Dennoch bleibt der Markt lebendig und weiterhin stabil. Die Player am Immobilieninvestment-Markt haben in den letzten zweieinhalb Jahren wirklich einiges durchgemacht, meint Franz Pöltl, geschäftsführender Gesellschafter von EHL Investment, „beginnend mit der Pandemie, den Reisebeschränkungen, den Verzögerungen bei Genehmigungen und Bauprozessen und den stetig steigenden Bau- und Grundstückskosten“. Ende des letzten Jahres kam auch noch der Anstieg der Inflation hinzu, der ein Niveau erreichte, wie wir es seit der Ölkrise in den 70er-Jahren nicht mehr gesehen haben. Und es geht in der gleichen Tonart weiter. Europas Investmentmärkte werden derzeit etwas durchgebeutelt. Die aktuellen geopolitischen Veränderungen und die damit einhergehenden Herausforderungen wie steigende Energiekosten, Lieferengpässe und hohe Inflation beeinflussen die Märkte. Auch Österreich kann sich dem nicht entziehen. „Allerdings“, so Andreas Ridder, Managing Director CBRE Österreich & CEE, „ist Österreich nach wie vor ein sicherer und – im Vergleich zu anderen Märkten – stabiler ‚Hafen‘ für Investoren.“
Genug Kapital, aber mäßige Initiative
„Die erste Jahreshälfte war von einer sehr guten Nachfrage geprägt“, stellt Markus Arnold, Alleineigentümer & CEO von Arnold Immobilien, fest und erwartet, dass sich diese positive Entwicklung auch im zweiten Halbjahr fortsetzen wird – vorbehaltlich „natürlich etwaiger Veränderungen, die sich zum Beispiel aufgrund der Ukraine-Krise ergeben“. Die aktuellen Unsicherheiten haben auf jeden Fall Auswirkungen auf das Käuferverhalten. Die Liegenschaften werden noch intensiver geprüft, was die Abwicklungsdauer von Immobilientransaktionen teilweise deutlich verlängern kann.
„Der Markt ist lebendig, aber er wird realistisch eingeschätzt“, sagt Christoph Lukaschek, Abteilungsleiter Investment bei OTTO Immobilien: „Das Thema ist derzeit die Preisfindung.“ Obwohl ausreichend Kapital für Immobilien am Markt ist, haben viele Investoren beschlossen, den Druck aus den laufenden Investmentprozessen herauszunehmen und abzuwarten, „wie sich die Situation bei Preisen und Renditen entwickelt und wo sich das ‚neue Gleichgewicht‘ bilden wird“, erklärt Franz Pöltl. Wobei Christoph Lukaschek feststellt, dass die deutschen Transaktionsmanager derzeit vorsichtiger agieren als die Österreicher: „Je flexibler die Investoren derzeit sind, und das sind zumeist die Österreicher, desto leichter können sie sich auf dem Markt platzieren.“
Nachfrage in allen Segmenten
Gefragt sind derzeit alle Immobiliensparten, stellt Markus Arnold fest: „Generell verzeichnen wir im Bereich Gewerbe bei allen Assetklassen eine gute Nachfrage.“ Speziell im Fokus stehen unter anderem Handelsimmobilien in guten Lagen, wie zum Beispiel stabile Fachmarktzentren in ländlichen Regionen. Bei Logistikimmobilien gibt es aufgrund des wachsenden Onlinehandels zudem einen deutlichen Nachfrageüberhang. „Überraschend stark performt derzeit auch Hospitality“, meint Arnold. Aktuell liegen die Spitzenrenditen für Hotels mit Pachtvertrag bei 4,3 Prozent und für Hotels mit Managementvertrag sogar bei fünf Prozent. Erstmals seit Pandemiebeginn ist auch die Stadthotellerie wieder deutlich gefragter, insbesondere in Wien.
Lukas Hochedlinger, Managing Director Central & Northern Europe bei Christie & Co, stellt allerdings fest: „Obwohl sich die Märkte signifikant erholt haben, ist nun eine gewisse Zurückhaltung der Banken verstärkt spürbar.“ Erhöhte Eigenkapital-Quoten und steigende Zinssätze machen es den Investoren zunehmend schwerer, Finanzierungen aufzustellen, weshalb auch vermehrt reine Eigenkapital-Transaktionen beobachtet werden konnten – vor allem von Family-Offices und Privatstiftungen, die „aufgrund der Wertbeständigkeit immer häufiger auf diese Wertanlage setzen“, erklärt Markus Arnold.
Ähnliche Situation bei den Off-Market-Deals
Bei den – immer wichtiger werdenden – Off-Market-Deals stellt sich die Situation ziemlich ähnlich dar, bestätigt Anton Cermak, Geschäftsführer von Beacon Invest: „Aufgrund der aktuellen Unsicherheiten – nicht nur infolge der Baukostenentwicklung und der Inflation, sondern auch wegen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – überwiegt momentan das Abwarten.“ Wenn investiert wird, stehen Logistik und Wohnen ganz oben auf der Liste. Auch buy/built & hold ist stärker gefragt als ‚Abverkaufsprojekte‘. Im Vorteil sind natürlich kapitalstarke Entwickler, da sie schneller agieren können und bei den Banken keine Probleme haben“, so Cermak.
Trotz aller Unsicherheiten wagt Franz Pöltl einen Blick in die Zukunft: „Wir gehen davon aus, dass der Inflationsschutz, der an den VPI gebundenen Mieten von Immobilien den Zinseffekt zumindest wettmacht, sodass sich gute Produkte auch zukünftig zu guten Preisen verkaufen lassen und wir gegen Jahresende wie üblich wieder eine steigende Aktivität im Investmentmarkt verzeichnen werden.“
Autor: Walter Senk