Familienunternehmer:innen ist nachhaltiges Denken sozusagen in die Wiege gelegt. Wer sein Unternehmen gerade aufbaut, überwacht zwar seine Finanzen im Wochen- und Monatsrhythmus und mag sich Quartals- und Jahresziele stecken, doch erfolgreiches Unternehmertum erfordert langfristiges und nachhaltiges Denken. Familienunternehmer:innen, die, wie ich, ein über Generationen geführtes Unternehmen weiter ausbauen, ist diese Denkweise ohnehin „in Fleisch und Blut“ übergegangen. Werner von Siemens meinte: „Für einen kurzfristigen Erfolg verkaufe ich die Zukunft nicht“ – eine Feststellung, die für sich selbst spricht.
Dieses langfristige Denken über Generationen hinweg steht in einem Spannungsverhältnis zur momentanen Politik, die in viel kürzeren Perioden denkt. Um nicht missverstanden zu werden: Demokratie ist für mich unverzichtbar und nicht verhandelbar. Demokratie braucht Wahlen, Wahlen brauchen Wahlzyklen – und nur wer das Vertrauen der Bevölkerung genießt, kann wirklich gestalten.
Diese kurzfristige Perspektive, aktueller politischer Entscheidungsträger, führt zu einem Handeln ohne Weitblick und befreit damit auch nicht von der Verantwortung, langfristige und weit über die Legislaturperiode hinauswirkende Weichenstellungen vorzunehmen.
An dieser Stelle sehen viele Familienunternehmen dringenden gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Diskussionsbedarf. Es ist entscheidend, dass langfristige Auswirkungen von Gesetzen bedacht, sowie wichtige Projekte entschlossen auf den Weg gebracht werden.
Sehr gut zeigt dies die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Neben der aktuellen Energiekrise ist die Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter:innen die größte Hürde für die Leistungserbringung und für nachhaltiges Wachstum vieler Unternehmen. Die Vorstellungen von Bewerber:innen sind komplexer als früher, die Bereitschaft für Vollzeitjobs sinkt, Arbeitskräfte sind rar. Arbeitssuchende schauen längst nicht mehr nur auf das Gehalt. Ein Unternehmen, welches seinen Mitarbeitern nicht mehr bieten kann, hat es schwer – oder wie es ein Recruiter unlängst formuliert hat: „Wer nicht verstanden hat, dass Recruiting ein Vertriebsjob ist, der wird keine Mitarbeiter mehr finden.“
Familienunternehmen machen ihre Hausaufgaben, gehen innovativ und aktiv auf Arbeitssuchende zu und erhalten viel Vertrauen und Zuspruch von Bewerber:innen. Gleichzeitig braucht es auch entschlossene Maßnahmen aus der Politik, um ein ausreichendes Arbeitskräfteangebot sicherzustellen.
Schritt 1: Ein flächendeckender Ausbau qualitativer Kinderbetreuung. Wenn das Angebot aber mehr auf Beaufsichtigung abzielt, auf Förderung verzichtet und oder die Betreuung bereits zu Mittag endet, dann sind den Unternehmer:innen die Hände gebunden. Betroffen davon sind, vor allem in Österreich, die Frauen, welche zum Großteil nur wenige Stunden am Tag für einen Job verfügbar sein können. Einzelne Großunternehmen und Konzerne mögen in der Lage sein, in ihren Headquarters Betriebskindergärten anzubieten – die unzähligen Familienunternehmen, die flächendeckend das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft bilden, können das nicht. Es bleibt eine Aufgabe der Politik.
Schritt 2: Echte Investitionen in Bildung. Wir wissen aus unzähligen Studien, dass sich jeder Euro in qualitative und fortschrittliche Bildung mehrfach lohnt. Wir wissen ebenso, was es bedeutet, Jugendliche in Lehre und Beruf zu integrieren, die nur mangelhaft lesen, schreiben oder rechnen können. Über den Mangel an Absolvent:innen von MINT-Fächern müssen wir gar nicht erst sprechen. Als Unternehmer:innen brauchen wir ein solides Bildungs- und Ausbildungsniveau, auf das wir aufbauen können. Das ist ein weiterer Grund für das Engagement von Unternehmen und ihren Verbänden, etwa der Industriellenvereinigung, um nicht nur politische Weichenstellungen, sondern reale Fortschritte sicherzustellen.
Schritt 3: Nicht mehr und nicht weniger als schlichte Verfügbarkeit von Arbeitskräften. Dies zieht sich mittlerweile durch alle Qualifikationsebenen und ist nicht auf Hochqualifizierte beschränkt. Hier braucht es eine ganze Reihe an Maßnahmen – wie zum Beispiel neue Arbeitsanreize im Mindestlohnbereich, sowie die Möglichkeit qualifizierte Zuwanderer schnell und unbürokratisch im Arbeitsmarkt zu integrieren.
Es ist entscheidend, dass wir diese Themen in der Politik mit derselben Entschlossenheit und langfristigen Perspektive umsetzen, wie wir unsere Entscheidungen als Familienunternehmer:innen treffen. Nur Unternehmen, die langfristig und nachhaltig Wirtschaften, können ihre Mitarbeiter:innen pünktlich und fair bezahlen, sie in Notsituationen unterstützen und die ökologischen Unternehmensziele dauerhaft umsetzen. Für unser Land gilt dasselbe – als Familienunternehmen müssen wir daraufsetzen können, in der Politik einen langfristig denkenden und entschlossen handelnden Partner zur gemeinsamen Gestaltung der Zukunft zu haben.
Autorin: Ursula Simacek