Ursula Simacek: Zukunft der Arbeit – Arbeitszeitreduktion als Schlüssel zum Erfolg?

Der demographische Umbruch am Arbeitsmarkt stellt Unternehmen vor nie dagewesene Herausforderungen.
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Ursula Simacek: Zukunft der Arbeit – Arbeitszeitreduktion als Schlüssel zum Erfolg?
Die TOP LEADER Stimme der Familienunternehmen: Ursula Simacek

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Die mit 140.000 Menschen bevölkerungsreichsten Jahrgänge Österreichs stehen kurz vor der Pensionierung, während die Geburtenraten im letzten Jahr ein Minus von 6,5% im Vergleich zum Vorjahr aufweisen. Weniger einfach in Zahlen zu gießen, aber doch evident sind die teils völlig neuen Bedürfnisse einer neuen Generation an Arbeitnehmer:innen, denen Purpose und Freizeit oft wichtiger sind als Einkommen und Karriere – Recruiting ist zur Vertriebsaufgabe geworden, Verfügbarkeit von Mitarbeiter:innen zum Asset. Denken Sie etwa an die stark eingeschränkten Öffnungstage in der Gastronomie.

Mitten in diese Gemengelage platzt nun die Forderung nach einer Arbeitszeitreduktion bei unveränderten Bezügen.

Ich möchte hier gar nicht auf das Für und Wider einer 32-Stunden-Woche, für einzelne Arbeitnehmer:innen, einstimmen. Die 32-Stunden-Woche trifft einen Nerv unserer Zeit – unbestritten. Dass die Verkürzung der Arbeitszeit positive Auswirkungen auf Erholung und Gesundheit hätte, wirkt durchaus nachvollziehbar.

Worauf fokussieren?

Mein Fokus geht in eine andere Richtung: Wie schaffen wir es, eine nachhaltige und erfolgreiche Zukunft in Österreich sicherzustellen? Wie schaffen wir es, mit viel weniger arbeitenden Menschen jenen Wohlstand aufrecht zu erhalten, den Generationen vor uns mühsam aufgebaut haben?

Zahlreiche Familienunternehmen, die das vielgelobte „Rückgrat der Wirtschaft“ in Österreich bilden, sind in dienstleistungs- und produktionsintensiven Branchen tätig. Denken wir an Gastronomie und Tourismus oder an personalintensive Dienstleistungen wie Facility Management oder Pflege sowie zahlreiche „Hidden Champions“, die in Produktionsbetrieben oft im Mehrschichtbetrieb für internationale Kunden produzieren. Uns alle vereint, dass wir zum größten Teil auf Mitarbeitende angewiesen sind, die gleichermaßen Einsatzbereitschaft wie physische Präsenz am Arbeitsplatz mitbringen. Weder der Rezeptionist noch der Krankenpfleger sind 8h in der Woche verzichtbar – und können das auch mit größerer Motivation und Einsatzbereitschaft nicht wettmachen.

Für viele ist offensichtlich: das produktive Arbeitsvolumen ist die Basis für das Funktionieren der Gesellschaft, für unseren Wohlstand und für unsere soziale Absicherung – ohne Wertschöpfung kein Sozialstaat, der Steuern einnehmen und durch Umverteilung soziale Härten abfedern kann. Staatsschulden erkaufen nur Zeit, solange sie in Konsum und nicht in Zukunftsinvestitionen fließen.

Können und wollen wir uns eine Arbeitszeitreduktion in der aktuellen Situation leisten?

Schon heute liegt unsere Vollzeit-Arbeitszeit im Vergleich mit anderen EU-Ländern laut Eurostat im untersten Drittel – 2022 waren es 37,65 Stunden im Vergleich zum EU-Schnitt von 38,35 Stunden. Also eine Dreiviertelstunde pro Woche unter dem Durchschnitt – nicht „bloß“ hinter der Spitzengruppe! Gleichzeitig zeigt die OECD-Studie „Pensions at a Glance“, dass Österreicher mit 62,0 anstatt 62,6 Jahren (EU-Schnitt) und Österreicherinnen mit 60,7 anstatt 61,9 Jahren in Pension gehen. Allein hier verlieren wir zum EU-Schnitt zigtausende Arbeitsjahre – jährlich.

Ursula Simacek: Zukunft der Arbeit – Arbeitszeitreduktion als Schlüssel zum Erfolg?
© PantherMedia / Rawpixel

Hinzu kommen die eingangs erwähnte, demographisch bedingte Pensionierungswelle, deutlich weniger ins Arbeitsleben einsteigende Jahrgänge mit anderen Prioritäten – und ein sich breit machender Mangel an Arbeitskräften, sowohl im qualifizierten wie auch im niedrig/nicht qualifizierten Bereich, wo zudem Mindestlohn und soziale Absicherung miteinander konkurrieren.

Debatte über die Zukunft

Auch wenn es unpopulär klingen mag: eine Arbeitszeitreduktion auf breiter Basis wird diese Situation bloß verschärfen, wogegen sie in ausgewählten Teilbereichen – wie ja auch auf freiwilliger Basis von Unternehmen bereits praktiziert – durchaus funktionieren kann.

Wir brauchen eine breite Zukunftsdebatte darüber, wie wir unsere Produktivität, unsere Wirtschaftskraft, unseren Wohlstand und unseren Sozialstaat zukünftig und nachhaltig sichern können. Denn Wohlstandsverlust, überbordende Staatsschulden und letztlich massiver Druck auf Gesundheits- und Sozialbudgets treffen als allererste immer diejenigen, die sich am wenigsten dagegen wehren können.

Wo also anfangen?

Gerade personalintensive Branchen wie wir als Facility Services Anbieter sind hier massiv gefordert und in Verantwortung – und als stv. Bundesinnungsmeisterin darf ich hier nicht nur vom eigenen Unternehmen, sondern von vielen Unternehmen in der Branche sagen: wir gehen bereits die Extrameile.

Dies beginnt bei fairer und pünktlicher Bezahlung, echter Wertschätzung, Teamplay und Zusammenhalt unter Kolleg:innen. Das geht weiter mit gelebter sozialer Nachhaltigkeit, etwa durch Hilfe in Härtefällen – bei uns in bewährter Kooperation mit Sozialarbeiter:innen der Caritas, Sprachkursen am Arbeitsplatz oder Ferienbetreuung für Kinder. In vielen Unternehmen unterschiedlichster Branchen gehört es mittlerweile zum gelebten Standard, mit eigenen Akademien Verantwortung für lebenslanges Lernen der Mitarbeitenden zu übernehmen.

„Weiter so“ ist zu wenig

Gleichzeitig müssen wir diese Extrameile auch von der Politik fordern – ein „Weiter so“ wird für einen zukunftssicheren Wirtschaftsstandort nicht genügen. Eine breitere gesellschaftliche Diskussion könnte viele neue Ideen liefern und mit drei Vorschlägen meinerseits möchte ich ebenso einen Beitrag dazu leisten:

  1. Eine Reduktion unserer (2022 EU-weit dritthöchsten!) Steuer- und Abgabenquote muss Unternehmen entlasten, die angesichts der enormen Lohn- und Preissteigerungen massiv unter Druck stehen – sei es am heimischen Markt oder im internationalen Wettbewerb. Gleichzeitig muss es für die klügsten Köpfe weltweit attraktiv werden, eine Karriere in Österreich zu starten. Mit überbordenden Steuern, Abgaben und Bürokratie verlieren wir im weltweiten Wettbewerb.

  1. Leistung muss sich lohnen. Es braucht spürbare steuerliche Anreize für all jene Bürger:innen, die (aus Engagement oder purer Notwendigkeit) persönlich die Extra-Meile gehen und zusätzlichen Leistung erbringen – ob durch Überstunden, Neben- und Zweitjobs oder durch Arbeiten in der Pension. Griechenland etwa führt gerade die Möglichkeit eines sechsten Arbeitstags ein – für Mitarbeiter:innen, die das möchten, und Arbeitgeber:innen, die dafür Aufschläge zu zahlen bereit sind.

  1. Qualitative und leistbare Kinderbetreuung: ein Riesenthema in zahlreichen (Jung)Familien. Will man (Vollzeit-)Erwerbsarbeit attraktiv und allen Eltern möglich machen, brauchen wir flächendeckende, qualitative und leistbare Betreuungseinrichtungen, die der Arbeits- und Lebensrealität von Müttern und Vätern tatsächlich entsprechen.

Miteinander für einen zukunftssicheren Wirtschaftsstandort Österreich

Gerade wir Familienunternehmen sind stark regional verwurzelt und denken nicht (nur) in Monats- und Quartalsergebnissen, sondern vor allem generationsübergreifend. Ich freue mich daher über alle, die sich mit uns für einen nachhaltig wettbewerbsfähigen, fairen und lebenswerten Wirtschaftsraum Österreich einsetzen. Das treibt mich an – let’s make life better.

Autor: Ursula Simacek

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