Wie im ewigen Kreislauf der Jahreszeiten, bei dem auf den Sommer der Herbst und dann der Winter folgt, so ist dies im Wirtschaftszyklus vom Prinzip her gleich, in der Ausprägung gibt es aber enorme Unterschiede. Zweifellos ist die Wirtschaft derzeit in einer „herbstlichen“ Phase, aber noch ist gänzlich unklar, ob darauf der wirtschaftliche Winter folgen wird, oder dieser übersprungen und eine tiefe Rezession vermieden wird, schreiben die Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking.
Bleibt der „Winter“ im Wirtschaftszyklus aus, können die Notenbanken, die den „Herbst“ im Wirtschaftszyklus mit Zinserhöhungen und Liquiditätsverknappung bewusst zur Geldwertstabilisierung und damit gegen die überhandnehmende Inflation herbeigeführt haben, mit Recht von einem „Soft-Landing“ sprechen.
Wird die Zins- und Liquiditätskeule aber zu stark und zu lange geschwungen, so ist ein „Hard-Landing“ der Wirtschaft unvermeidlich und die Folgeerscheinungen würden zwar nicht lange, aber signifikant spürbar. Beide bildlichen Landebahnen liegen knapp nebeneinander. Beide Landebahnen haben ihre Orientierungslichter eingeschaltet. Für welche Landebahn wird die Wirtschaft sich entscheiden?
Zinsenhöchststand erreicht?
Durch die jahrelange Nullzins-Politik erlebte die Wirtschaft prosperierende Jahre, während derer die Inflation lange kein Thema war. Dies änderte sich schlagartig, als ein Angebotsschock im Zuge der Corona-Pandemie die Preise rasch ansteigen ließ. Steigende Energiepreise im Zuge der Ukrainekrise verschafften diesem Preisauftrieb zusätzliche Nahrung.
Das Ergebnis war eine Preissteigerungsrate, deren Höhe kurzzeitig sogar zweistellig ausfiel. Die Notenbanken reagierten darauf klassisch mit Zinsanhebungen. Die Schnelligkeit und die Wucht dieser Zinsanhebungen war und ist in der jüngeren Vergangenheit beispiellos. In Europa hat die Europäische Zentralbank EZB bei ihrer turnusmäßigen Sitzung in der letzten Woche zwar keine weiteren Zinsschritte gesetzt, doch ein Leitzinssatz der Europäischen Zentralbank von 4,5% und in den USA von sogar 5,5% war vor wenigen Jahren kaum vorstellbar.
US-Renditen steigen
Auch die US- Notenbank Federal Reserve FED, die im Sommer noch von einer „datenbasierten“ Notenbankpolitik sprach und somit auf Sicht fahren wollte, hat vor zwei Tagen die Leitzinsen auf dem aktuellen Niveau belassen und in den letzten Tagen auffällig oft indirekt angedeutet, dass sie heuer wahrscheinlich keine Erhöhung der Leitzinsen mehr durchführen wird. Die US-Zinsen haben an den Finanzmärkten nämlich zuletzt entgegen der Marktmeinung nochmals zugelegt und somit der Notenbank einiges an „Arbeit“ abgenommen. Dafür gibt es mehrere Gründe:
- Erstens die unglaubliche Resilienz der US-Konjunktur – mit bereits wieder leicht ansteigenden Wachstumsprognosen und quasi weiterhin Vollbeschäftigung.
- Zweitens die Zurückhaltung historisch stark engagierter Gläubiger, wie etwa China, das sich aufgrund der politischen Spannungen von US-Anleihen signifikant fernhält, was auf die Anleihekurse drückt und die Anleiherenditen beflügelt.
- Drittens steigt nicht zuletzt aufgrund des höheren Schuldendienstes auch das Budgetdefizit der USA rasch an.
Balanceakt der Notenbanken
Das Motto der FED „Higher for Longer“, also für längere Zeit höhere Zinsen beizubehalten, wird nun augenscheinlich von den Investor:innen als immer realistischeres Basisszenario für den US-Anleihenmarkt angenommen. Auch das hat den Zinsen im längerfristigen Bereich nochmals Rückenwind gegeben und die Renditen erhöht. Eine ähnliche Entwicklung ist auch in Europa zu sehen, allerdings auf niedrigerem Zinsniveau und in schwächer ausgeprägter Form.
Die FED geht für die US-Wirtschaft in ihrem Basisszenario nach wie vor von einem Soft-Landing aus und begründet dies mit bereits rückläufigen Inflationsraten und weiter stabilen Konjunkturaussichten. Auch die EZB ist auf einem guten Weg, die gewollten Bremskeile für die Wirtschaft richtig einzusetzen. Auch hier ist ein Soft-Landing aktuell das wahrscheinlichste Szenario.
Damit hätten die Notenbanken einen ausgezeichneten Job gemacht und die Balance zwischen einem Bremsmanöver, aber nicht einem Abwürgen des Konjunkturmotors optimal gefunden. Die Schwierigkeit liegt für die Notenbank stets darin, dass die Wirkung der Keile eine Verzögerungswirkung von rund 12 bis 18 Monaten hat und die Notenbanken somit die Entwicklungen am Markt bestmöglich antizipieren müssen.
„Soft-Landing“ oder „Hard-Landing“?
Das Soft-Landing ist deutlich näher als die Hard-Landing-Landebahn. Trotzdem hat dieses Abbremsen die unangenehme Eigenschaft, dass die Bremsung nicht linear erfolgt, sondern die Wirkung auch recht abrupt eintreten kann. Dies kann vor allem dann erfolgen, wenn sich bei Wirtschaftsakteuren angesichts länger anhaltender hoher Zinsen, die eine oder andere Schieflage ergibt.
Ein erstes Beispiel zeigte sich bereits heuer im März in den USA, wo Regionalbanken aufgrund stiller Verluste in Anleiheportfolios und Umschichtungen in den Geldmarkt plötzlich Liquiditätsprobleme bekamen, die die US-Notenbank aber sehr rasch mit einem entschlossenen Einschreiten beendete.
Es gibt aktuell noch mehrere solcher wunder Punkte in der Weltwirtschaft, die genau beobachtet werden müssen. So hat sich die Immobilienkrise in China nach wie vor nicht beruhigt, und auch die Hypothekenzinsen in den USA sind bereits deutlich auf mehr als 7% geklettert, was die Bautätigkeit von Neubauten nachhaltig beeinflusst. Der Ukraine-Krieg, aber auch neu die kriegsähnlichen Zustände im Nahen Osten können die Energiepreise noch nachhaltig beeinflussen und die Inflationsgefahren damit wieder neu anheizen.
Comeback der Anleihen
Für die zukünftige Veranlagung bedeuten die hohen Zinsen, dass Anleihefonds, aber vor allem auch Mischfonds wieder eine deutlich breitere Renditebasis aufweisen. War bei Mischfonds in den letzten Jahren der Aktienanteil der überwiegende oder sogar einzige Renditetreiber, da die Verzinsung der Anleihen sehr gering war, so stellt der Anleiheanteil in solchen Portfolios nun bereits eine sehr attraktive Renditekomponente dar, wodurch die Erwartungshaltung für die Zukunft durchaus positiv gesehen werden kann.
Auch der weltweite Aktienmarkt zeigt seit Herbst letzten Jahres mit Ausnahme von China eine kontinuierliche Aufwärtstendenz. Obwohl die beschriebenen Restrisiken noch bleiben und der Trend in der letzten Zeit aufgrund der Zinserwartungen und Inflationserwartungen eher seitwärtsgerichtet war, so werden sich die Märkte schlussendlich bald auf die Zeit nach dem „Herbst“ einstellen: Auf einen warmen und ertragreichen Frühling, der den Winter – sofern er überhaupt erkennbar wird – hoffentlich rasch vergessen lassen wird.