Die amerikanischen Bundesrichter sind heute die stillen Helden und das letzte Bollwerk gegen die diktatorische Machtergreifung Trumps, denn die Demokraten und überhaupt der US-Kongress versagen kläglich. Mit der Justiz stand Trump schon immer auf Kriegsfuß.
Zurzeit laufen bei Bundesrichtern mehr als hundert Klagen gegen die Flut von Präsidialdekreten. Sie betreffen hauptsächlich die Massenentlassungen von Bundesbeamten und willkürliche Abschiebungen von Ausländern. Mehrere Bundesrichterinnen und Bundesrichter haben Urteile gefällt, die zahlreiche Dekrete Trumps blockieren oder vorübergehend auf Eis legen. Das ist Heldenmut in einer Zeit, in der trotz verfassungsmäßiger Gewaltenteilung kaum mehr ein Funktionsträger Trump zu widersprechen wagt.
„You are fired“ als Regierungsprogramm
Der Präsident forderte daher den obersten Gerichtshof auf, Kompetenzen von Bundesrichtern einzuschränken. Sie sollen keine einstweiligen Verfügungen mehr erlassen können, die für die gesamten USA gelten. Die Begründung: „Unser Ziel ist es, Amerika wieder groß zu machen, und ein solch hohes Ziel kann niemals erreicht werden, wenn radikale und höchst parteiische Richter der Gerechtigkeit im Weg stehen dürfen.“ Die Entscheidungen und Urteile der „linksradikalen“ Richter seien gefährlich und falsch, so Trump.
Trump und seine Mannschaft haben praktisch den Staat gekapert. Was richtig oder falsch ist will Trump selbst entscheiden. Er hat den Urteilsspruch „You are fired“ (Sie sind gefeuert!) als die Pointe seiner erfolgreichen TV-Show zum Regierungsprogramm gemacht. Motto: Was gut ist für Donald Trump ist gut für die USA.
So urteilte die New York Times, Trump sei schon lange „ungebunden von der Wahrheit“ gewesen, doch was in seiner ersten Amtszeit noch „alternative Fakten“ gewesen waren, habe sich nun zu einer „alternativen Realität“ gewandelt. So könne er den Grundstein für radikale Veränderungen legen, um nicht nur die USA, sondern die ganze Welt drastisch umzugestalten: „Wir haben wiederholt gesehen, wie Präsident Trump seine eigene Realität propagandistisch herbeidichtet und andere Ansichten niedermacht.“ Der britische „Guardian“ schrieb, Trump würde davon ausgehen, dass sich durch Lügen und Übertreibungen neue Realitäten schaffen ließen. Doch: „In Trumps politischer Fantasie kann er alles erreichen – aber die Realität wird sich durchsetzen.“

Börsen brachten Trump in die Realität zurück
Die vergangenen Wochen zeigten, dass Trump tatsächlich knallhart von der Realität eingeholt wurde. Versprach er im Wahlkampf noch, den Ukraine-Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden zu können, klang Trump nach einem Gespräch mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin ganz anders. Der Kremlchef lehnte eine umfassende Waffenruhe ab und stellte erneut Gebietsansprüche an die Ukraine. Zwei Monate nach seinem Amtsantritt lässt der große Durchbruch immer noch auf sich warten.
Wenn Trump also die ganze Wahrheit für sich in Anspruch nimmt, dann sind die Bösen im Mutterland des Kapitalismus die allerhöchste Wahrheit. Die Börsenkurse haben ihn aus seinen Zollfantasien in die Wirklichkeit zurückgeholt.
USA gegen den Rest der Welt: Die Heldenlegende des „Viel Feind, viel Ehr“, die Trump auf sich bezieht, war schon immer nur ein hohler Mythos. Nicht einmal Zoll kann er, bilanziert ein Kommentator.
Dass Trump umfassende Machtbefugnisse für sich in Anspruch nimmt, zeigte sich zuletzt auch in jener Woche, wo er sich mit der Deportation von Hunderten mutmaßlich kriminellen Venezolanerinnen und Venezolanern nach El Salvador über einen Richterspruch hinwegsetzte und darüber hinaus die Amtsenthebung des zuständigen Bundesrichters forderte. Verfassungsexperten meinen, dass Trump damit offen „diktatorische Macht“ anpeilt. Er nannte den Richter „korrupt“ und einen „linksradikalen Irren“. Rechtsexperten sprechen von einer „dramatischen Eskalation“ der amerikanischen Verfassungskrise.
Der Fall wirft die Frage auf, inwieweit die Trump-Regierung bereit ist, sich bei der Umsetzung ihrer Politik über richterliche Anordnungen hinwegzusetzen. Trump nimmt umfassende Machtbefugnisse für sich in Anspruch und will nicht hinnehmen, dass Bundesrichter Teile seiner höchst umstrittenen politischen Agenda blockieren.
Trump versucht, Richter aus dem Amt zu entlassen
Der Vorsitzende Richter des Supreme Court (Obersten Gerichts), John Roberts, sagte dazu in einer deutlichen Stellungnahme wie selten zuvor in der Geschichte dieser höchsten juridischen Instanz der USA: „Seit mehr als zwei Jahrhunderten ist es etabliert, dass eine Amtsenthebung keine angemessene Reaktion auf Meinungsverschiedenheiten bezüglich einer gerichtlichen Entscheidung ist.“
Trump ist seit seinem Amtsantritt im Jänner mehrmals mit dem Vorwurf des Gesetzesbruchs konfrontiert gewesen – zuletzt etwa bei den umstrittenen Massenentlassungen. Da der von seinen Republikanern kontrollierte Kongress Trumps Vorgehen meist unterstützt, sind Bundesrichter oft die einzige Bremse und legen vieles auf Eis, um zunächst die Rechtmäßigkeit zu prüfen.
Als jüngsten Schachzug in seinem Rachefeldzug gegen (angebliche) Gegner will Trump die großen Anwaltskanzleien des Landes disziplinieren. Allein dazu erließ er fünf Präsidentendekrete mit Strafandrohungen. Die Kanzleien auf Trumps schwarzer Liste haben entweder Klagen gegen ihn selbst behandelt oder Hillary Clinton, Barack Obama und Funktionäre der Demokratischen Partei betreut.
Erstveröffentlichung Kronen Zeitung
Autor: Kurt Seinitz