1) Anforderungen an Führungskräfte werden vielfältiger
Dabei sollte jedoch beachtet werden, dass viele Kompetenzen (bzw. Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale) in einer Wechselbeziehung zueinander stehen. Außerdem ändert sich die Terminologie. So werden zum Beispiel in bis 2015 publizierten Studien recht häufig die Begriffe „Schnelligkeit“ und „Flexibilität“ als Kompetenzen genannt, in den später erschienenen Studien hingegen dominiert der Begriff „Agilität“. Zudem ist mal von „Motivationsfähigkeit“, mal von „Inspirationsfähigkeit“ und mal von damit verknüpften Eigenschaften wie „Vorbild sein“ und „Visionär sein“ die Rede. Deshalb ist das Fazit zulässig: Führung ist im digitalen Zeitalter zwar anspruchsvoll, jedoch durchaus möglich.
2) Kommunikationsfähigkeit ist die Top-1-Kompetenz
Insbesondere die „dialogischen Kommunikationsfähigkeiten“ (wie Feedback-geben, Zuhören, Coachen) werden als erfolgsrelevant gesehen. Der Dialog mit den Mitarbeitern wird im digitalen Zeitalter als bedeutsamer für den Führungserfolg erachtet als der auf dem hierarchischen System basierende Top-down-Monolog mit ihnen.
3) Führungskräfte sind auch Change-Manager und -Leader
Die am zweithäufigsten genannte Kompetenz ist mit 39% die Veränderungsfähigkeit. Dabei sind die Handlungsfelder der Veränderung umfassend. Sie beziehen sich u.a. auf die Prozesse und Strukturen, (Mitarbeiter-)Beziehungen und Erwartungen, Geschäftsmodelle und -strategien, Haltungen und Einstellungen und selbstverständlich auch auf das Führen selbst.
Der permanente Wandel ist im digitalen Zeitalter die größte Herausforderung für Führungskräfte. Führungskraft sein, bedeutet künftig zugleich Change-Manager und -Leader zu sein. Das Thema Change mit all seinen Voraussetzungen und Wirkungen ist nicht ein, sondern das Führungsthema.
4) Der Mensch steht im Zentrum des Führungsprozesses
Zu den Top-Kompetenzen von Führung zählen künftig auch die „Wertschätzung“ bzw. „Mitarbeiterorientierung“ mit 33% auf Rang drei. Dahinter steckt die Anforderung, den Menschen bzw. Mitarbeiter ins Zentrum des Führungsprozesses zu stellen. Der Fokus des Führungshandelns sollte stärker auf den Bedürfnissen der Mitarbeiter sowie deren Potenzialen, Stärken und Schwächen liegen.
Die hohe Bedeutung der Mitarbeiterorientierung ist ein Indiz dafür, dass sich Führung aus der Umklammerung des „sachlichen Managements“ löst. Im Zentrum der Führungsarbeit steht künftig stärker das Motivieren, Integrieren, Befähigen und Ermächtigen – oder kurz Führen – der Mitarbeiter und weniger das Managen des Betriebsalltags.
5) Transparenzorientierung ist eine neue Führungskompetenz
Zu den Top-Kompetenzen zählt auch die Transparenzorientierung mit 31% auf Rang vier. Dahinter steckt die Anforderung an Führungskräfte, vor allem in den Beziehungen zu den Mitarbeitern und Kollegen für mehr Transparenz zu sorgen – u.a. bezüglich der (eigenen) Werte und Ziele, des geplanten Vorgehens, der internen und externen Zwänge. Denn: Transparenz schafft Vertrauen, wirkt motivierend und bildet eine Grundlage für ein eigenständiges und -verantwortliches Arbeiten. Transparenzorientierung sollte als neue Kompetenz im digitalen Zeitalter stärker im Fokus der Führungskräfteentwicklung stehen, denn: Transparenz ist ein Wesensmerkmal der Digitalisierung und modernen Teamarbeit und zugleich ein Führungsinstrument.
6) Digitalkompetenz ist wichtig, jedoch nicht am wichtigsten
Auffallend ist, dass die Digitalkompetenz mit 28% nur auf Rang sieben im Kompetenz-Ranking steht – obwohl viele Unternehmen sich aktuell im digitalen Transformationsprozess befinden. Dies liegt primär daran, dass Führung auch im digitalen Zeitalter ein weitgehend analoger Prozess bleibt, in dem der Faktor Vertrauen eine zentrale Rolle spielt. In ihm benötigen die Führungskräfte im Digitalbereich zwar eine Beurteilungskompetenz, um entscheidungs- und handlungsfähig zu sein. Die (Fach-)Experten bzw. Spezialisten in diesem Bereich sind sie in der Regel aber nicht, weshalb die Digitalkompetenz auch keine zentrale Schlüsselkompetenz von ihnen ist.
So wird’s gemacht: Das TOP LEADER-Resümee
Aktuell überdenken viele Unternehmen ihre Führungskräfteentwicklung, weil ihnen bewusst ist, dass ihre Führungskräfte im digitalen Zeitalter ein teilweise anderes Kompetenzprofil brauchen. Unklar ist ihnen aber oft noch, welche Kompetenzen dies konkret sind.
Beim Entwickeln ihrer neuen Führungskräfte-Entwicklungsprogramme sollten die Unternehmen – wie beim Bearbeiten solcher Themen wie „Innovation“ und „Agilität“ – inkrementell und iterativ vorgehen. Das heißt, sie sollten im Dialog mit ihren Führungskräften einen (Lösungs-)Versuch wagen, dann die Erfahrungen reflektieren und anschließend das Vorgehen neu oder nach-justieren.
Ein Dialog mit den Führungskräften darüber ist wichtig, damit bei ihnen nicht das Gefühl „Wir werden beim Entwickeln unserer Kompetenz allein gelassen“ entsteht. Er ist auch wichtig, damit sich die Suche der Führungskräfte nach Antworten auf die Frage „Wie sollen wir im digitalen Zeitalter führen?“ in dieselbe Richtung bewegt und in der Organisation allmählich eine neue gemeinsame Führungskultur entsteht.
Quelle: Metastudie 2019: Führungskompetenzen im digitalen Zeitalter
Interessierte Top Leader finden die Metastudie auf der Webseite www.ifidz.de und können dort auch kostenlos ein Management-Summary anfordern.
Das IFIDZ (Institut für Führung im digitalen Zeitalter, Frankfurt a.M.) analysierte insgesamt 61 (!) Studien und Umfragen zum Thema Führung, an denen über 100.000 Personen (meist Führungskräfte, also Top Leader) teilnahmen.