Aufgrund ihrer Charakteristik als klassisches Wachstumssegment haben europäische Small- und Mid-Cap-Unternehmen überproportional unter den starken Zinserhöhungen seit 2022 gelitten und sind deutlich hinter Large Caps zurückgeblieben. Einer der Gründe für ihre enttäuschende Performance war sicherlich der starke Druck auf die Bewertungen. Darüber hinaus werden solche Unternehmen als jünger und weniger ausgereift als Large Caps wahrgenommen. Sie sind in der Regel höher verschuldet, verfügen über eine niedrigere Liquidität und sind geografisch nicht so diversifiziert.
Obwohl das in der Praxis nicht auf alle SMID-Caps zutrifft, sind sie doch die Ersten, die aufgrund dieser Wahrnehmung in unsicheren Zeiten verkauft werden. Die Präferenz von Large Caps hat sich daher deutlich in den Abflüssen bei SMID-Caps bemerkbar gemacht.
Eva Fornadi, Portfoliomanagerin bei der internationalen Fondsboutique Comgest, sieht die Investoren noch in einer Warteposition und erklärt, warum Qualität besonders bei SMID-Caps der entscheidende Trumpf sein könnte.
Zurückhaltung der Anleger:innen
Auch 2024 hält die „Underperformance“ von SMID-Caps gegenüber Large Caps zunächst an. An den Prognosen für das Wachstum der Unternehmen kann das nicht liegen:
Vor allem Small Caps dürften mit prognostizierten rund 44 Prozent in den kommenden zwei Jahren ein deutlich höheres kumuliertes EPS-Wachstum als Mid Caps (23,4%) oder Large Caps (16,4%) verzeichnen. Gleichzeitig sind die Bewertungen derzeit so attraktiv wie seit fast zwei Jahrzehnten nicht.
Investor:innen bleiben aber skeptisch: Der Blick auf das Kurs-Gewinn-Wachstums-Verhältnis zeigt das hohe Misstrauen in die Gewinnerwartungen für SMID-Caps. Das liegt zum einen sicher am enttäuschenden Gewinnerverlauf in den vergangenen 18 – 24 Monaten – hier haben die SMID-Caps die Erwartungen verfehlt.
Zum anderen führt der hohe operative Hebel bei den kleinen und mittleren Unternehmen dazu, dass eine verlässliche Prognose der weiteren Wachstumserwartungen schwieriger ist als bei Large Caps. Ebenso die hohen Kapitalkosten sind tendenziell eher für SMID-Caps eine Belastung als für große Unternehmen.
Lohnende langfristige Investitionen
Einen entscheidenden Unterschied kann in diesem Umfeld die Qualität der Unternehmen machen. So weisen die Titel in unseren Strategien Comgest Growth Europe Opportunities und Comgest Growth Europe Smaller Companies eine niedrigere Verschuldung auf als der Gesamtmarkt, gleichzeitig liegt die Eigenkapitalrentabilität deutlich höher.
Außerdem leiden längst nicht alle SMID-Caps unter dem konjunkturellen Umfeld. Gute Beispiele sind etwa die VAT Group, der weltweit führende Hersteller von hochwertigen Vakuumventilen für die Halbleiterindustrie, und Kingspan, Anbieter von innovativen und nachhaltigen Dämmungs- und Gebäudehüllenlösungen. Beide Unternehmen sind sehr profitabel und wachsen stark.
Die Aktien von VAT verloren im Zuge des Ausverkaufs am Markt und in Erwartung des Abschwungs am Halbleitermarkt stark an Wert. VAT verzeichnete 2023 einen Auftragsrückgang gegenüber dem historischen Höchststand von 2022 sowie eine Reduktion von Umsatz und EBITDA-Marge. Allerdings wurde die Widerstandsfähigkeit des Geschäftsmodells erfolgreich unter Beweis gestellt – denn trotz des schwierigen Jahres erzielte VAT eine EBITDA-Marge von 30,6 Prozent.
Da wir vom langfristigen Wachstumspotenzial überzeugt sind, nutzten wir die Kursschwäche Anfang 2023, um die Position aufzustocken. Seither haben sich die Aktien deutlich erholt, da sich der Rückschlag des Halbleitermarktes als vorübergehend herausgestellt hat.
Erwartungen und Trends
Wie VAT zeigt Kingspan, wie man die Strömungen des breiten SMID-Marktes hinter sich lässt und die Wachstumserwartungen übererfüllt:
Das Unternehmen ist der weltweit führende Anbieter von innovativen und nachhaltigen Dämmungs- und Gebäudehüllenlösungen – kombiniert mit Systemen zur Wassergewinnung. Als Innovator zeigt sich Kingspan dem in Europa schwierigen Baumarkt gewachsen und belegt dies durch ein starkes EPS-Wachstums im Jahr 2023. Für 2024 gilt die Prognose, dass das Management die Gewinnmargen halten dürfte.
Fazit
Die relativen Bewertungen europäischer SMID-Caps im Vergleich zu Large Caps sind derzeit so attraktiv wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr. Trotzdem ist die breite Masse der Investoren noch zurückhaltend. Man misstraut dem sehr dynamischen erwarteten Gewinnwachstum.
Wachstumsunternehmen zeichnen sich durch klare Qualitätsmerkmale, wie eine starke Bilanz mit einem hohen freien Cashflow, ein sichtbares Gewinnwachstum und eine außergewöhnliche Innovationskultur, aus und sind daher weniger konjunkturabhängig als zyklische Titel. Ihre starke Innenfinanzierungskraft macht die Wachstumsfinanzierung weitestgehend unabhängig vom Kapitalmarkt. Die langfristige Attraktivität von europäischen SMID-Cap-Aktien steht aufgrund des bekannten „Small Size Effekts“ – die Vorstellung, dass kleine Aktienwerte tendenziell über die Jahre besser abschneiden als große – außer Frage.
In Anbetracht dieser Entwicklungen sind wir fest davon überzeugt, dass die gegenwärtige Schwäche vieler Aktien im SMID-Cap-Sektor zukünftige Chancen bietet – vorausgesetzt, die Unternehmen verfügen über die erforderlichen Qualitäten und das entsprechende Wachstumspotential.