Markus Mair: Das Große im Kleinen und das Kleine im Großen

Der CEO der Styria Media Group über Anforderungen und Stellenwert des Wirtschaftsjournalismus.
© Marija Kanizaj
Markus Mair: Das Große im Kleinen und das Kleine im Großen
Die TOP LEADER-Stimme der Medien: Markus Mair.

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Eine Zeitung – ob Print oder digital – ist im Idealfall eine vielschichtige Zusammenstellung, ein Kaleidoskop an Themen, an Meinungen, an Möglichkeiten zur Horizonterweiterung. Jedes Ressort hat dabei seine eigenen Anforderungen, Stoßrichtungen und Spezifika.

Eine besondere Stellung nimmt nicht zuletzt der Wirtschaftsjournalismus ein. Dort wird besonders viel fachlich-inhaltliches Wissen verlangt. In der Wirtschaft – egal, auf welcher Seite man sitzt – muss man auch Bilanzen lesen können, volkswirtschaftliche Zusammenhänge verstehen und in Kontext setzen können. Als Journalist:in, auf Augenhöhe mit Manager:innen und Ökonom:innen. Wirtschaft geschieht lokal, national und international.

Ja, in der Wirtschaft – und damit in der Wirtschaftsberichterstattung und -analyse – ist immer die ganze Welt gleichrangig mit den Unternehmen und dem Wirtschaftstreiben vor Ort betroffen.

Das Große im Kleinen und umgekehrt. Die Bandbreite an Themen in einer Wirtschaftsredaktion geht aber weit darüber hinaus. Bei vielen wichtigen politischen Themenstellungen gibt es immer auch eine weitere – wirtschaftliche – Ebene. Auch dort, wo das auf den ersten Blick nicht ersichtlich sein mag, wie etwa in Gesundheits- oder Migrationsfragen. Wirtschaft kommt schlicht überall vor.

Parallel dazu sieht sich der Wirtschaftsjournalismus mit einem besonders herausfordernden Quellenumfeld konfrontiert. Anders als in anderen Ressorts einer Redaktion – etwa in Politik oder Kultur – scheint der Markt der akademischen und wissenschaftlichen Positionen und Rezipient:innen viel stärker auf einen Elitenkonsens in ökonomischen und wirtschaftspolitischen Fragen konzentriert. Sprich: Das Publikum ist zuweilen – salopp formuliert – zugespitzter, aber umso kundiger in der Sache. So hat es der Wirtschaftsjournalismus als Disziplin nicht immer ganz einfach. Mancherorts wird ihm auch nachgesagt, in der Tendenz unkritischer und affirmativer zu sein als die Berichterstattung in anderen Ressorts. Es gilt, genau dies zu widerlegen, in täglicher exzellenter Arbeit und Leistung – 24/7.

Markus Mair Das Große im Kleinen und das Kleine im Großen
© PantherMedia / Boris Zerwann

Und das schon seit Anbeginn der Pressegeschichte:

Immerhin gilt der Wirtschaftsjournalismus als Wurzel der heutigen Printpresse. Die Kaufmannsbriefe, die im 17. Jahrhundert die Händler:innen mit Informationen versorgten, gelten als Vorläufer der Zeitung. In weiterer Folge entstanden gedruckte Periodika mit allerlei Informationen und Nachrichten. Gerade in Krisenzeiten – etwa zur Inflation zu Beginn des 30-jährigen Krieges (1618 – 1648) waren Bedürfnis und Nachfrage nach Information in ökonomischen Belangen besonders groß.

Schon die frühesten gedruckten Wochenblätter enthielten Wirtschaftsinformationen, Belege aus dem Jahr 1609 (Beispiel: das Druckwerk „Aviso“ in Wolfenbüttel/D). Dennoch blieben eigene Wirtschaftsressorts noch lange kein Thema. Über weite Strecken dominierte die Politik als Thema die gedruckten Blätter. Auch deshalb, weil Wirtschaft über weite Strecken vor allem lokal passierte und man demnach vieles persönlich ausmachen konnte.

Wichtiger wurde der Wirtschaftsjournalimus auch als Disziplin erst mit dem Entstehen abstrakter, überregionaler Märkte. Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert schließlich brachte einen Aufschwung der Börsen und damit eine verstärkte Nachfrage nach Wirtschaftsnachrichten und -analysen. Börsenzeitungen wurden gegründet, ebenso wie die Wirtschaftsressorts in den Tageszeitungen. Wegen hoher Nachfrage nach Börseninformationen entstanden eben auch die ersten Nachrichtenagenturen. Im Fernsehen erlebten die Wirtschaftsnachrichten ab den 1960ern einen Boom, dort aber vor allem bei verbrauchernahen Themen. Expert:innen sprechen hier nicht selten von einer „Falle des rein produktorientierten Wirtschaftsjournalismus“. Mit dem erneuten Börsenboom in den 1990ern stieg die Nachfrage nach Wirtschaftsmagazinen weiter an, und einen nächsten Push erfuhr der Wirtschaftsjournalismus mit der Finanzkrise ab 2007, bis hin zur aktuellen Inflation.

Und wie sieht es in heutigen modernen Wirtschaftsressorts von Qualitätsmedien in Österreich aus?

Diese haben den Anspruch, nicht nur über Teilbereiche, sondern umfassend über sämtliche Branchen, große Ereignisse und Gegebenheiten in der Wirtschaft zu berichten. Im Idealfall arbeiten mehrere Personen an mehreren Artikeln zum gleichen Thema. Die heutige zumeist trimediale (Text, Video, Audio) Berichterstattung bietet eine große Bandbreite an Informationsmöglichkeiten für das Publikum – Print und in jeglicher digitalen Form.

Auch die Nutzung von Künstlicher Intelligenz wird in den kommenden Jahren eine noch größere Rolle spielen, etwa bei den Möglichkeiten noch effizienterer Recherche (etwa bei der Bearbeitung von Prognosen von z. B. Wifo und IHS). Social Media gilt auch im Wirtschaftsjournalismus als wichtiger Distributionskanal – vor allem X und LinkedIn. Genau dort sind viele Ökonomen und Manager aktiv, weshalb diese Plattformen auch zur Recherche dienen können. Gleichzeitig muss klar sein: komplexe Diskurse und Diskussionen sind auf Social Media aus verschiedenen Grünen meist nicht möglich.

Es gilt auch hier, auf Ausgewogenheit zu achten – sowohl bei den Themen als auch bei der Aufbereitung auf verschiedenen (digitalen) Plattformen.

Autor: Markus Mair

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