Bischofsbergers Interesse an der Wissenschaft wurde bereits im Kindesalter geweckt. Nach der Volksschule in Mellau besuchte er das Zisterzienser-Gymnasium Mehrerau in Bregenz, das er mit der Matura abschloss. 1975 bis 1980 studierte er an der Universität Innsbruck Chemie; anschließend erwarb er das Doktorat an der ETH Zürich.
Trotz verschiedener Angebote europäischer Chemie-Konzerne wanderte Bischofberger 1983 in die USA aus und absolvierte an der Harvard-Universität in Cambridge, Massachusetts, sein Postgraduales-Studium. Danach blieb er in den USA und arbeitet ab 1990 für die Firma Gilead Sciences, die damals gerade einmal zwei Dutzend Mitarbeiter hatte. Inspiriert (und in gewisser Hinsicht auch provoziert) durch die Präparate Amantadin und Rimantadin, die jeweils nur einen Grippetypus bekämpfen konnten und noch dazu starke Nebenwirkungen zeigten, entwickelte Bischofberger mit seinem Team im Jahr 1994 den Arzneistoff Oseltamivir – und damit das Medikament Tamiflu und in der Folge sieben weitere, hoch wirksame Mittel gegen Viruserkrankungen, u.a. HIV- und Hepatitis C-Therapeutika. 2014 wurde Bischofberger zum “Auslandsösterreicher des Jahres” gewählt, und die Universität Innsbruck verlieh ihm am 1. Juli 2016 das Ehrendoktorat der Naturwissenschaften.
Geld für Biotech
Nach fast drei Gilead-Jahrzehnten – heute zählt das Unternehmen mit einem Umsatz von 26 Mrd. USD (22 Mrd. €) und 10.000 Beschäftigten zu einem der weltgrößten Pharmakonzerne – startete der Mann aus dem Ländle nochmals neu durch, legte 2018 seine Position als Vizepräsident und Forschungschef zurück und investierte in das Start-up Kronos Bio, das er auch als President und Chief Executive Officer leitet. Er sei 62, fühle sich wie 42 und benehme sich manchmal wie ein 22-Jähriger, kommentierte der Vorarlberger den Deal einmal launig.
Das Biotech-Start-up Kronos Bio entwickelt Krebstherapien und hat nun vor wenigen Wochen eine neue Finanzierungsrunde von 105 Mio. USD realisiert. Die Finanzierung wurde von den Investmentfirmen Vida Ventures, LLC und Omega Funds geleitet und umfasste Beteiligungen von Nextech, GV (ehemals Google Ventures), Perceptive Advisors, Invus und Polaris Partners. Zu dieser Serie-A-Runde gehörte auch eine bedeutende Beteiligung von Bischofberger selbst. Für ihn zeigt der Deal, wie sehr Europa in diesem Bereich hinter den USA hinterherhinkt. „Ich bin immer wieder erstaunt, wie schwierig es ist, in Europa beträchtliches Geld aufzutreiben, und wie viel Geld in den USA zur Verfügung steht.“
Wissenschaftlich basiert Kronos Bio auf einer Entwicklung von Angela Koehler vom Koch-Institute for Integrative Cancer Research des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge (US-Bundesstaat Massachusetts), wo das Start-up auch seinen Sitz hat. Sie hat die Small Molecule Microarray-Plattform (SMM) für niedermolekulare Wirkstoffe (“small molecules”) entwickelt. SMM eignet sich ideal für die schnelle Entdeckung neuartiger Modulatoren oder Degradatoren von historisch nicht austauschbaren Zielen wie Transkriptionsfaktoren. „Es ist eine der aufregendsten Technologien, die mir begegnet sind, und es öffnet eine neue Tür, um einige der größten Herausforderungen zu meistern, mit denen wir heute konfrontiert sind“, sagt Bischofberger. „Ich denke, wir können hier einen großen Unterschied machen – etwa bei Prostata- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs.“ Als Beispiel nannte der Biochemiker den bei vielen Krebsarten eine wichtige Rolle spielenden Faktor „myc“. „Bisher ist niemand in der Lage gewesen, das zu hemmen – vielleicht schaffen wir es mit dieser neuen Technologie.“ Ein weiteres Ziel von Kronos ist der Androgen Receptor (AR), der bei Prostatakrebs eine wichtige Rolle spielt.
Bischofbergers Visionen
„Primär wird die Genomik zu einem verbesserten Verstehen von Erkrankungen und wirksameren Therapien führen“, schreibt Bischofberger in seinem Blog. „Bereits heute werden pränatale Diagnosen erstellt; die Untersuchung des Fruchtwassers von Schwangeren ermöglicht die Analyse der fötalen DNA.“
Auf der Basis der Genom-Analysen werde eine Neu-Klassifizierung von Krankheiten stattfinden – nach Ursachen und nicht mehr nur nach Symptomen und anormalen Laborbefunden. Eine Klassifizierung der sogenannten Seltenen Erkrankungen (Orphan Diseases) ist bereits erfolgt. Und es sind sogar neue Disziplinen entstanden: die Pharmakogenomik, d.i. der Einfluss des persönlichen Genoms auf die Wirkung von Arzneimitteln, und Personal Genomics, der Zugang des Einzelnen zu seinem vollständigen Genom.
Bischofberger: „Rasante Effizienzsteigerungen in neuen analytischen Verfahren und die Möglichkeit, ungeheure Datenmengen zu speichern und zu verwerten, lassen uns nun einen Paradigmenwechsel in der Medizin erleben. A la longue werden wir von einer Diagnostik abkommen, die aufgrund von Symptomen und von der Norm abweichenden Laborbefunden erstellt wird, und dazu gelangen, die überaus komplexe individuelle Situation des Patienten zu erfassen. Das bedeutet ein Abgehen von Therapien nach dem Schema „Eine Größe passt allen“ hin zu einer zielgerichteten Behandlung: einer personalisierten Medizin.“