Handelskrieg ante portas – riskanter Zweikampf der geopolitischen Mächte

China rüstet sich gegen US-Zölle – schwerer Schaden für beide Volkswirtschaften möglich.
© Margit Kundigraber / Steiermärkische Sparkasse
Handelskrieg ante portas – riskanter Zweikampf der geopolitischen Mächte
Karl Freidl, Leiter Private Banking Graz, Steiermärkische Sparkasse.

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Der von US-Präsident Donald Trump angezettelte globale Handelskrieg zeigt bereits auf vielen Ebenen konkrete Auswirkungen. Die Finanzmärkte bleiben nach Wochen der starken Kursverluste volatil und im Modus der Unsicherheit. Letzter Höhepunkt sind die von den Märkten mit Argwohn beobachteten Angriffe Donald Trumps auf den Chef der US-Notenbank Jerome Powell, den er selbst 2018 ins Amt berief.

„Trump will Powell zu Zinssenkungen drängen, um der US-Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Powell hingegen sieht weiterhin die Gefahr, die Inflation mit Zinsschritten nach unten nicht genügend unter Kontrolle zu haben“, erörtern Karl Freidl und Alexander Eberan, Leiter Private Banking Graz sowie Wien, von der Steiermärkischen Sparkasse.

Korrigierte Gewinnschätzungen

Indes haben zu Beginn der Berichtssaison für das erste Quartal 2025 die Aktienanalysten ihre Gewinnschätzungen für das nächste Jahr nach unten korrigiert. Die Herabstufungen waren in den USA am stärksten ausgeprägt, haben sich aber kürzlich auch in Europa beschleunigt, wie die größte US-Bank J.P. Morgan berichtet. Deren Vorsitzender Jamie Dimon, der als bedeutender Vordenker und Stratege gilt, hat sich übrigens nach anfänglicher Unterstützung für Donald Trump, in den letzten Wochen, zu seinem nunmehr prominentesten Kritiker entwickelt.

Höhere Zölle können die Gewinne belasten, wenn die Unternehmen die höheren Importpreise teilweise in ihren Gewinnspannen auffangen müssen oder wenn die schwächere Verbrauchernachfrage aufgrund höherer Preise das Umsatzwachstum einschränkt. Aufgrund der ständigen Änderungen in der US-Zollpolitik und der Reaktionen anderer Regionen ist das Ausmaß dieser Auswirkungen schwer abzuschätzen. Daher sind die Unternehmen zurückhaltend, wenn es darum geht, in dieser Gewinnsaison detaillierte Prognosen abzugeben.

Handelskrieg der Giganten

Während die EU noch das „Zoll-Moratorium“ von 90 Tagen für Verhandlungen nützt und sich hoffnungsvoll für eine tragbare Lösung gibt, rüstet sich insbesondere China gegen die Nachteile durch die angekündigten und teils schon umgesetzten Zollerhöhungen. Der sich zuspitzende Handelskrieg zwischen den wichtigsten geopolitischen Mächten der Welt droht beiden Volkswirtschaften schweren Schaden zuzufügen und weltweit Schockwellen auszulösen.

US-Verbraucher bekamen durch Importe aus China einen billigen Zugang zu Kleidung, Schuhen, Elektronik wie iPhones und anderen Konsumgütern, was die Lebensqualität der Mittelschicht erhöht hat. China hat den US-Handel genutzt, um die Produktionen auszuweiten und dutzende Millionen seiner Menschen aus der Armut zu befreien.

In den Vereinigten Staaten bestand die Kehrseite dieses Arrangements darin, dass billige Waren aus China die US-Industrie überschwemmt haben, von der Stahlerzeugung im Rust Belt bis zur Möbelherstellung in North Carolina. Chinakritiker in Washington argumentieren nun, dass die USA ihren „Feind“ erst zur Supermacht aufgebaut haben, indem sie ihre Sucht nach billigen Konsumgütern befriedigt haben.

Wirtschaftliche Entkopplung?

Sollten Donald Trumps umfassende Zollpläne in der aktuell angekündigten Form umgesetzt werden, wird das zu einer Entkopplung der beiden Volkswirtschaften führen. Die USA und China tauschten im Jahr 2024 Waren im gigantischen Wert von fast 600 Milliarden US-Dollar aus – Ströme, die seit langem ein riesiges Netzwerk gemeinsamer Interessen bilden und als mächtige Eskalationsbremse dienen.

Handelskrieg ante portas – riskanter Zweikampf der geopolitischen Mächte
Alexander Eberan, Leiter Private Banking Wien, Steiermärkische Sparkasse.
© Carolina Frank / Steiermärkische Sparkasse

Donald Trumps Zoll-Taktik geht davon aus, dass die Androhung massiver Konsequenzen China zu Verhandlungen zwingen wird. Aber China unter Druck zu setzen, könnte nach hinten losgehen. Die Volksrepublik China hat nicht nur enormes wirtschaftliches Gewicht, sondern reagiert auch sensibel auf Kränkungen durch westliche Mächte, die es als Versuch ansieht, ihren globalen Aufstieg zu vereiteln.

Auf der Suche nach Alternativen

Die Zölle belasten die chinesischen Exporte, verschärfen die Überkapazitäten und verstärken den deflationären Druck. Peking bemüht sich daher aktiv um eine Diversifizierung seiner Handels- und Investitionsbeziehungen, etwa zu Japan, Südkorea und den ASEAN-Staaten (Verband zehn südostasiatischer Staaten zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Zusammenarbeit).

Das Streben nach alternativen wirtschaftlichen Verflechtungen ist jedoch nicht ganz einfach – abweichende Regulierungsstandards, geopolitische Rivalität und sich überschneidende regionale Interessen könnten ihrem Erfolg im Weg stehen.

Binnenkonsum im Fokus

Daher setzt Peking zunehmend auf eine strategische Neuausrichtung im Inland. Kern dessen ist ein erneuter Fokus auf die Stärkung von Einkommen und den Konsum der privaten Haushalte. Zu den im März angekündigten Maßnahmen zählen Anpassungen bei der Mindestlohnregelung, die Ausweitung von Renten- und Arbeitslosenleistungen sowie gezielte Subventionen zur Entlastung bei der Kinderbetreuung – allesamt Schritte, um strukturelle Hürden für den privaten Konsum abzubauen.

Noch bemerkenswerter ist jedoch, dass Chinas Führung unter Xi Jinping erstmals den Binnenkonsum zum zentralen Pfeiler der nationalen Wirtschaftspolitik erklärt hat. Die Abkehr von einem export- und investitionsgetriebenen hin zu einem konsumorientierten Wachstumsmodell war lange angekündigt – nun scheint dies gezielt umgesetzt zu werden. Der Handelskonflikt mit den USA könnte sich dabei als Katalysator erweisen.

Die Geldpolitik der chinesischen Zentralbank (People’s Bank of China) zieht mit den fiskalischen Maßnahmen an einem Strang. Die jüngsten Abwertungen des Yuan unterstreichen Pekings Strategie: den Exportdämpfer abzufedern, ohne Kapitalabflüsse oder Instabilität am Finanzmarkt zu riskieren.

Weitere geldpolitische Lockerungen gelten als wahrscheinlich. Im Raum stehen gezielte Liquiditätsspritzen, Leitzinssenkungen sowie zusätzliche Maßnahmen zur Stützung der Kreditvergabe. Parallel koordiniert sich die Zentralbank eng mit staatlichen Fonds, um die Marktliquidität sicherzustellen und die Volatilität einzudämmen.

Technologie und Wirtschaftswachstum

Des Weiteren setzt China einen Schwerpunkt im Bereich der künstlichen Intelligenz. Und die Strategie der Regierung, KI als wichtigen Motor des Wirtschaftswachstums zu fördern, beginnt Früchte zu tragen: Investitionen fließen gleichermaßen in Start-ups und etablierte Unternehmen.

Es wird erwartet, dass sich die Einführung von KI in allen Branchen beschleunigen wird, was den langfristigen Wachstumsaussichten zugutekommen dürfte. Nirgendwo wird dies deutlicher als im rasanten Aufstieg von DeepSeek, dem KI-Startup, das mit seinem günstigen Large Language Model (LLM) die Aufmerksamkeit des Marktes auf sich gezogen hat. Der Aufstieg des Unternehmens signalisiert sowohl technologische Reife als auch einen potenziellen Wendepunkt.

Is now a good time to invest?

„Die Marktstimmung bleibt angesichts des eskalierenden Handelskriegs fragil und wird zusätzlich durch inländische Herausforderungen wie Deflation, schwachen Konsum und noch immer nicht gelösten Problemen am Immobilienmarkt belastet. Dennoch bietet der technologische Aufschwung, wie er durch Unternehmen wie DeepSeek reflektiert und durch kontinuierliche staatliche Unterstützung gefördert wird, einen positiven Ausgleich zur vorherrschenden Marktunsicherheit“, unterstreichen Karl Freidl und Alexander Eberan.

Zudem machen die derzeitigen Bewertungsabschläge chinesische Aktien im internationalen Vergleich attraktiv. Für langfristig orientierte Anleger, die bereit sind, kurzfristige Volatilität durchzustehen, sind chinesische Aktien einen näheren Blick wert.

https://www.sparkasse.at/steiermaerkische

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