In Österreich ernährt sich schätzungsweise ein Prozent der Bevölkerung vegan. Diese Zahl klingt auf den ersten Blick unbedeutend gering und erweckt nicht den Eindruck einer gravierenden wirtschaftlichen Relevanz. Doch bereits zehn Prozent der Österreicher essen vegetarisch und circa die Hälfte aller Einwohner – das sind 4,6 Millionen Menschen – betiteln sich selbst als Flexitarier, sie konsumieren also gelegentlich Fleisch.
Ein eindeutiger Trend macht sich bemerkbar: Bis zum Jahr 2029 soll der Markt dabei einen Wert von 16,7 Milliarden US-Dollar erlangen. Hierzulande sind vor allem vegane Fleisch- und Milchersatzprodukte am beliebtesten und selbst Menschen, die sich keiner der obig genannten Labels zuschreiben, greifen gerne mal zum Haferdrink oder pflanzlichen Burger-Patty.
Ein Blick auf die Börse entkräftet allerdings derzeitige Entwicklungen: Die teils eingestürzten Aktienkurse beliebter pflanzlicher Lebensmittelhersteller werfen Fragen auf.
Ökologie und Rentabilität
Jährlich nimmt die Weltbevölkerung um zirka 66 Millionen Menschen zu, was in einer wachsenden Ressourcenerschöpfung resultiert und eine umweltschonende Lebensweise aller fordert. Ernährt man sich vegan, spart man ohne viel Mehraufwand zwei Drittel der Ressourcen ein, die ein Fleischesser verbraucht.
„Wir müssen uns umschauen, wie sich Lebensmittel auch künstlich herstellen lassen. Denn der Klimawandel zerstört immer mehr Land und Fläche – Fleisch wird zukünftig sehr knapp sein“, verdeutlicht Shanna Strauss-Frank, Österreich-Sprecherin der Investmentgesellschaft Freedom Finance Europe.
Doch seit geraumer Zeit sind neben Energie auch Lebensmittel für Endkonsumenten deutlich teurer. Dabei waren künstliche Fleischersatzlebensmittel bereits vor der Teuerung im Durchschnitt doppelt so kostenintensiv wie Rind- und Schweinefleisch – die Inflation senkt die Nachfrage nach solch kostspieligen Nischenprodukten erneut.
„Für die Mehrheit der Bevölkerung ist der tägliche Konsum von Ersatzprodukten derzeit unerschwinglich“, so Shanna Strauss-Frank.
Inflation und Wettbewerbsdruck beeinflussen Aktienkurs
Lange Zeit galt zum Beispiel der Hersteller Beyond Meat mit seinen verblüffend fleischähnlichen Produkten als Shooting-Star und Pionier der veganen Lebensmittelbranche. Doch rasch folgte der Crash: Nach einem turbulenten Börsengang 2019 und einer enttäuschenden Wachstumsprognose stürzte die Aktie ein und konnte sich bis heute nicht mehr erholen. Für das dritte Quartal im Geschäftsjahr 2022 vermeldete Beyond Meat einen Umsatzrückgang von 22,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
„Das makroökonomische Umfeld ist düster, das unterstreicht dieser deutliche Rückgang. Beyond Meat ist mit steigenden Produktionskosten aufgrund von Inflation und Wettbewerbsdruck konfrontiert. Allerdings baut der Hersteller seine Präsenz durch starke Partnerschaften wie mit McDonalds weiter aus, was den Umsatz wieder ankurbeln könnte“, erklärt die Finanzexpertin Shanna Strauss-Frank.
Auch der Produzent Oatly ging mit seinen pflanzlichen Milchalternativen 2021 an die Börse – der Kurs ist seitdem gesunken. Ist Veganismus ein vergleichsweise junger Trend, der sich noch nicht in der breiten Masse gänzlich durchsetzen konnte, haben es insbesondere jene Hersteller schwer, die ausschließlich mit pflanzlichen Produkten Gewinne erwirtschaften müssen.
Sowohl bei Beyond Meat als auch bei Oatly waren zu ihren IPOs (Initial Public Offering – Anm. d. Red.) die Erwartungen zu hoch und die hinzukommenden globalen Krisen der letzten Jahre erschwerten zusätzlich das Wirtschaften.
Konzerne erweitern Portfolio
Während junge Hersteller von wirtschaftlichen Herausforderungen härter getroffen werden, können sich etablierte Konzerne eher auf ihre finanzielle Stabilität verlassen. Das zeigt unter anderem das Traditionsunternehmen Kellogg mit seiner veganen Tochterfirma Morningstar Farms.
Hier kann der pflanzliche Hersteller von der jahrelangen Erfahrung seiner Mutter profitieren. Auch spiegelt sich dies im Kurs der Kellogg-Aktie wider, der gesamt betrachtet stabil bleibt.
Ähnlich bei Hormel Foods: Lange Zeit war der Konzern mit seinen Fleischkonserven eher altmodisch aufgestellt, doch mit Happy Little Plants gibt es nun eine rein pflanzliche Marke im Portfolio. Weil Hormel dank des konservativen Führungsstils eine solide Bilanz mit wenig Schulden anstrebt, konnte das Unternehmen seit mehr als 50 Jahren jedes Mal seine Dividenden erhöhen. Trotz derzeitig höherer Produktionskosten konnte Hormel Foods so einen Rekordgewinn erzielen und seinen Aktienkurs ebenfalls stabil halten.
Garantie für Wachstum?
Auch wenn die Kurse und Unternehmensentwicklungen einiger pflanzlicher Hersteller derzeit eher getrübt sind, verweist Shanna Strauss-Frank auf ihr stetig wachsendes Potenzial, wenn auch unter Vorbehalt: „Mit ansteigender Weltbevölkerung wird die Branche auch weiterwachsen. Es ist nur fraglich, wann der Weg zum Massenkonsum gelingt.“