Die Rahmenbedingungen waren im Vorjahr und kurz danach rund um den Globus bestimmt nicht die einfachsten, was die Stichworte „Brexit“ und „immer stärker werdende Regulierung“ oder auch das Coronavirus verdeutlichen. Entsprechend schwer taten sich auch die renommiertesten europäischen „Kollegen“ wie Deutsche Börse, Londoner Börse oder Euronext.
Umso bemerkenswerter ist vor diesem Hintergrund, dass die Wiener Börse bei den Aktienumsätzen 2019 mit mehr als 60 Mrd. € den Rückgang in Grenzen halten und dank Wachstum bei IT-Services, Marktdaten und Anleihen-Listing-Geschäft sogar gut kompensieren konnte. Die Börsenumsätze liegen in Wien stabil am 5-Jahres-Durchschnitt, der österreichische Leitindex ATX verzeichnete sogar einen zweistelligen Zuwachs.
Bei den Börsengängen kann 2019 sogar als starkes Jahr bezeichnet werden. Immerhin debütierten drei Unternehmen im Top-Segment prime market: Marinomed Biotech (1.02.2019), Frequentis (14.05.2019) und Addiko Bank (12.07.2019). RHI Magnesita notiert seit März 2019 wieder im standard market. „Das Geniale an einem Börsengang ist, dass er gleichzeitig für Finanzierung, enorme Sichtbarkeit und Sicherstellung einer nachhaltig professionellen Unternehmensorganisation sorgt. Unternehmen können so auch ihre Nachfolge regeln“, sagt der CEO der Wiener Börse, Christoph Boschan. „Wir als Börsenunternehmen selbst konnten die geringeren Handelseinnahmen gut durch Wachstum in anderen Geschäftsbereichen ausgleichen, sodass wir die Jahresplanung exakt erreicht haben.“
Mit einem Kursanstieg von +63% seit Jahresbeginn war 2019 Warimpex Finanz- und Beteiligungs AG der größte Kursgewinner im prime market, gefolgt von S Immo AG (+53,4), Wienerberger AG (+49), Neuzugang Marinomed Biotech AG (+38,7) und UBM Development AG (+37,1%). Die umsatzstärksten österreichischen Aktien 2019 waren Erste Group Bank AG mit 11,63 Mrd. € vor OMV AG mit 7,93 Mrd. und voestalpine AG mit 7,01 Mrd. €. Auf Platz vier und fünf folgten Raiffeisen Bank International AG (5,21 Mrd.) und Andritz AG (4,57 Mrd. €). Die Marktkapitalisierung der an der Wiener Börse notierten Unternehmen lag per Dezember 2019 bei 118,32 Mrd. €.
Die Wiener Börse will ihre strategischen Initiativen heuer konsequent weiterverfolgen. „Für Wachstum und Beschäftigung sollte die Regierung rasch dort anknüpfen, wo die Arbeit leider viel zu lange unterbrochen werden musste: Konsequente Körperschafts- und Kapitalertragssteuerreform sowie wirtschaftliche Bildung für jedermann“, fordert Boschan. „Wir brauchen mehr Inklusion, nicht nur eine kleine Finanzelite, sondern alle Österreicher sollten befähigt werden, am Unternehmenserfolg teilzuhaben. Seitens der Börse werden wir alles dazu beitragen, den heimischen Finanzmarkt weiterhin zuverlässig mit bester Infrastruktur zu versorgen.“
30 Neuzugänge im „global market“
Ende Oktober 2019 wurde das beachtliche Angebot im global market der Wiener Börse noch einmal erweitert. Zu den bisher schon 250 US-Titeln kamen noch einmal 30 hinzu, darunter Wertpapiere des weltweit tätigen Finanzdienstleisters „Bank of New York Mellon“, „Fidelity National Information Service“ (Software und Abwicklung finanzieller Transaktionen), der größten Hotelketten weltweit, „Hilton Worldwide Holdings“, der Ratingagentur „Moody’s“ und einem der größten Einzelhändler der USA, „Target“. Im global market sind damit bereits mehr als 680 Wertpapiere aus 26 Ländern handelbar.
„Ein weiter Veranlagungshorizont ist enorm wichtig, sowohl zeitlich als auch inhaltlich“, erläutert Boschan. „Nach dem Motto „buy local – invest global“ bietet das Segment global market an der Heimatbörse zu Inlandskonditionen Zugang zu international gefragten Wertpapieren. Diesen Kurs werden wir beibehalten und unser Angebot kontinuierlich verbreitern.“
Leading Know-how
Als einzige Wertpapierbörse des Landes betreibt die Wiener Börse auch den zentralen Marktdatenfeed für Zentral- und Osteuropa (CEE) und hat sich in der Berechnung von Indizes auf die Region etabliert. Sie kooperiert im Verbund mit ihrer Holding-Mutter CEESEG mit über zehn Börsen in CEE und wird für dieses einzigartige Know-how weltweit geschätzt.
Mit einem umfangreichen Upgrade des Handelssystems hat sie im Vorjahr einen weiteren Meilenstein in ihrer IT-Strategie erreicht: Der Umstellungsprozess auf das neue „T7“-Handels-System wurde im Juli 2017 mit der Migration des Aktienhandels gestartet, 2019 kamen Anleihen, Optionsscheine und Zertifikate hinzu. Im Dezember wurden abschließend die Wertpapiere und Marktmodelle der Partnerbörsen Budapest, Laibach, Prag und Zagreb in die neue Technologie-Welt übertragen. Für diese Börsen ist die Wiener Börse als technischer Systembetreiber und IT-Dienstleister tätig und gewährleistet die Versorgung mit neuesten Informationstechnologien und Services wie z.B. real-time Indexberechnung und Verteilung der Börsedaten. Neben der Abdeckung neuester regulatorischer Anforderungen wie MiFID II bringt die modernste Systemgeneration u.a. einen massiv verbesserten Transaktionsdurchsatz und die Unterstützung von neuen Ordertypen sowie 24/7-Verfügbarkeit in der Cloud.
Top-aktuell
Am 23.3. werden an der Wiener Börse einige Änderungen wirksam. Der weltweit größte Produzent von gestrichenem Recyclingkarton, Mayr-Melnhof Karton AG, ersetzt dann den oberösterreichischen Flugzeugkomponentenhersteller FACC AG im Leitindex ATX. Mayr-Melnhof AG überholte die FACC AG bei der Höhe der Streubesitzkapitalisierung. Zuletzt waren die Aktien des Kartonherstellers zwischen 1994 und 2014 fast durchgängig im Leitindex vertreten. Im ATX five, der die fünf größten börsennotierten Unternehmen zusammenfasst, ersetzt die Bawag Group AG die voestalpine AG.
Die fünf größten Unternehmen an der Wiener Börse sind damit Erste Group Bank AG, OMV AG, Verbund AG, Raiffeisen Bank International AG und, erstmals, Bawag Group AG.
Nach einem Aktienrückkauf mit darauffolgender Einziehung der Aktien erhöht sich der Streubesitzfaktor der Bawag Group AG von 0,7 auf 0,8. Der Streubesitzfaktor von Marinomed Biotech AG steigt von 0,5 auf 0,6, nachdem ein Hauptaktionär im Jänner Anteile veräußerte. Der Streubesitzfaktor der S Immo AG sinkt von 0,7 auf 0,6 – die Investoren Pecik und Ketterer haben ihre Anteile im Rahmen einer Kapitalerhöhung der S Immo AG im Jänner erhöht. (Der Streubesitzfaktor drückt aus, wie viele Aktien eines Unternehmens im Publikum gestreut sind und beeinflusst, wie stark eine Aktie im Index gewichtet ist.) fffffffff
So kann man von der Wiener Börse profitieren
Aktuelle Erhebungen der Österreichischen Nationalbank (OeNB) zeigen, dass mit rund 300 Mrd. (!) € ein großer Teil (40%) des österreichischen Privatvermögens als Bankeinlage oder Bargeld nahezu zinslos geparkt ist; die heimische Bevölkerung nimmt damit einen großen Kaufkraftverlust hin. Im Gegensatz dazu stehen bei Aktieninvestments Aussichten auf schöne Renditen: Seit seinem Bestehen wirft der Leitindex ATX knapp 6,4% jährlich ab. Hohe Dividendenausschüttungen bringen dabei Ertrag und Stabilität ins Depot.
Boschan: „Auf der Reise vom Sparer zum Investor müssen Anleger vier Wegweiser konsequent beachten: 1) An das langfristige Ziel denken; 2) Nicht alles auf einmal investieren, sondern schrittweise ein- und aussteigen; 3) Risiko streuen, indem man nicht alles auf ein Pferd setzt; 4) Nur kaufen, was man versteht, oder sich erklären lassen kann. Also nicht auf ‚den heißen Tipp‘ warten.“
Einen entscheidenden Beitrag zur Performance leistet die Dividende. Inklusive Dividenden liefert der heimische Leitindex seit seinem Bestehen eine Performance von +487,04% (ATX Total Return), ohne Dividenden sind es +201,06% (ATX). Noch nie (!) haben ATX-Unternehmen mehr Gewinne in Form von Dividenden ausgeschüttet als 2019. Ihre Eigentümer profitieren von insgesamt 3,2 Mrd. € für das vergangene Geschäftsjahr. Alle 20 Unternehmen des Leitindex zahlten in den beiden Vorjahren eine Dividende aus und mit einer Dividendenrendite von 3,8% rangiert der österreichische Markt im absoluten Spitzenfeld in Europa.
Bei einem Anlagehorizont von Jahrzehnten entfaltet sich die exponentielle Kraft des Zinseszinses. „Wer an technischen Fortschritt und die Weiterentwicklung der Menschheit glaubt, der sollte sich nicht nur als Konsument am Wirtschaftsleben beteiligen, sondern auch als Investor“, appelliert Christoph Boschan an die Einstellung der Menschen gegenüber Aktien. „Mit einer monatlichen Sparrate von 100 Euro könnten unter Annahme der historischen Rendite im österreichischen Leitindex über ein Arbeitsleben von 50 Jahren hinweg aus 60.000 rund 440.000 Euro werden.“
Erspartes verwenden, nicht verschwenden
Das Eigentum an österreichischen Unternehmen in Form von Aktien wird aktuell mit 27,5% besteuert, Spareinlagen mit 25%. Wird Gold länger als ein Jahr gehalten und dabei Gewinn erzielt, ist dieser steuerfrei. Die Wiener Börse setzt sich daher für die Gleichbehandlung von Kapitalerträgen ein, allen voran für die Wiedereinführung der Befreiung von der Wertpapier-Kapitalertragssteuer bei einer Behaltefrist von über einem Jahr. Dabei werden langfristige Aktien-Investments gefördert. „Das bestärkt die ruhigen Hände am Markt und belohnt eine langfristige Orientierung“, sagt Boschan. „Es muss klar zwischen kurzfristiger Spekulation und langfristiger Investition in die heimische Realwirtschaft unterschieden werden.“
Und wie geht’s weiter?
Wie schnell Stimmungen an den Börsen drehen können, zeigen die vergangenen Tage und Wochen. Noch im Februar herrschte an den Märkten in Bezug auf den Ausbruch des Coronavirus (Covid-19) Gelassenheit: In den USA markierten Dow Jones und Nasdaq einen Rekord nach dem anderen. Auch der 50 führende Unternehmen der Euro-Zone umfassende Euro Stoxx 50 markierte noch am 20. Februar bei 3.867,26 Punkten ein Mehrjahreshoch. Doch dann kam es zu panikartigen Verkäufen, die am Montag, 9. März, einen Höhepunkt oder besser formuliert eigentlich einen Tiefpunkt erreichten: Der Euro Stoxx 50 sackte um rund 8,3 Prozent ab, ebenso der FTSE 100 der Börse London, der DAX in Frankfurt um 7,88 Prozent. Schwer getroffen wurde auch der italienische Leitindex FTSE MIB, der mit großen Abschlägen von 9,84 Prozent notierte – und last but not least verzeichnete auch der ATX der Wiener Börse ein Minus von 8,7 Prozent.
In Europa sprachen die Händler von einem schwarzen Montag –Anleger befürchten schwere Auswirkungen der Virusepidemie auf das Wirtschaftswachstum. Nun sind Ängste und Panik nachvollziehbar, aber TOP LEADER möchte doch auch in diesen schweren Zeiten Börse-CEO Christoph Boschan zu Wort kommen lassen: „Es ist ein großer Fehler, sich aufgrund kurzfristiger, wenn auch gravierender, Schwankungen von Aktien abzuwenden. Denn mit der richtigen Strategie, nämlich Investition statt Spekulation, ist das Risiko viel geringer als medial dargestellt. Phasen von Rückgängen an Aktienmärkten sind seltener und kürzer als Phasen des Anstiegs. Kapitalmärkte reflektieren das Wirtschaftswachstum langfristig naturgesetzmäßig. Einfache Anlagegrundsätze minimieren die Schwankungen stark und befreien die Anleger von der Not, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen und die richtige Aktienwahl zu treffen.“ Übrigens haben die jüngsten Ereignisse sogar zumindest eine positive Seite: Die Kurseinbrüche führten bei vielen Basiswerten zu einem deutlichen Anstieg der impliziten Volatilität. Dies wiederum schlägt sich in günstigeren Preisen bei vielen Zertifikaten nieder – etwa bei Discountern, Aktienanleihen und Bonus-Zertifikaten.