Indien als Supermacht Asiens – wie das Land bis 2031 seine Wirtschaft aufbauen will

Laut einer Studie von Morgan Stanley wird die indische Wirtschaft bis 2031 die drittgrößte Kraft der Welt werden.
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Indien als Supermacht Asiens – wie das Land bis 2031 seine Wirtschaft aufbauen will
Avinash Vazirani, Investment Manager, Indian Equities, bei Jupiter Asset Management.

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Avinash Vazirani, Investment Manager, Indian Equities, und Colin Croft, Investment Manager, Global Emerging Market Equities, bei Jupiter Asset Management, sind der Meinung, dass Indiens schnell wachsende Wirtschaft inmitten der düsteren Aussichten für die Weltwirtschaft einen Silberstreif am Horizont darstellen könnte.

Laut einem kürzlich von Morgan Stanley veröffentlichten Bericht wird die indische Wirtschaft bis 2031 mit einer jährlichen Wirtschaftsleistung von 7,5 Billionen US-Dollar die drittgrößte der Welt werden. Das Dokument, das sowohl bei Investoren als auch in den Medien viel Aufmerksamkeit erregt hat, listet viele Faktoren auf, die die Wirtschaft des Landes stärken könnten. Dazu gehören die Schaffung einer digitalen Infrastruktur von Weltrang sowie politische Initiativen, die sich auf die Fertigung und die Energiewende konzentrieren aber auch eine starke Verbrauchernachfrage sowie Offshoring-Fähigkeiten.

Indien wird auch in diesem Jahr zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften gehören, so die Weltbank in ihrem jüngsten Bericht mit dem Titel “Global Economic Prospects” („Globale Wirtschaftsaussichten“). Auch wenn der Rest der Welt mit sehr restriktiven finanziellen Bedingungen und einer anhaltenden Inflation zu kämpfen hat, wird für die größte Volkswirtschaft Südasiens im Jahr 2023 ein Wachstum von 6,3 % erwartet, angetrieben durch das Wachstum des privaten Konsums und der Investitionen sowie einen robusten Dienstleistungssektor.

Aussichtsreiche Prognosen

Die Weltbank prognostiziert, dass die Wirtschaft im nächsten Jahr um 6,4 % und im Jahr 2025 um 6,5 % wachsen wird, verglichen mit einem durchschnittlichen Wachstum von 5,5 % in den letzten zehn Jahren. Im Mai erreichte der Einkaufsmanagerindex für Dienstleistungen in Indien den höchsten Stand seit mehr als einem Jahrzehnt. Dieser wird durch ein starkes Wachstum des Neugeschäfts sowohl von inländischen als auch von internationalen Kunden gestützt. Während die Industrieländer hart mit der Eindämmung der Inflation zu kämpfen haben, ist die indische Verbraucherpreisinflation in den Toleranzbereich der Zentralbank von 2 % bis 6 % zurückgekehrt.

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Colin Croft, Investment Manager, Global Emerging Market Equities, bei Jupiter Asset Management.

Die Covid-Jahre und die daraus resultierende Unterbrechung der Lieferketten aufgrund der strengen Politik Chinas sensibilisierten die Welt für die Tücken, wenn man sich zu sehr auf ein Land verlässt. Die zunehmenden Spannungen zwischen den USA und China bedeuten auch, dass Unternehmen zunehmend versuchen, sich von Indiens größerem Nachbarn zu distanzieren. Bei der „China-Plus-One-Strategie“, wo Betriebe eine Produktionsstätte in einem anderen Land als China aufbauen wollen, erhält allmählich viel Aufmerksamkeit von Investoren.

Wir sehen bereits Anzeichen für wachsende Investitionen in Indien. Die jährlichen ausländischen Direktinvestitionen sind von 3,6 Milliarden US-Dollar vor einem Jahrzehnt auf 46 Milliarden US-Dollar im letzten Geschäftsjahr gestiegen. Foxconn, der weltweit größte Auftragsfertiger und ein wichtiger Zulieferer für Apple, plant, rund 1,5 Milliarden US-Dollar in Indien zu investieren. Pegatron, ein weiterer taiwanesischer Zulieferer von Apple, hat bereits 150 Millionen US-Dollar in die Fertigung in Indien investiert und befindet sich in Gesprächen über die Eröffnung eines weiteren Werks. Nach einem Treffen mit Premierminister Narendra Modi während seines Staatsbesuchs in den USA sagte Tesla-CEO Elon Musk, der Elektroautohersteller werde „so schnell wie menschenmöglich“ in Indien aktiv sein.

Fertigung, Straßen, Fluggesellschaften

Während Indiens Stellung als Offshoring-Zentrum bekannt ist, gibt das 26 Milliarden US-Dollar schwere „Production Linked Incentive“-Programm der Regierung dem verarbeitenden Gewerbe Auftrieb. Das Programm, das 14 Sektoren abdeckt, darunter Arzneimittel und Pharmazeutika, Lebensmittelindustrie und medizinische Geräte sowie Elektronik und Kommunikation, trägt dazu bei, ausländische Direktinvestitionen anzuziehen. Diese Regierungspolitik hilft Indien, in der Wertschöpfungskette aufzusteigen und Produkte mit höherer Wertschöpfung anstelle traditioneller Rohstoffe zu exportieren.

Die Grundlage für das Wachstum im verarbeitenden Gewerbe ist eine landesweite Waren- und Dienstleistungssteuer, die vor mehr als fünf Jahren eingeführt wurde, um ein komplexes Netz staatlicher und lokaler Steuern zu ersetzen. Es wird erwartet, dass die Senkung des effektiven Körperschaftsteuersatzes von 34,9% vor vier Jahren auf 25,2% Wachstum und Gewinn ankurbeln wird. Ein spezieller niedrigerer Satz von 17 % wurde auch für neue Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes angekündigt. Auch beim Bau von Straßen gibt es rasche Fortschritte, die durch Zufallsgewinnsteuern unterstützt werden. Die Regierung baut durchschnittlich etwa 24 Kilometer Straße pro Tag und strebt an, das Tempo bis 2024 auf 34 Kilometer zu erhöhen, mit dem Ziel, im nächsten Jahr 12.500 Kilometer zu absolvieren.

© PantherMedia / Kagenmi
Indien als Supermacht Asiens – wie das Land bis 2031 seine Wirtschaft aufbauen will

Der Optimismus in Bezug auf die Aussichten Indiens ist keine Zukunftsmusik und wird von der robusten Verbrauchernachfrage einer wachsenden Mittelschicht und einer Bevölkerung mit einem hohen Anteil junger Menschen angetrieben. Massive Flugzeugbestellungen indischer Fluggesellschaften sind ein typisches Beispiel dafür. IndiGo hat kürzlich eine Bestellung von 500 Schmalrumpfflugzeugen bei Airbus aufgegeben, die größte in der Geschichte des Flugzeugherstellers. Diese Nachricht kam kurz nach der Ankündigung von Bestellungen von 470 Boeing- und Airbus-Jets durch Air India.

„Digital Revolution“

Die Zahlen sind noch überwältigender, wenn man sich die Transaktionen ansieht, die jeden Tag über das United Payment Interface (UPI) generiert werden, ein nahtloses Zahlungssystem, das Banken, Händler und Verbraucher über mobile Geräte verbindet. Das UPI ist Teil eines einzigartigen Modells für die Digitalisierung der Wirtschaft, das dem öffentlichen Versorgungsunternehmens IndiaStack zuzurechnen ist.

Laut dem Bericht von Morgan Stanley wickelt Indien heute mehr Echtzeitzahlungen zwischen Unternehmen ab als jedes andere Land und somit über 40 % dieser Zahlungen weltweit. Die Zahl der Transaktionen erreichte im Mai 2023 9,4 Milliarden und damit fast das Vierfache des Volumens von vor zwei Jahren. Die Boston Consulting Group prognostizierte in einem Bericht, dass sich der indische Markt für digitale Zahlungen bis 2027 auf 10 Billionen US-Dollar mehr als verdreifachen wird.

Open Network for Digital Commerce (ONDC) ist eine weitere Plattform, die Teil von IndiaStack ist und den E-Commerce fördern soll, wobei sich sogar Amazon verpflichtet hat, dem Netzwerk beizutreten. Wir glauben, dass die Regierung durch diese Initiative den digitalen Handel demokratisiert, indem sie Barrieren abbaut und Alternativen zu Rent-Seeking-Plattformen (Rent Seeking [politische Rente] bezeichnet das Streben wirtschaftlicher Akteure, mithilfe politisch erwirkter Privilegien bessere Chancen für die Erzielung von Einkommen zu schaffen – Anm. d. Red.) schafft.

Politische Unsicherheit und Klimawandel

Natürlich könnte es auch Gegenwind für die „Indien-Story“ geben. Eine angespannte Pattsituation mit China über einen lang andauernden Grenzstreit könnte eskalieren und die Regierung dazu zwingen, Ressourcen umzuleiten, um die Verteidigung des Landes zu stärken. Hohe Ölpreise aufgrund eines unsicheren geopolitischen Umfelds könnten auch das Wachstum Indiens beeinträchtigen. Die Volkswirtschaft ist für etwa 80 % ihres Energiebedarfs auf Importe angewiesen.

© PantherMedia / Janusz Pieńkowski
Indien als Supermacht Asiens – wie das Land bis 2031 seine Wirtschaft aufbauen will

Indien hat sich in den letzten zehn Jahren aufgrund der Mehrheit von Modis Partei „Bharatiya Janata Party“ politischer Stabilität erfreut. Das könnte sich ändern, wenn die Parlamentswahlen im nächsten Jahr eine Koalitionsregierung hervorbringen, was das Tempo der Entscheidungsfindung verlangsamen könnte. Es ist jedoch wichtig, sich daran zu erinnern, dass Reformen, die 1991 begannen, nicht ins Stocken gerieten, selbst als die politische Szene in den 1990er und 2000er Jahren von einer Koalitionsregierung dominiert wurde.

Sich schnell ändernde Wettermuster könnten eine weitere Herausforderung darstellen und sich auf den indischen Agrarsektor auswirken. Mehr als 50 % der indischen Bevölkerung sind von der Landwirtschaft abhängig, obwohl sie nur ein Sechstel zur Gesamtproduktion beiträgt. Geringere Ernteerträge können die ländliche Nachfrage dämpfen und das Wachstum verlangsamen.

Fazit

Dennoch glauben wir, dass die Aussichten für Indien viel besser sind als je zuvor. Die Kraft des Zinseszinseffekts auf hoher Basis bedeutet, dass Indien laut Morgan Stanley eine von nur drei Volkswirtschaften der Welt sein wird, die ab 2023 ein jährliches Wirtschaftswachstum von mehr als 400 Milliarden US-Dollar erzielen können.

Eine Kombination aus Investitionen der Regierung und des Privatsektors, einer günstigen demografischen Entwicklung, Initiativen zur Förderung der physischen und digitalen Infrastruktur, einer starken Verbrauchernachfrage und der Notwendigkeit, sich von China zu „distanzieren“, bieten in den kommenden Jahren starken Rückenwind für die indische Wirtschaft. Wir sind sehr optimistisch, was die Aussichten für Indien angeht.

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