Europäische Aktien: Entwicklungsparallelen zu den 1990er Jahren

Stimmungslage der Unternehmen verbessert sich – bevorstehende Zinssenkungen beflügeln.
© Margit Kundigraber / Steiermärkische Sparkasse
Europäische Aktien: Entwicklungsparallelen zu den 1990er Jahren
Karl Freidl, Leiter Private Banking Graz, Steiermärkische Sparkasse.

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Trotz der aktuell recht mageren Konjunkturprognosen für die europäische Wirtschaft sorgten die europäischen Aktienmärkte zuletzt immer wieder für positive Überraschungen. Insbesondere der deutsche Aktienindex DAX testet wiederholt neue Höchststände.

Die Kurse haben sich von den makroökonomischen Prognosen abgekoppelt und steigen auf breiter Front, obwohl die Erwartungen an Zinssenkungen der Zentralbanken in den letzten Monaten etwas zurückgeschraubt bzw. vertagt wurden. Erinnerungen an die 1990er Jahre werden wach, schreiben die Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking.

1995 – eine geldpolitische Wende

Das damalige Drehbuch könnte in der aktuellen Phase als Wegweiser für steigende europäische Aktienmärkte dienen. Auch Mitte der 1990er Jahre war das Wirtschaftswachstum in Europa im Vergleich zu den USA schwach. Die technologische Innovation, relativ angespannte Arbeitsmärkte und eine US-Inflation auf vergleichbarem Niveau wie heute, sowie gemischte, jedoch insgesamt positive Wirtschaftsdaten kennzeichneten das damalige Bild in den USA. Die Fed senkte die Zinsen zeitlich später und langsamer als von den Anlegern ursprünglich vorhergesehen.

Im Jahr 1995 leitete der damalige Vorsitzende der amerikanischen Notenbank Fed, Alan Greenspan, eine geldpolitische Wende ein. Nach einer Phase steigender Zinssätze verkündete er, dass die Fed wahrscheinlich in der Lage sein würde, den Preisanstieg ohne große Schwierigkeiten einzudämmen. Monate danach stieg auch die damalige Deutsche Bundesbank von Zinserhöhungen auf künftige Zinssenkungen um.

Die europäischen Aktien befanden sich bereits im Aufwind und folgten den US-Aktien nach oben. Die nachfolgende Periode sollte später auch als „perfekte weiche Landung“ bezeichnet werden.

Erholung, Zinssenkungen und Unternehmensgewinne

Auch heute werden die europäischen Aktienmärkte von der Hoffnung auf eine baldige Senkung der Leitzinsen im Juni, sich verbessernde Wirtschaftsdaten und eine allgemeine Verbesserung der Stimmung bei den Unternehmen beflügelt. Ein weiterer Indikator für eine positive Tendenz wie damals im Jahr 1995 ist der deutliche Anstieg der Fusionen und Übernahmen in Europa im Jahresvergleich.

Europäische Aktien: Entwicklungsparallelen zu den 1990er Jahren
Alexander Eberan, Leiter Private Banking Wien, Steiermärkische Sparkasse.
© Carolina Frank / Steiermärkische Sparkasse

Die europäischen Gewinnrevisionen stehen – blickt man auf die makroökonomischen Frühindikatoren – wohl am Anfang einer Erholung von den Tiefstständen. Diese Entwicklung sollte sich in der laufenden Berichtssaison und im weiteren Verlauf des Jahres fortsetzen.

Europäische Unternehmen profitieren von einer Reihe positiver Themen und Trends, wie Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz oder auch Kapitalausschüttungen sowie Aktienrückkäufen und Dividenden. Viele Firmen sind in der Lage, Margen- und Preisgewinne, die sie während der Covid-Phase erzielt haben, weitgehend zu halten. Geopolitische exogene Schocks stellen aber auch zukünftig ein Risiko dar, das den Höhenflug der europäischen Aktienmärkte stoppen könnte.

Prinzipien und Geduld gefragt

Ungeachtet der positiven Signale der Aktienmärkte – nicht nur in Europa – sollte man als Anleger einigen Prinzipien folgen. Man sollte wie ein Eigentümer denken. Schlussendlich kauft man nicht nur ein abstraktes Wertpapier, sondern einen Anteil an einem Unternehmen. Der Preis der Aktie ist selbstredend auch nicht gleich der Wert. Finanzmärkte sind von Massenpsychologie beeinflusst, und daher schwankt der Preis einer Aktie an der Börse viel stärker als der eigentliche Wert des Unternehmens.

Weiters ist Geduld ein wesentlicher Faktor beim Anlegen. Das perfekte Timing an den Märkten zu erwischen, ist eine Illusion. Es gilt, eine persönliche Anlagestrategie zu definieren, gemäß dieser zu agieren und auch daran festzuhalten. Gier ist einer der größten Feinde für den Anleger.

Ebenso führen Informationen, die einem breiten Spektrum der Anleger:innen bekannt sind, oft zu hohen Bewertungen einzelner Unternehmen. Der Hype um „disruptive Technologien“ oder Batterietechnologien, Robotik, Wasser oder Solarenergie waren solche Beispiele.

Das heißt nicht grundsätzlich, dass diese oder andere Themen per se schlechte Investments sind. Doch in der Regel sind sie dann schlechte Investments, wenn sie an den Börsen als Story gefeiert werden und die Bewertung keine Rolle mehr spielt. In diesem Zusammenhang bleibt es spannend, wie sich der Hype um die Künstliche Intelligenz weiter entwickeln wird.

https://www.sparkasse.at/steiermaerkische

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