„Es ist wichtig kontinuierlich an der Verbesserung und am Fortschritt zu arbeiten“

Exklusivinterview mit Martin Beste, Geschäftsführer der R+V Allgemeine Versicherung AG Österreich, über Zukunftsthemen der Versicherungsbranche, Entwicklungsveränderungen bei Managerhaftpflicht- und Warenkreditversicherungen sowie Herausforderungen der Digitalisierung.
© R+V
„Es ist wichtig kontinuierlich an der Verbesserung und am Fortschritt zu arbeiten“
Martin Beste, Geschäftsführer der R+V Allgemeine Versicherung AG Österreich.

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Herr Beste, die R+V ist mit Ende 2010 in den österreichischen Versicherungsmarkt eingetreten und hat sich schon von Anfang an gezielt auf Klein- und Mittelbetriebe spezialisiert. Man hat als Start-up begonnen und sich über die Jahre einen Namen gemacht. Mittlerweile ist das Unternehmen zu den bekanntesten Versicherern der Branche angewachsen. Ebenso ist die R+V Teil des R+V-Konzerns, der zu den größten deutschen Versicherungsgruppen zählt. Wofür steht denn die R+V und welche unmittelbaren, aber auch strategisch langfristigen Ziele haben Sie sich gesetzt?

Die R+V ist in Deutschland seit über 100 Jahren der Versicherungsexperte der genossenschaftlichen FinanzGruppe der Volksbanken Raiffeisenbanken. Bei der R+V steht der Mensch im Mittelpunkt – sowohl bei unserer Konzernmutter als auch bei uns in Österreich.

Uns ist es wichtig, unseren Mitarbeitenden, Kunden und Geschäftspartnern auf Augenhöhe zu begegnen, ob persönlich oder digital. Das ist nicht nur bereits gelebte Kultur bei uns, sondern auch eines unserer langfristigen Ziele, dies beizubehalten.

Unsere strategisch langfristige Vision ist es ebenfalls, mit unseren Versicherungslösungen die Existenz von vielen Unternehmen, landwirtschaftlichen Betrieben und Freischaffenden in Österreich zu sichern und uns im Bereich der digitalen Services für unsere Makler zu verbessern.

Sie haben, bevor sie in der Versicherungsbranche tätig wurden, Betriebswirtschaft und internationales Management sowohl in Mannheim als auch in Wien studiert. Nach einer kurzen Station in der Unternehmensberatung waren Sie zuerst Abteilungsleiter bei der GE-Frankona Rückversicherung und wurden 2001 Geschäftsführer im Gerling Konzern. 2007 wurden Sie geschäftsführender Gesellschafter beim Versicherungsmakler SÜDVERS. 2010 erfolgte dann mit der Gründung der Niederlassung Ihr Antritt als Geschäftsführer bei R+V Versicherung. Gab es bestimmte Ihnen in Erinnerung gebliebene Erfahrungen aus ihrer beruflichen Anfangszeit, die Ihnen, retrospektiv betrachtet, speziell geholfen haben, um in solch einer verantwortungsvollen Führungsposition zu bestehen?

Neben einem fundierten betriebswirtschaftlichen und versicherungstechnischen Knowhow ist der persönliche Zugang aus meiner Sicht der Schlüssel zum Erfolg.

Im Vertrieb in der Auseinandersetzung mit den spezifischen Kundenbedürfnissen ebenso wie in der Führung und Entwicklung der Mitarbeiter bringt mich diese Empathie und die Freude am gemeinsamen Erfolg weiter.

Sie sind in Baden Baden aufgewachsen und schon 1991, nach Österreich gekommen. Warum haben Sie sich schon so bald für ein Leben in Österreich entschieden – wegen des Studiums, oder auch aus anderen Gründen?

Vor über dreißig Jahren bin ich von meiner damaligen Firma – zunächst nur für zwei Jahre -nach Wien entsendet worden. Mir hat es hier von Anfang an gut gefallen, hier zu arbeiten und zu leben.

Neben beruflichen Erfolgen waren es schließlich auch private Kontakte, die mich zum Bleiben animiert haben.

Herr Beste, erst vor zwei Jahren feierte der R+V-Konzern sein hundertjähriges Bestehen. Norbert Rollinger (Vorstandsvorsitzender der R+V – Anm. d. Red.) berichtete damals von einem Kulturwandel und einem stetig anhaltenden Verjüngungsprozess, innerhalb des Unternehmens, um zukunftsfit zu bleiben. Natürlich bestehen Unterschiede zwischen dem R+V-Konzern und der R+V in Österreich, allerdings gibt es immer Optimierungspotenzial. Bei welchen Themen oder Bereichen muss sich die R+V Österreich zukunftsfit machen?

Um zukunftsfit zu bleiben, reicht es nicht nur gute Versicherungslösungen für unsere Kunden zu haben, sondern auch als Arbeitgeber attraktiv zu sein und zu bleiben. Daher optimieren wir laufend unsere Angebote für unsere Mitarbeitenden.

„Es ist wichtig kontinuierlich an der Verbesserung und am Fortschritt zu arbeiten“
© R+V

Anfang dieses Jahres wurden wir beispielsweise zu einem „Great Place to Work“ gewählt. Das ist eine schöne Rückmeldung unseres Teams, dass es wichtig und richtig ist, kontinuierlich an der Verbesserung und am Fortschritt zu arbeiten. Zukunftsfit müssen wir uns aber sicher auch im Bereich Cyberschutz und auch dem Umgang mit KI machen.

Dem KMU-Schwerpunkt sieht sich die R+V Österreich traditionell besonders verpflichtet. Als Spezialversicherer möchten Sie gezielt auf die Bedürfnisse der Unternehmer:innen eingehen. Wer sind die Hauptzielgruppen am österreichischen KMU-Markt, oder haben Sie Kunden aus allen Branchen und welche Produkte sind am meisten gefragt?

Die R+V zählt am österreichischen Markt zu den Top 3 Kreditversicherern und wurde von den Maklern zur führenden Versicherung im Bereich D&O, Vertrauensschadenversicherung, Elektronik- und Maschinenbruch gewählt.

Das sind gleichzeitig auch die gefragtesten Produkte, mit denen unsere Kunden aus unterschiedlichen Branchen optimal abgesichert werden können.

Stichwort D&O: Diesem Spezialgebiet der Managerhaftpflichtversicherung hat sich R+V schon frühzeitig gewidmet. Ein Segment, das boomt, da immer mehr Führungskräfte, wie CEOs, Kontrollorgane, leitende Angestellte sowie Vorstandsmitglieder solche Versicherungen abschließen (müssen). Wie kam es dazu, dass man sich vor 10 Jahren dazu entschlossen hat, im Managementhaftpflichtversicherungsbereich Fuß zu fassen und wie läuft das Geschäft aktuell?

Die D&O Versicherung war von Anfang an Teil unseres Nischen-Eintrittskonzeptes in Österreich, da es in diesem Bereich noch keine Marktdurchdringung gab und der Bedarf bei den KMU gegeben war. In den vergangenen 10 Jahren erlebte diese Versicherung einen Aufschwung, da sie nun nicht mehr nur eine Deckung für Großunternehmen war, sondern eben auch essenziell für kleinere Betriebe und deren Manager.

Die D&O Versicherung gehört, vor allem in Zeiten wie diesen, zu einer der wichtigsten Absicherungen für Manager. Es gibt z.B. Studien, die belegen, dass mehr als die Hälfte aller Insolvenzursachen auf Managementfehler zurückgehen. Weiters ist die Anspruchsmentalität gestiegen, sodass auch immer mehr Unternehmen ihre Manager klagen.

Unser Anspruch war es von Anfang an – in unserer Nische – unsere Kunden mit Top Produkten abzusichern. Das war auch der Grund, warum wir kurz nach Markteintritt zusätzlich zur Unternehmens D&O als einer der ersten Versicherer auch eine persönliche D&O als Ergänzung auf den Markt gebracht haben. Auch hier war und ist der Bedarf da, denn, wenn sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat aus der gleichen Deckungssumme der Versicherung versorgt werden (Unternehmens D&O), kann es rasch zu einem Interessenskonflikt kommen, wenn die Gesamtsumme nicht ausreicht. Um diesem Problem vorzubeugen, raten unsere Experten, die persönliche Polizze als zusätzlichen Schutz und Ergänzung zur Unternehmens D&O abzuschließen.

Anhaltender Krieg in der Ukraine und der zu eskalieren drohende Konflikt im Nahen Osten – alles Aspekte, die für ein durchwegs unruhiges ökonomisches Umfeld sprechen. Wie schon beim Produktangebot erwähnt, stehen Warenkreditversicherungen sicher immer mehr im Fokus von Unternehmen. Diese sind ein wichtiges Instrument zur Steuerung von Risiken und tragen wesentlich zur Sicherung der Liquidität und Erhaltung der Zahlungsfähigkeit bei. Hat die Coronapandemie und der Ukrainekrieg die Nachfrage nach Warenkreditversicherungen steigen lassen?

Wir leben aktuell in einer Zeit der multiplen Krisen. Dazu zählen neben den von Ihnen erwähnten Aspekten auch die Verteuerung der Energie- und Rohstoffpreise, die Inflation bei gleichzeitiger globaler Rezession (Stagflation), Umsatzeinbußen, Arbeitskräftemangel sowie ein hohes Zinsniveau und damit weniger Investitionen / Bautätigkeiten.

Dies alles hat zu einer deutlichen Nachfragesteigerung im Bereich der Warenkreditversicherung geführt. Einen besonders starken Anstieg beobachten wir seit Sommer 2023 auf Grund der deutlichen Steigerung der Insolvenzzahlen. Auch Firmen, die sich bisher nicht mit dem Thema beschäftigt hatten, werden nun auf Grund von hohen Forderungsausfällen aktiv und suchen nach Möglichkeiten der Absicherung.

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© PantherMedia / AndreyPopov

Vor dem Hintergrund der Insolvenzwellen, von denen auch Österreich nicht unberührt blieb, ist das Risiko von Kreditversicherungen überhaupt noch managebar oder besser gesagt – wann sagt die R+V Österreich, nein – das können wir nicht mehr versichern?

Warenkreditversicherungen bauen auf langfristige Geschäftsbeziehungen. Daher wird bei der Beurteilung von Vertragsbeziehungen immer die gesamte Laufzeit der Verträge berücksichtigt.

Anpassungen der Konditionen sind deshalb selten und nur dann erforderlich, wenn über Jahre hinweg ein erhöhtes Schadenaufkommen zu beobachten ist. Bei Neuverträgen schauen wir uns die konkrete Vorschadensituation beim Interessenten und die Risikosituation in der Branche an und kalkulieren entsprechend. Wenn vertretbar, legen wir ein risikoadäquates Angebot.

Eine gänzliche Ablehnung einer Angebotslegung kommt äußerst selten vor. Ausgleichend wirkt auch unser in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen verankertes „Bonus/Malus System“.

Wie hat man es geschafft, im Gegensatz zur Konkurrenz, die Versicherungsdeckungen bei Kreditversicherungen, zu Beginn der Pandemie, nicht zu reduzieren?

Wie bereits erwähnt, bauen wir auf langfristige Partnerschaften und versuchen kurzfristig erhöhte Risikosituationen nicht auf den Versicherungsnehmer abzuwälzen und Deckungen zu reduzieren oder aufzuheben.

Zu Beginn der Pandemie waren die Befürchtungen einer zu erwartenden Insolvenzwelle sehr hoch. Wir konnten hier z.T. drastische Reduktionen von Versicherungsdeckungen bei den Mitbewerbern beobachten. Die wirtschaftlichen Auswirkungen während der Pandemie wurden aber tatsächlich durch staatliche Unterstützungen abgefedert bzw. verzögert.

Damit hat sich die Haltung der R+V, zunächst einmal die Entwicklung abzuwarten und wenn durch wirtschaftliche Fakten vertretbar, im Risiko zu bleiben, bestätigt. Geholfen hat uns hier auch die Tatsache, dass die R+V ein Kompositversicherer (Versicherungsunternehmen welches in mehr als einer Versicherungssparte tätig ist – Anm. d. Red.) ist und es damit innerhalb der unterschiedlichen Versicherungssparten zu einem Risikoausgleich kommt.

Der gesamte Themenkomplex Nachhaltigkeit beschäftigt alle Generationen gleichsam. Generell herrscht in der Kommunikation nach außen der Kanon, dass der Nachhaltigkeitstransformationsprozess einem Paradigmenwechsel gleicht. Welche Strategie verfolgt die R+V Österreich in puncto Klima- und Umweltschutz?

Nachhaltigkeit ist, wie Sie schon sagen, ein großer Themenkomplex und umfasst weitaus mehr als den Umweltbereich.

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Es beginnt beim Umgang mit unseren Kundinnen und Kunden und unseren Mitarbeitenden. Als Versicherungskonzern haben wir auch gegenüber der Gesellschaft eine Verantwortung, der wir schon immer nachgekommen sind.

Im Bereich des Klima- und Umweltschutzes beginnen wir zuallererst bei uns selbst, indem wir die Emissionen, die bei unserer täglichen Arbeit entstehen, kontinuierlich reduzieren. Das beginnt bei einfachen Maßnahmen wie dem Wechsel von Stromanbietern oder der Förderung von Fahrradmobilität und endet bei technisch aufwändigeren Prozessen wie die papierlose Kommunikation mit unseren Kundinnen und Kunden zu forcieren.

Das Thema Digitalisierung ist, über alle Branchen hinweg, gleichzeitig Herausforderung aber auch Chance. Im Zentrum der Betrachtung liegt hier bei vielen Betrieben die Effizienzsteigerung. Welche Digitalisierungsagenden haben, im Unternehmen, aktuell höchste Priorität und spielen Online-Produkte bei R+V Österreich einstweilen schon eine gewichtige Rolle – falls ja, welche?

Die R+V gilt im Bereich der Online-Tarifrechner für Makler im Gewerbekundensegment als Pionier in der Branche. Über unseren mobilen Tarifrechner lassen sich Standardprodukte rasch und unkompliziert berechnen und beantragen. Damit haben wir bereits vor über 10 Jahren auf den Trend der Digitalisierung und vermehrte Nutzung von mobilen Endgeräten reagiert.

Der Ausbau von Online-Abschlussstrecken für gewisse Produkte wird sicherlich auch in den kommenden Jahren weiterhin auf unserer Agenda stehen, wobei wir ebenfalls auf den persönlichen Kontakt setzen. Viele Produkte sind beratungsintensiv, betreffen sensible Bereiche von Unternehmen oder es handelt sich um größere Versicherungssummen.

Um hier Professionalität zu garantieren, ist die persönliche Beratung unserer Makler unumgänglich. Deshalb bieten wir unseren Vertriebspartnern laufend Online- und Präsenzschulungen an, um sicherzustellen, dass unsere Kunden bestmöglich informiert und umfassend abgesichert werden.

Werden künftig Künstliche Intelligenz (KI) oder neue Softwarelösungen eine entscheidende(re) Rolle spielen, um für den Kunden schnellere und einfachere Lösungen zu erzielen? Können Sie unseren Lesern von derartigen Produktneuheiten etwas berichten – oder ist dies noch zu früh?

Wenn man eine omnikanale Kunden- und Marktbearbeitung verfolgt, wie es beispielsweise bei unserer Konzernmutter in Deutschland der Fall ist, so kommt man um die KI nicht herum.

Technologischer Fortschritt ist meiner Meinung nach nicht aufhaltbar, wir müssen alle lernen, mit Neuerungen umzugehen und diese sinnvoll zu nutzen. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz ist dort sinnvoll, wo eine große Menge an Daten vorliegt oder eine bestimmte Menge an spezifischen Daten abgefragt werden muss, um die Zielgruppe besser zu verstehen oder zu erreichen.

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© PantherMedia / jirsak

Heutzutage spielt sich vieles online ab, die Nutzung von Smartphones, Tablets & Co verändert auch die Anforderungen an uns Versicherer. Der Einsatz von KI wird dabei sicherlich im Marketing und bei Online-Abschlussstrecken sinnvoll sein, wobei es hier nicht darum geht, die KI allein arbeiten zu lassen, sondern sie eher als Assistent bei der strategischen Entscheidungsfindung und kreativen Umsetzung zu sehen.

Herr Beste, wir möchten Sie gerne auch als Privatperson etwas näher kennenlernen – daher noch ein paar persönliche Fragen:

Wie sieht der aktuelle Geschäftsgang in Ihrem Unternehmen aus?

Weiterhin auf erfreulichem Wachstumskurs!

Wie beschreiben Sie Ihr Leadership?

Fördern, fordern und gemeinsam erfolgreich sein.

Mit welcher Person, aus der Gegenwart oder Vergangenheit, würden Sie gerne einen Tag verbringen?

Napoleon, weil er Europa entscheidend geprägt hat.

Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?

Geschichte Südtirols.

Was ist das Verrückteste, das Sie je in Ihrem Leben getan haben?

Als ich mit der Vespa durch Sizilien gefahren bin.

Worauf könnten Sie in Ihrem Leben nicht verzichten?

Auf meine Frau.

Worüber haben Sie zuletzt gelacht?

Über meinen Kater, der mich ins Büro begleiten wollte.

Sie können EIN globales Problem lösen – welches wäre das?

Die Beendigung von Konflikten und Kriegen – also ein Leben in Frieden für alle Menschen.

Herr Beste, wir wünschen Ihnen viel Erfolg für die Zukunft und herzlichen Dank für das Interview.

Danke Ihnen.

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