EU-Unternehmen sehen sich seit Anfang April beim Import von EU-Waren in die USA mit bereits bestehenden und möglichen weiteren Zusatzzöllen in unterschiedlichen Bereichen konfrontiert. Diese Situation stellt Unternehmen vor strategische und operative Herausforderungen, die eine sorgfältige Anpassung der Exportstrategie erforderlich machen.
„Die US-Zusatzzölle stellen exportorientierte Unternehmen vor konkrete operative und strategische Herausforderungen. Wer jetzt nicht handelt, riskiert Margen- und Marktverluste in den USA“, betont Peter Pichler, Steuerberater und Partner bei LeitnerLeitner.
Auswirkungen auf den EU-Handel
Seit März 2025 erhebt die US-Regierung (erneut) Zusatzzölle auf zahlreiche Produkte aus der EU. Neben den langjährigen Auseinandersetzungen um Stahl- und Aluminiumimporte, die mit einem Zollsatz von 25 % belegt sind, kommen nun auch Zölle von 25 % auf Fahrzeuge und Fahrzeugteile hinzu.
Zusätzlich wurde die Einführung pauschaler Sonderzölle auf alle Waren aus der EU, der sogenannte ‚reziproke Zoll‘, angekündigt. Diese Maßnahme wurde zwar vorerst für 90 Tage ausgesetzt, bleibt jedoch im Raum und könnte jederzeit aktiviert werden. Ziel der US-Seite ist es, politischen Druck zur Neuverhandlung bestehender Handelsregeln auszuüben.
Mehrstufiges Gegenmodell der EU
Die Europäische Union reagiert auf die US-Maßnahmen mit einem abgestuften Zollpaket – konkret geregelt durch die Durchführungsverordnung (EU) 2025/778 und begleitet von einer temporären Aussetzung (DVO 2025/786) im Sinne eines Verhandlungsspielraums bis 14. Juli 2025.
- Stufe 1 (ursprünglich geplant ab 15. April 2025): Wiedereinsetzung der Zölle aus 2018 auf bestimmte US-Waren mit Zollsätzen von 10 % bis 25 %. Dies betrifft unter anderem Lebensmittel wie Zuckermais, Reis und Orangensaft, Textilien, Glaswaren sowie Motorräder.
- Stufe 2 (ursprünglich geplant ab 16. Mai 2025): Einführung zusätzlicher Zölle von 25 % auf weitere Erzeugnisse aus Eisen, Stahl, Aluminium sowie zusätzliche Waren im Bereich Lebensmittel, Textilien und Kunststoffe.
- Stufe 3 (ab 1. Dezember 2025): Weitere Zölle von 25 % auf zusätzliche Lebensmittel und andere betroffene Produkte.
„Unternehmen müssen sich auf diese neuen Regelungen einstellen. Die Zollsituation wird sich durch die stufenweise Einführung der EU-Gegenmaßnahmen weiter verschärfen, was die Notwendigkeit einer präzisen Planung und Risikobewertung noch dringlicher macht“, erklärt Peter Pichler.
Die Aktualität dieses Themas verdeutlicht auch die Ankündigung vom 8.5.2025, wonach die Europäische Kommission weitere Sonderzölle auf US-Exporte vorbereitet, soweit die Verhandlungen mit den USA nicht zu einer Lösung führen. Demnach steht die Erhebung von Sonderzöllen für Auto- und Flugzeugteile sowie bestimmte Maschinen, Chemikalien und Agrarprodukte aus den USA im Raum.
Zollrechtliche Konsequenzen
Wer die US-Zölle tatsächlich zahlen muss, hängt rein aus zollrechtlicher Sicht davon ab, wer in den USA als zollrechtlicher Importeur fungiert. Den mit den US-Kunden vereinbarten Vertrags- beziehungsweise Lieferbedingungen (idR Incoterms) kommt daher besondere Bedeutung zu.
Davon losgelöst stellt sich die Frage, wer wirtschaftlich die Zusatzzölle trägt beziehungsweise, inwieweit eine Überwälzung im Preis möglich ist.

Warenursprung und US-Zusatzzölle
Besonders sensibel ist auch das Thema Warenursprung. Entscheidend für die Anwendung der US-Zusatzzölle (wie im Übrigen auch der EU-Gegenzölle) ist nicht das Ausfuhrland, sondern das Ursprungsland der Ware, das heißt allgemein wo die Ware zuletzt wesentlich bearbeitet oder verarbeitet wurde.
Diese Unterscheidung kann erhebliche Auswirkungen auf die Zollsätze haben, die auf die exportierten Produkte erhoben werden. Besonders wichtig ist, dass Unternehmen ihre Waren sorgfältig auf ihren Ursprung hin überprüfen, da verschiedene Faktoren, wie etwa die Herkunft von Vorprodukten, die finale Einstufung beeinflussen können.
Beispiel:
Werden Handelswaren, die ursprünglich aus China stammen, in der EU gelagert und sodann weitergeliefert, gelten für diese Produkte bei der Einfuhr in die USA die zollrechtlichen Regelungen für chinesische Waren. Solche Produkte müssen auch entsprechend als solche deklariert werden, um rechtliche Risiken zu vermeiden.
Praktische Maßnahmen zur Beurteilung der Auswirkungen von US-Zusatzzöllen
Um die Auswirkungen der US-Zusatzzölle auf ihre Exporte genau einzuschätzen, sollten Unternehmen verschiedene Schritte setzen.
Zunächst muss die zollrechtliche Einstufung der Waren überprüft werden, insbesondere die Zolltarifnummern und der Warenursprung. Zudem sollten Unternehmen ihre Lieferketten genau unter die Lupe nehmen. Besonders wichtig ist hier, die vereinbarten Lieferbedingungen zu prüfen: Welche Waren werden an welche US-Kund:innen zu welchen Konditionen geliefert? Von welchen Vorlieferanten stammen die Waren und aus welchen Ländern kommen diese?
Auch bestehende Verträge sollten auf mögliche Preisänderungsklauseln hin untersucht werden, um auf künftige Zolländerungen reagieren zu können. Auf dieser Grundlage können Unternehmen potenzielle Belastungen durch die neuen US-Zusatzzölle kalkulieren und die Auswirkungen auf ihr US-Geschäft realistisch einschätzen.
„Es ist von zentraler Bedeutung, dass Unternehmen die vertraglichen Vereinbarungen, den Warenursprung sowie die Zolltarifnummer der gelieferten Produkte genau überprüfen. Bei Unsicherheiten sollten sie ihre Verträge und Lieferketten von Fachleuten prüfen lassen“, rät Peter Pichler.
Ausblick
Die nächsten Wochen sind entscheidend. Es bleibt insbesondere unklar, ob die USA die angekündigten pauschalen („reziproken“) Zusatzzölle vollständig umsetzen werden und ob spezifische US-Zusatzzölle für weitere Produkte eingeführt werden. Darüber hinaus ist noch nicht abzusehen wie die EU auf eine mögliche Zunahme von Lieferströmen aus Drittstaaten wie zum Beispiel China reagieren wird.
„Die hohe Dynamik in diesem Bereich zeigt, wie verletzlich die internationalen Handelsbeziehungen mittlerweile geworden sind. Unternehmen müssen ihre Exportstrukturen dringend auf Resilienz und Flexibilität prüfen“, ergänzt Thomas Bieber, Vorstand am Institut für Finanzrecht der JKU Linz.
„Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass die Lage weiterhin dynamisch bleibt. Daher ist eine strategische und zügige Anpassung an die sich schnell ändernden Zollvorgaben entscheidend, um international wettbewerbsfähig zu bleiben“, resümiert Peter Pichler abschließend.