns auf ganz etwas anderes einstellen müssen. Es gibt viel zu tun.

Auch hier sei zum Abschluss gesagt: Lösen lassen sich die Probleme nur gemeinsam.

Autor: Walter Senk

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