Stellen Sie sich vor, Sie stehen als Arbeitgeber in der Kaffee-Küche Ihres Unternehmens und beobachten, wie Ihre Abteilungsleiterin verzweifelt und schwitzend nach ihrem Kaffee sucht – dabei steht der Becher direkt vor ihr. Sie sind verwundert, denn diese Mitarbeiterin ist immer perfekt organisiert. Ist es ein Fall von Betriebsblindheit? Handelt es sich um einen fieberhaften Infekt?
Es handelt sich um die Wechseljahre und deren Chamäleon-artige Symptome.
Tabuthema Menopause am Arbeitsplatz
Die Wechseljahre sind immer noch ein Tabuthema am Arbeitsplatz, über das höchstens hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird. Eine offene und verständnisvolle Gesprächskultur zum Thema Wechseljahre in Ihrem Unternehmen könnte vieles für die betroffenen Frauen erleichtern. Entsprechende Events zur Aufklärung über die Wechseljahre einer Frau bringen Klarheit.
Ich, als Expertin für Wechseljahre, halte Vorträge hierzu. In interaktiven Seminaren können Mitarbeiter:innen mit mir diskutieren und lernen. Es zahlt sich für jedes Unternehmen aus, die Wechseljahre aus der peinlichen Verschwiegenheit herauszuholen und ein offenes Betriebsklima zu gestalten, denn dies lässt Verständnis und Empathie zu. Die Wechseljahre einer Frau sind keine Krankheit. Es ist eine Lebensphase, die eine große Herausforderung darstellen kann- jedoch auch eine Vielzahl an neuen Chancen bietet.
Verbesserung der Arbeitsbedingungen
Die Wechseljahre sind eine natürliche Übergangsphase, die typischerweise zwischen dem 42. und 52. Lebensjahr eintritt. Sie können erhebliche Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz haben (Griffiths et al., 2016, S. 374).
Angesichts der demographischen Entwicklung und der zunehmenden Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt gewinnt das Thema „Menopause am Arbeitsplatz” an gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Relevanz.
1. Volkswirtschaftliche Auswirkungen menopausaler Beschwerden
Die volkswirtschaftlichen Kosten im Zusammenhang mit menopausalen Beschwerden sind erheblich und manifestieren sich in verschiedenen Dimensionen.
© Deutsche Menopause Gesellschaft e.V. / Iris Pleyer
Produktivitätsverluste
Eine großangelegte Studie der Mayo Clinic quantifizierte die jährlichen Produktivitätsverluste durch unbehandelte menopausale Symptome in den USA auf 150 Milliarden US-Dollar (Sarrel et al., 2015, S. 263). Für Europa existieren Schätzungen von etwa 95 Milliarden Euro (Berin et al., 2019, S. 278).
Für Deutschland werden die wirtschaftlichen Einbußen auf jährlich 8,1 Milliarden Euro geschätzt (Bundesministerium für Gesundheit, 2022, S. 17), wobei diese Zahl kritisch zu hinterfragen ist, da sie auf Extrapolationen basiert und nicht durch umfassende Primärdaten gestützt wird.
Diese Kosten könnten durch präventive Maßnahmen und bessere Arbeitsplatzgestaltung reduziert werden.
Verlust an Humankapital und Fachkräftepotenzial
Ein gravierender volkswirtschaftlicher Aspekt ist der vorzeitige Verlust qualifizierter Arbeitskräfte. Der damit verbundene volkswirtschaftliche Schaden wird auf jährlich 3,7 Milliarden Euro beziffert (Bertelsmann Stiftung, 2022, S. 28). Dieser Verlust wiegt besonders schwer angesichts des wachsenden Fachkräftemangels in vielen Branchen.
Kosten-Nutzen-Analyse betrieblicher Interventionen
Mehrere Studien belegen die Wirtschaftlichkeit gezielter betrieblicher Interventionen zur Unterstützung von Frauen in der Menopause.
Meine konkrete Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber sind kurzfristige bis langfristige Maßnahmen. Ebenso empfehle ich branchenspezifische Maßnahmen für Produktions- und Dienstleistungsunternehmen bzw. Gesundheits-, Pflege- und Bildungseinrichtungen. Zuvor möchte ich jedoch die Wechseljahre und die Auswirkungen auf den Arbeitsplatz und somit Ihr Unternehmen näher eingehen.
2. Menopausale Beschwerden und Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit

Vasomotorische Symptome
Hitzewallungen und Nachtschweiß gehören zu den am häufigsten berichteten Symptomen und betreffen etwa 75–80% der Frauen (Avis et al., 2015, S. 533) und können im Mittel 7,4 Jahre andauern – deutlich länger als früher angenommen (Avis et al., 2015, S. 535).
Diese Symptome können zu Schlafstörungen führen, die wiederum Tagesmüdigkeit, verminderte Konzentrationsfähigkeit und reduzierte kognitive Leistung zur Folge haben können.
Psychische Veränderungen
Stimmungsschwankungen, erhöhte Reizbarkeit, Angstzustände und depressive Verstimmungen treten bei etwa 45–68% der Frauen auf (Freeman et al., 2014, S. 730). Diese Symptome können die zwischenmenschliche Kommunikation am Arbeitsplatz beeinträchtigen und zu sozialer Isolation führen.
Kognitive Veränderungen
Beeinträchtigungen des Gedächtnisses, der Konzentration und der Informationsverarbeitung werden von 44–62% der Frauen berichtet (Epperson et al., 2013, S. 1217). Objektive Tests zeigen Defizite in psychomotorischer Geschwindigkeit (d = 0,45) und verbalem Gedächtnis (d = 0,38).
Körperliche Symptome
Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen und erhöhte Ermüdbarkeit können die physische Belastbarkeit reduzieren, was besonders in körperlich anspruchsvollen Berufen problematisch sein kann.
Subjektive Belastung und Arbeitsleistung
Eine umfassende Befragung von 1.132 berufstätigen Frauen in der Menopause ergab, dass 47% ihre Symptome als belastend für ihre Arbeitsleistung empfanden.
3. Maßnahmen der Arbeitgeber zur Unterstützung von Mitarbeiterinnen in der Menopause
Arbeitgeber können durch gezielte Maßnahmen dazu beitragen, die negativen Auswirkungen menopausaler Beschwerden zu reduzieren und ein unterstützendes Arbeitsumfeld zu schaffen. Im Folgenden werden evidenzbasierte Interventionen vorgestellt.

Anpassung der physischen Arbeitsumgebung
Die Gestaltung des Arbeitsplatzes kann einen erheblichen Einfluss auf das Wohlbefinden von Frauen mit menopausalen Beschwerden haben:
- Temperaturregulierung: Individuell regulierbare Klimaanlagen oder Ventilatoren
- Belüftungssysteme: Eine verbesserte Luftzirkulation und -qualität kann zur Linderung von Hitzewallungen beitragen.
- Zugang zu Trinkwasser und Sanitäranlagen: Die einfache Verfügbarkeit von Trinkwasser und der diskrete Zugang zu Sanitäranlagen.
- Anpassung der Arbeitskleidung: Flexible Kleiderordnungen, die das Tragen leichter, atmungsaktiver Kleidung ermöglichen.
Flexible Arbeitszeitmodelle und Arbeitsorganisation
Flexible Arbeitsregelungen können Frauen in der Menopause dabei unterstützen, ihre Arbeitszeiten an ihren individuellen Biorhythmus und ihre Symptome anzupassen:
- Flexible Arbeitszeiten: Die Möglichkeit, Arbeitszeiten an das individuelle Wohlbefinden anzupassen, ist besonders bei Schlafstörungen hilfreich. Flexible Arbeitszeiten führten zu einer 34%igen Reduktion von durch Menopause bedingter Fehlzeiten (Jack et al., 2019, S. 5).
- Homeoffice-Optionen: Während der COVID-19-Pandemie berichteten 62% der befragten Frauen über eine Verbesserung ihrer Symptomkontrolle durch Heimarbeit (Brewis et al., 2021, S. 53).
- Angepasste Pausenregelungen: Kurze, aber häufigere Pausen können zur Stressbewältigung beitragen.
- Tätigkeitswechsel: Die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Aufgaben zu wechseln, kann bei Konzentrationsschwierigkeiten hilfreich sein.
Unternehmen mit implementierten flexiblen Arbeitszeitmodellen verzeichneten eine durchschnittliche Steigerung der Mitarbeiterbindung von 28% und eine Reduktion der Fluktuationsrate von 17% bei Frauen im Alter von 45–55 Jahren (Hickey et al., 2022, S. 204).
Betriebliche Gesundheitsförderung
Spezifische gesundheitsfördernde Maßnahmen können dazu beitragen, menopausale Beschwerden zu lindern und die Resilienz zu stärken:
- Bewegungsprogramme: Regelmäßige körperliche Aktivität kann vasomotorische Symptome reduzieren und die psychische Gesundheit verbessern.
- Entspannungstechniken: Yoga, Meditation oder Achtsamkeitsübungen fördern die Stressbewältigung.
- Ernährungsberatung: Eine ausgewogene Ernährung kann zur Linderung bestimmter Symptome beitragen.
- Ergonomische Beratung: Individuelle Beratung zur ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung ist insbesondere bei muskuloskelettalen Beschwerden hilfreich.
Die Integration solcher Programme reduzierte die durch Menopause bedingte Arbeitsausfälle um durchschnittlich 26% (Kopenhager & Guidozzi, 2016, S. 274).
Psychosoziale Unterstützung und Kommunikation
Eine offene und unterstützende Kommunikationskultur kann wesentlich dazu beitragen, Stigmatisierung zu reduzieren:
- Schulungen für Führungskräfte: Sensibilisierung für die Thematik der Menopause und Vermittlung von Kompetenzen im Umgang mit betroffenen Mitarbeiterinnen.
- Mentoringprogramme: Der Austausch zwischen Frauen in ähnlichen Lebensphasen fördert gegenseitige Unterstützung.
- Betriebliche Beratungsangebote: Vertrauliche psychologische Beratung unterstützt bei der Bewältigung emotionaler Herausforderungen.
- Offene Kommunikationskultur: Die Enttabuisierung des Themas Menopause fördert Verständnis und baut Hemmschwellen ab.
Betriebliche Richtlinien und Strukturen
- Menopause-Richtlinien
- Betriebsärztliche Betreuung
4. Fazit und Ausblick
Die Menopause kann, muss aber nicht zwangsläufig, die Arbeitsfähigkeit von Frauen beeinträchtigen. Die wissenschaftliche Evidenz zeigt, dass die Arbeitsumgebung, das Stresserleben und die betriebliche Unterstützung eine zentrale Rolle für das Wohlbefinden und die Produktivität spielen.
Arbeitgeber können durch gezielte Maßnahmen einen entscheidenden Beitrag leisten, um ein unterstützendes Arbeitsumfeld zu schaffen und damit sowohl das Wohlbefinden der betroffenen Mitarbeiterinnen zu verbessern als auch betriebswirtschaftliche Vorteile zu erzielen.
Die demografische Entwicklung und der zunehmende Fachkräftemangel unterstreichen die Notwendigkeit, Frauen in der Menopause im Arbeitsleben zu unterstützen. Unternehmen, die frühzeitig in Menopause freundliche Arbeitsplatzgestaltung investieren, sichern sich nicht nur einen Wettbewerbsvorteil bei der Gewinnung und Bindung qualifizierter Mitarbeiterinnen, sondern tragen auch zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit und zur Verbesserung der Gesundheit und Lebensqualität ihrer Belegschaft bei.
Insgesamt zeigt die Evidenz: Investitionen in Menopause freundliche Arbeitsplätze sind nicht nur ethisch geboten, sondern auch ökonomisch sinnvoll und können zu einer Win-win-Situation für Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber führen.
Autor: Iris Pleyer