Europäische Schuldenkrise: Italien als neues Sorgenkind der Eurozone

Rasant gestiegenen Zinsen rücken Haushaltsrisiken für Staaten der EU in den Fokus.
© Margit Kundigraber / Steiermärkische Sparkasse
Europäische Schuldenkrise: Italien als neues Sorgenkind der Eurozone
Karl Freidl, Leiter Private Banking Graz, Steiermärkische Sparkasse.

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Erinnerungen an die Schuldenkrise der Eurozone des Jahres 2010, die eng mit dem Namen Griechenland verbunden sind, werden wach. Diesmal heißt das Sorgenkind der Europäischen Familie Italien.

Investoren misstrauen der Haushaltspolitik der italienischen Regierung und verkaufen ihre Staatspapiere, was zu steigenden Renditen und erhöhten Refinanzierungskosten des ohnehin hoch verschuldeten Landes führt. Die Renditen zehnjähriger italienischer Staatsanleihen kratzen bereits an der fünf Prozent Marke, berichten die Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking.

Griechenland reduziert Schuldenquote

© PantherMedia / Jurgis Mankauskas
Europäische Schuldenkrise: Italien als neues Sorgenkind der Eurozone

Griechenland ist nach wie vor Spitzenreiter innerhalb der Eurozone, wenn es um Schulden geht – ein Erbe der schweren Finanzkrise, die das Land in den 2010er-Jahren mehrfach an den Rand des Zahlungsausfalls brachte. Im ersten Quartal 2023 lag die Verschuldungsquote bei 168,3% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP).

Allerdings hat der griechische Staat zuletzt seine Schuldenquote so stark wie kein anderes EU-Land reduziert. Erst vor wenigen Wochen haben die Griechen, die vor einigen Jahren beinahe aus der Gemeinschaftswährung geflogen wären, das Etikett „Investment Grade“ der Ratingagentur Standard & Poors (S&P) nach mehr als einem Jahrzehnt auf Ramsch-Status wiedererlangt.

Italien unter Beobachtung

In umgekehrter Richtung entwickelt sich Italien, das derzeit unter strenger Beobachtung der Ratingagenturen steht: Ende Oktober 2023 bestätigte S&P das Rating von BBB/A-2, was gerade noch „Investment Grade“ bedeutet. Zwei Wochen danach beließ auch FitchRating das Triple B – die Ratingagentur Moody´s ist Mitte November dem Beispiel der anderen Bewertungen gefolgt und hat die Kreditwürdigkeit von Italien ebenso am derzeitigen Stand beibehalten. Eine Bewertung unterhalb von „Baa3“ gilt als Subprime Rating, auch bekannt als „Junk Bonds“ oder „High Yield“.

© PantherMedia / Fredex
Europäische Schuldenkrise: Italien als neues Sorgenkind der Eurozone

Die Zeugnisse der Ratingagenturen sind mehr als nur technische Pflichtübungen, denn sie entscheiden über die Refinanzierungskosten eines Staates.

Ringen um neue Schuldenregeln

Die Schulden Italiens lagen im Q1/2023 in Relation zum BIP bei 143,5%, gefolgt von Portugal mit 113,8%, Spanien mit 112,8% sowie Frankreich mit 112,4%. Österreich hat ebenfalls eine steigende Schuldenquote und rangiert derzeit im „Ranking der europäischen Schuldenkaiser“ an 8. Stelle. Die geringste Verschuldensquote weist Estland mit 17,2% auf. Die Staatsverschuldung beträgt in den EU-Staaten im Mittel aktuell rund 90 Prozent des BIP.

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Europäische Schuldenkrise: Italien als neues Sorgenkind der Eurozone
Alexander Eberan, Leiter Private Banking Wien, Steiermärkische Sparkasse.

Während die Staatschulden der Europäischen Länder steigen, lahmt die Wirtschaft und die EU-Finanzminister ringen gleichzeitig um eine Einigung über neue Schuldenregeln, die seit der Corona-Krise ausgesetzt waren. Die EU will diese bis Ende des Jahres aktualisieren und ab 2024 wieder in Kraft setzen. In Zeiten, in denen zusätzliche Staatsausgaben wegen multipler Krisen – für die Verteidigung, die Subventionierung der Industrie, den Wiederaufbau in der Ukraine, die Sozialsysteme, aber auch wegen längerfristiger Probleme wie des demographischen Wandels – drohen, ist eine Einigung keine triviale Aufgabe.

„Nord gegen Süd“

Die Vorstellungen der südlichen und nördlichen EU-Länder – also denen, die eher Schulden machen, und jenen, die eher sparen wollen – liegen weit auseinander. Im Vertrag von Maastricht einigten sich die EU-Länder im Jahr 1992 darauf, für Preisstabilität, gesunde und auf Dauer tragfähige öffentliche Finanzen, eine Wechselkursstabilität und stabile langfristige Zinssätze zu sorgen.

So sind etwa 3% des BIP als Obergrenze der Neuverschuldung und eine Schuldenquote von 60% des BIP vorgeschrieben, was wegen der Corona-Krise 2020 und zuletzt wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine ausgesetzt wurde.

Im Mittelpunkt steht der Streit zwischen Frankreich und Deutschland. Beide Länder stellen nicht grundsätzlich die EU-Ziele in Frage. Vielmehr geht es um die Geschwindigkeit, mit der die Länder diese Ziele erreichen sollten. Die Zeit drängt: Wenn bis zum Jahresende keine politische Einigung erzielt wird, greift das bisherige Regelwerk. Und dann wäre eine Interpretation der Schuldenregeln notwendig. Das würde die Unsicherheit an den Finanzmärkten erhöhen.

https://www.sparkasse.at/steiermaerkische

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