Frau Stockbauer, Sie sind über 25 Jahre im Bankgeschäft und seit fast 15 Jahren in einer Führungsposition. Sie haben die besten Jahre der Finanzindustrie erlebt, dann die Finanzkrise ab 2007. Was hat sich in all der Zeit verändert? Was verändert sich gerade jetzt?
HERTA STOCKBAUER: Zwei Drittel meiner Zeit im Vorstand waren Krisenjahre. Es hat sich Fundamentales verändert. Eine Bank ist heute anders zu führen.
Inwiefern?
Ich bin heute viel mehr in die operative Arbeit eingebunden. Man erwartet heute von mir, dass ich über viel mehr Details Bescheid weiß, über das Bankenaufsichtsrecht, über Finanzmathematik. Ich muss viel mehr Regulatorien kennen und können. Hingegen ist das Strategische in den Hintergrund gerückt. Aber jetzt gibt es ein neues Thema, das alle anderen dominiert: die digitale Herausforderung.
Wie würden Sie diese Herausforderung in einem Satz zusammenfassen?
Der Wille zu großer Veränderung, zu Change, muss gegeben sein. Ich muss bereit sein, mich und die Bank stark zu verändern, wohl wissend, dass ich damit auch gegen viele Widerstände ankämpfen muss. Die Herausforderung ist, alles auch persönlich anzunehmen, was getan werden muss. Noch dazu schnell, weil solche Prozesse sehr leicht dazu führen, dass man sich immer mehr mit sich selbst beschäftigt und sich von den Kunden zurückzieht. Und es geht dabei auch um mich. Als Vorsitzende muss ich diese Haltung vorleben.
Wie lebt man diese wichtige Bereitschaft zur Veränderung vor?
Wir haben beispielsweise ein neues Format eingeführt für interne Besprechungen, das ich als „kollektives Lernen“ bezeichne. Wir haben immer Montagfrüh ein Meeting. Bei diesem gehen wir gemeinsam durch, was in der jeweils letzten Woche an Neuerungen gekommen ist – neue Vorschriften seitens der EU, der FMA, steuerliche Änderungen und vieles mehr. Wir besprechen alles akribisch, und ich muss mir entsprechend vieles bereits durchgelesen haben, denn nur dann tun es alle anderen auch.
Die BKS Bank hat als Regionalbank im Drei-Banken-Verband eine fast 100-jährige Geschichte, die ganz anders ist als die der meisten anderen Banken. Mit Tradition, Regionalität und Werten lässt sich das gut zusammenfassen – und auch vermarkten. Aber wie wirkt sich eine solche Tradition in der Praxis auf die Entscheidungsfindung in der BKS Bank aus?
Wir haben kürzlich zu diesem Thema einen Satz aus einem viele Jahrzehnte alten Geschäftsbericht gefunden, was der Zweck unserer Bank ist – heute würde man Purpose sagen: „Der Wirtschaft des Landes und den Menschen im Land zur Seite zu stehen.“ Das hat sich nicht verändert und sollte sich auch nie verändern. Wir werden beispielsweise die Zentrale der BKS Bank nie nach Wien verlegen, obwohl es natürlich immer wieder Überlegungen gab. Und für mich persönlich: Als jemand, der eine Bank leitet, die es seit 100 Jahren gibt, möchte ich diejenige sein, die Entscheidungen so trifft, dass es die Bank auch die nächsten 100 Jahre gibt.
Sie haben sich nicht nur als Bank, sondern auch als
Person den Ruf erarbeitet, nachhaltig und verantwortungsvoll zu handeln.
Was machen Sie anders?
Wir sind auch dank unserer Eigentümerstruktur in einer
besonderen Position. Sie ist auf Nachhaltigkeit ausgelegt. Wir sind auch
börsenotiert und befragen unsere Aktionäre laufend, ob sie mit unserem
Weg zufrieden sind. Und wir haben schon viel umgesetzt: E-Autos,
Gesundheitsprojekte für Mitarbeiter, seit kurzem sind wir Mitglied der
WWF Climate Group. Und wir bieten immer mehr nachhaltige Geldanlage- und
Finanzierungsprojekte an. Es geht aber auch um das, was wir nicht tun,
welches Risiko wir nicht eingehen und welchen Kredit wir nicht vergeben.
Nachhaltiges Arbeiten hat auch mit dem guten Ruf als Arbeitgeber zu
tun, und das ist für Banken ohne Zweifel immer wichtiger.
Sie haben das jetzt wiederum mit der Bank und mit ihrem Hintergrund begründet, nicht mit Ihrer Person.
Ja, klar, natürlich ist es auch wichtig, dass jeder in der
Bank weiß, dass Nachhaltigkeit und Verantwortung wirklich auch ganz
oben in der Führungsetage gelebt wird. Jeder neue Mitarbeiter erfährt
beispielsweise schon am ersten Tag, was CSR ist und warum das bei der
BKS Bank so wichtig ist. Bei vielen Projekten bringe ich mich persönlich
ein.
Tradition, Regionalität, sind das nicht Dinge, die Innovationen eher behindern, die aber – Stichwort Veränderung – heute überlebensnotwendig sind?
Wenn Sie Tradition, Regionalität und Verantwortung weiterdenken und weiterleben, dann ist das Gegenteil der Fall, denn darin liegt auch die ganz besondere Innovationskraft. Aus dieser entstehen neue Produktideen, die auch nur wir entwickeln können. Die nachhaltige Vermögensverwaltung AVM war ein erstes Produkt. Der „Silberkredit“ für ältere Kunden, die sich normalerweise schwertun, eine längerfristige Finanzierung zu finden, ein zweites.
Liegt der mit Abstand größte Hebel einer Bank für eine nachhaltigere Gesellschaft in ihren Produkten und Services?
Keine Frage. Wir haben mit unseren Green Bonds dazu ein gutes Produkt entwickelt, das sehr gut ankommt. Geld aus der Region wird in Umweltprojekte in der Region investiert. Wir haben auch bereits einen Social Bond aufgelegt, der Pflegeeinrichtungen finanziert, auch hier haben wir gute Erfahrungen gemacht und werden weitermachen. Das größte nachhaltige Finanzierungsthema wird aber wohl erneuerbare Energie und Energie-Effizienz sein. Es gibt jetzt einen EU-Aktionsplan, der sich damit beschäftigt, welchen Beitrag die Finanzindustrie für nachhaltigeres Wachstum leisten kann – wir haben das schon, wir haben einen ganzen Katalog an Leistungen und erfassen diese systematisch.
Es ist der Zweck unserer Bank, der Wirtschaft des Landes und den Menschen im Land zur Seite zu stehen. Das hat sich nicht verändert und sollte sich auch nie verändern.
HERTA STOCKBAUER