„PALFINGER hatte – und hat – volle Auftragsbücher“

Exklusivinterview mit Andreas Klauser, CEO der PALFINGER AG, über Multikrisen, strategische Partnerschaften, Wachstumsmärkte und den digitalen Wandel.
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„PALFINGER hatte – und hat – volle Auftragsbücher“
Andreas Klauser, Chief Executive Officer der PALFINGER AG.

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Herr Klauser, Sie sind seit 2018 CEO der PALFINGER AG und wurden im Juni 2022 für weitere fünf Jahre bestätigt – welche Ziele möchten Sie in den nächsten Jahren unbedingt erreichen?

Nachdem wir 2022 mit EUR 2,23 Milliarden die Umsatzmarke übertroffen haben, streben wir bis 2027 einen Umsatz von EUR 3,0 Milliarden an. Im Zuge der PALFINGER Vision & Strategie bieten wir unseren Kunden und Partnern 2030 integrierte Gesamtlösungen, die ihr Arbeitsleben noch effizienter, einfacher und wirtschaftlicher gestalten. Diese Ziele wollen wir gemeinsam mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Kunden und Partnern erreichen – und wenn möglich sogar übertreffen. Mit unserem Finanzergebnis von 2022 sind wir bereits auf einem guten Weg dorthin. 

Sie starteten Ihre Karriere 1990 bei Steyr Landmaschinentechnik und kletterten sukzessive die Karriereleiter nach oben. Nach der Fusion der Case Corporation mit New Holland wurden Sie im Jahr 2000 Business Director Central Europe und 2009 Mitglied des Vorstandes des weltgrößten Herstellers von Landmaschinen – CNH Industrial. Gab es spezifische Erfahrungen aus dieser Zeit, die Ihnen, retrospektiv betrachtet, speziell geholfen haben, als Sie die Geschäftsführung bei der PALFINGER AG übernommen haben?

Geprägt haben mich meine Erfahrungen bei der Fiat-Gruppe, wo ich Büros in Italien und den USA leitete. Mein wichtigster Förderer war der ehemalige Fiat-CEO Sergio Marchionne – zu seiner Zeit einer der besten Manager der Welt. Das war eine harte, aber durchaus lehrreiche Schule. Mitnehmen konnte ich von ihm einen unkonventionellen Führungsstil, eine „Hands on“-Mentalität und den notwendigen Entscheidungswillen, den es in der heutigen Zeit der zahlreichen Krisen mehr denn je braucht. Das alles sind Eigenschaften, die ich mir zu dieser Zeit aneignen konnte und bis heute vorlebe. So auch bei PALFINGER. 

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„PALFINGER hatte – und hat – volle Auftragsbücher“

Erst am 24. Februar präsentierte die PALFINGER AG die Bilanz des abgelaufen Jahres 2022. Trotz massiver Kostensteigerungen und den Folgen des russischen Angriffskrieges konnte das global agierende Technologie- und Maschinenbauunternehmen einen Rekordumsatz von 2,23 Milliarden Euro erzielen. Worauf führen Sie diesen Erfolg in so volatilen Zeiten zurück und was unterscheidet die PALFINGER AG gegenüber nationalen wie internationalen Mitbewerbern?

Die wesentlichen Faktoren waren die Wachstumsmärkte in Nord- und Lateinamerika, die Effekte der Preiserhöhungen und Wechselkurseffekte, zum Beispiel durch den starken US-Dollar. Dabei darf man die Auftragslage nicht aus den Augen verlieren: PALFINGER hatte – und hat – volle Auftragsbücher. Wir haben alles darangesetzt, allen Lieferschwierigkeiten zum Trotz das hohe Niveau unserer Liefertreue gegenüber unseren Kunden und Partnern einzuhalten. Wir haben proaktiv durch strategische Partnerschaften und eine Vielzahl gezielter Maßnahmen die optimale Auslastung unserer Werke gesichert. Auf dieser starken und bewährten Basis ist es dann auch möglich, die positiven Effekte der genannten Faktoren nutzen zu können.

Waren oder sind Sie noch immer von Lieferkettenunterbrechungen betroffen? Kann in einer derart globalisierten Welt noch präventiv „absichernd“ gegen solche Probleme vorgearbeitet werden?

Die Lage verbessert sich weltweit und Warenströme fließen wieder. Das heißt nicht, dass alles wieder so wird, wie es war. Wir haben gesehen, wie empfindlich dieses System ist, also müssen wir für alle Eventualitäten vorbereitet sein. PALFINGER verfolgt deswegen schon seit Jahren die Strategie, in der Region für die Region zu produzieren. Das verkürzt unsere Lieferketten und macht sie unabhängiger von externen Ereignissen. Dazu arbeiten wir auch noch mit strategischen Partnern zusammen, mit denen wir in der Lage sind, ein zusätzliches Sicherheitsnetz zu spannen. Trotzdem haben wir die Einschränkungen zu spüren bekommen. 2022 vor allem im Bereich der Halbleiter und in der Lkw-Fertigung – beides hat in unserer Auslieferung zu Verzögerungen geführt, die wir inzwischen wieder eingearbeitet haben.

Die Covid 19-Krise hat fast jede Branche getroffen. Wie hat sich vor allem die Null-Covid-Politik in China auf Ihr „Business“ ausgewirkt? Haben sich seitdem die Geschäftsbeziehungen zu chinesischen Unternehmen, wie zum Beispiel zum Sany-Konzern, verändert?

Die Null-Covid-Politik von China hatte zwar massive Auswirkungen auf die globalen Lieferketten und auch speziell auf unsere Branche, dennoch war PALFINGER aufgrund der regionalen Strategie nicht stark davon betroffen. Dementsprechend hat sich auch bei unserem China-Geschäft nichts großartig verändert. Auswirkungen auf unsere Beziehungen zu SANY HEAVY INDUSTRIES hatte Corona keine. Die Auflösung der Kreuzbeteiligung im Jahr 2021 rührt daher, dass sie ihre Aufgabe, zusätzliche Sicherheit in der Beziehung zu stiften, erfüllt hatte und nicht mehr notwendig war. Dadurch konnten wir die Komplexität unserer Partnerschaft reduzieren und unseren strategischen Handlungsspielraum substanziell erweitern. 

Mit dem von der US-Regierung verabschiedeten „American Jobs Plan“ soll die „marode“ amerikanische Infrastruktur mit über 550 Milliarden Dollar zukunftsfit gemacht werden. Die PALFINGER AG verfügt über mehrere Standorte in den USA und in Kürze soll auch ein regionales Hauptquartier eröffnen. Von welchen Services profitieren US-Kund:innen und wie unterscheiden sich diese Angebote von amerikanischen Mitbewerbern?

Wir kennen den nordamerikanischen Markt sehr gut. Wir wissen, worauf die Kunden Wert legen und welche Angebote für sie attraktiv sind. Wir sind mit eigenen Produktionsstätten direkt vor Ort und verfügen über ein dichtes und erprobtes Servicenetzwerk. Lassen Sie mich das an einem Beispiel festmachen: PALFINGER produziert den Mitnahmestapler. In den USA und Kanada ist er als Truck Mounted Forklift (TMF) bekannt und unterscheidet sich in seiner Dimension und einigen wesentlichen Elementen von seinem europäischen Pendant. Wir bieten also ein auf nordamerikanische Bedürfnisse und Erwartungen zugeschnittenes Produkt an. Und das mit Erfolg: Die Nachfrage nach unseren TMF ist sensationell. Zusätzlich haben wir im März an der größten Messe für Baumaschinen in Nordamerika, der CONEXPO in Las Vegas, teilgenommen. Dadurch wissen wir, dass das Interesse an unseren Lösungen insgesamt, gerade im digitalen Bereich, überwältigend ist. 

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Welche Ideen und Projekte verfolgen Sie für die Regionen NAM und LATM?

Wir sind in die Regionen NAM und LATAM gekommen, um zu bleiben! Unser klares Ziel ist es, der nordamerikanischen Baubranche die innovativsten und effizientesten Lösungen zu liefern, um auch dort der führende Anbieter von innovativen Hebelösungen zu werden. Wir wollen die Modernisierung der Infrastruktur in den Regionen NAM und LATAM mit innovativen Produkten und zukunftsweisenden Lösungen vorantreiben. Mit der Eröffnung des regionalen Headquarters in Schaumburg (Illinois) im Juni diesen Jahres entsteht auch ein neues Demo- und Trainingscenter. Damit schaffen wir zusätzliche Arbeitsplätze in der Region. 

Welche Rolle hierbei spielt die vor kurzem eingegangene strategische Partnerschaft mit Steyr Automotive?

Aufgrund der starken Nachfrage nach TMF am nordamerikanischen Markt, war uns schnell klar, dass wir mit den vorhandenen Produktionskapazitäten bald an unsere Grenze stoßen. Damit wir die Nachfrage wie gewohnt pünktlich und ohne Beeinträchtigung anderer Produktlinien erfüllen können, sind wir mit einer Reihe potenzieller Fertigungspartner in Kontakt getreten. Steyr Automotive überzeugte schließlich in den Kategorien Qualität, Know-how, Kosten, kurze Anlaufzeit und mit der Möglichkeit, die jährliche Stückzahl weiter erhöhen zu können. Entscheidend für die Auswahl war zudem, dass die Mitarbeiter von Steyr Automotive über Jahrzehnte aufgebautes Wissen und Kompetenzen in Technologie, industrieller Montage und Kooperationen verfügen. PALFINGER profitiert von dieser Kooperation zusätzlich im Bereich selbstfahrender Maschinen durch das zusätzliche Know-how von Steyr. Quasi eine Win-Win-Situation. 

Themenwechsel: Als weltweit agierendes Technologieunternehmen stehen in den nächsten Jahren viele Veränderungen an. Nachhaltigkeitsbestrebungen rücken immer mehr in den Fokus. Welche Prioritäten werden Sie setzen?

Der Fokus für unsere PALFINGER Produkte liegt ganz klar auf Emissionsvermeidung, einem reduziertem Energieeinsatz und der höheren Lebensdauer unserer Produkte. Dazu nutzen wir zusätzlich die Potenziale der Digitalisierung entlang der gesamten Produktions- und Wertschöpfungskette, um Mehrwert für Kunden, Partner und Mitarbeiter zu schaffen.  Für die Elektrifizierung unserer gesamten Produktpalette arbeiten wir laufend an der Entwicklung neuer Technologien. Um einige Beispiele zu nennen: Die innovative eDRIVE Technologie, die wir letztes Jahr vorgestellt haben, sorgt für emissionsfreies Arbeiten. Davon profitiert nicht nur die Umwelt, es entsteht auch mehr Flexibilität betreffend Einsatzort und -zeit. Denn durch den leisen und abgasfreien Betrieb des eDRIVE sind auch Arbeiten zu Nachtzeiten oder in Innenräumen durchführbar. Auch das eWorX Modul, dass wir in Zusammenarbeit mit ZF Friedrichshafen AG und Mercedes-Benz Trucks entwickelt haben, zahlt auf unsere Nachhaltigkeitsstrategie ein. Das Modul bildet die Schnittstelle für Kommunikation und Energie zwischen eLkw und Fahrzeugaufbauten. Die Energiequelle des Nutzfahrzeugs wird durch das ZF eWorX Modul in mechanische Energie umgewandelt und so für die PALFINGER Hebelösung nutzbar. 

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Neben den klassischen Veränderungspotentialen wie der forcierten Nutzung von erneuerbaren Energien oder der generell effizienteren Materialnutzung hat die PALFINGER AG auch den Fokus auf künstliche Intelligenz gelegt. Wo sollen diese „intelligenten“ Lösungen Anwendung finden?

Unter anderem haben wir beispielsweise mit PALFINGER Connected die Voraussetzungen für intelligente Lösungen geschaffen. Dazu zählen die Anwendungen Fleet Monitor, Operator Monitor und Service Cockpit, die alle ein umfangreiches Informationsmanagement für unsere Partner und Kunden garantieren. Diese Lösungen unterstützen sie dabei, unnötige Ausfallzeiten zu reduzieren und durch die optimale Vernetzung den kontinuierlichen Informationsfluss zwischen Flottenmanagern, Unternehmen und Servicepartnern sicherzustellen. Ein weiterer Schlüssel für zukünftige Innovationen stellt der PALFINGER Corporate Incubator P21st dar. Mithilfe des P21st arbeiten wir ständig daran, spannende Möglichkeiten für PALFINGER zu entdecken, sie zu evaluieren, auszuprobieren und in zukunftsorientierte, praktikable Lösungen umzusetzen. Das erhöht unsere Wettbewerbsfähigkeit und generiert nachhaltig strategischen Mehrwert sowie Wachstumspotenzial.

Welche Rolle spielt hierbei der „Autonomous Operation Cluster“ (AOC) und welche Ziele verfolgen Sie mit dieser Zusammenarbeit?

Als Wegbereiter autonomer Betriebsfunktionen befasst sich AOC mit Themen, wie dem intelligenten und autonomen Betrieb von Baumaschinen, Kranen, Feuerwehrausstattung und Pistenfahrzeugen. In diesen Feldern ermöglichen Lösungen aus den Bereichen Computer Vision und Künstliche Intelligenz das präzise Erkennen von Objekten und die Verarbeitung von Umgebungsinformationen. Die Zusammenarbeit mit dem AOC fördert nicht nur die gemeinsame Entwicklung standardisierter Technologien, wir profitieren auch von der Mitbenutzung kritischer Computer-Visioning sowie KI-Fähigkeiten im Rahmen einer fortschrittlichen Entwicklungsumgebung. Das erlaubt uns, Synergien für die Entwicklung von Smart Lifting Solutions optimal zu nutzen. 

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Helfen Beteiligungen, wie bei STRUCINSPECT, um den digitalen Wandel zu beschleunigen oder gar neue Geschäftsfelder zu erschließen?

Als weltweit erster Infrastructure Lifecycle Hub für digitale Bauwerksinspektionen zählt STRUCINSPECT zu einem digitalen Vorzeigeprojekt, das mit unserer Beteiligung entstanden ist. Das 2019 ins Leben gerufene Joint Venture mit VCE und der ANGST Group, hat mit THE HUB in Wien einen deutlich erweiterten Standort erhalten, an dem unser Corporate Incubator P21st ebenso aktiv ist. Die Nachfrage nach dieser Technologie bestätigt die Notwendigkeit innovativer Lösungen.

Herr Klauser, herzlichen Dank für das Interview.

Danke Ihnen

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