Die Automobilbranche, lange der leistungsstarke Motor der Wirtschaft, ist gespalten: Während manche Konzerne mit Milliardeninvestitionen in Elektrowerke und Software-Infrastruktur den Wandel aktiv gestalten, kämpfen besonders mittelständische Unternehmen mit fehlender Kaufkraft und globalem Wettbewerbsdruck.
Die Herausforderungen sind enorm: Fachkräftemangel, stockende Ladeinfrastruktur und der Rückzug staatlicher Förderung bremsen selbst die ambitioniertesten Pläne. Ebenso China – einst wichtigster Absatzmarkt – wird zum größten Konkurrenten.
Die Frage ist: Wer schafft den Übergang und wer bleibt auf der Strecke?
Umsatzrückgang und Innovationsdruck
2024 musste die Branche einen empfindlichen Rückschlag verkraften: Der Gesamtumsatz sank im ersten Halbjahr um 4,7 % auf 269,5 Milliarden Euro – nach einem Rekordwert von 282,6 Milliarden im Vorjahreszeitraum. Besonders hart traf es Hersteller von Karosserien, Aufbauten und Anhängern (–11,6 %) sowie Zulieferer von Teilen und Zubehör (–5,4 %).
Ursachen sind unter anderem gestiegene Rohstoffpreise sowie hohe Investitionen in Elektromobilität, Digitalisierung und automatisiertes Fahren – ein enormer Kraftakt, der kurzfristig Gewinne schmälert, aber für die Zukunft überlebenswichtig ist.
Strukturwandel am Arbeitsmarkt
Trotz der wirtschaftlichen Schieflage bleibt die Zahl der Beschäftigten stabil.
Laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) stieg die Zahl der Beschäftigten 2023 erstmals seit Jahren leicht auf rund 779.700 Personen (+1 % im Vergleich zum Vorjahr). Während klassische Produktionsjobs verschwinden, steigt die Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften in zukunftsrelevanten Bereichen wie Software, Batterietechnik und Ladeinfrastruktur.
Der Umbau der Branche verändert auch ihre DNA: vom Maschinenbauer zur Tech-Schmiede.
Globaler Druck steigt
Jeder fünfte aus Deutschland exportierte Neuwagen war 2024 elektrisch – ein Rekord. Die rund 1,7 Millionen Pkw belaufen sich auf einen Wert von 68,4 Milliarden Euro. Die Elektromobilität gilt als strategischer Hoffnungsträger.
Dennoch ist die Nachfrage volatil: Im Inland gingen die Neuzulassungen reiner E-Autos 2024 um 27 % zurück. Ursachen sind neben dem Wegfall staatlicher Förderungen auch der schleppende Ausbau der Ladeinfrastruktur und hohe Kosten für Batterien. Der Markt ist da – aber er verlangt nach Tempo und Vertrauen. Gleichzeitig nimmt der globale Wettbewerb zu. Die Exporte nach China – lange der wichtigste Absatzmarkt – fielen 2023 um 18 % und 2024 nochmals um 17 %.
Der Grund: Konkurrenz aus dem eigenen Zielland. Marken wie BYD und Nio bieten technologisch ausgereifte, softwaregetriebene E-Fahrzeuge zu deutlich günstigeren Preisen. Protektionistische Maßnahmen und geopolitische Spannungen verschärfen die Lage.

Während deutsche Hersteller noch über Skalierung und Lieferketten diskutieren, rollt in China die nächste Generation von E-Autos längst vom Band – technisch ausgereift, günstiger, softwaregetrieben. Die Karten auf dem Weltmarkt werden gerade neu gemischt.
Die Frage ist: Wer bleibt im Spiel und wer wird zum Statisten der eigenen Industriegeschichte?
Risiko für Zulieferer
Besonders deutlich zeigen sich die wirtschaftlichen Spannungen bei den Automotive-Zulieferern. Mit jährlich zwischen 2,1 % und 2,8 % zählt ihre Insolvenzquote seit 2022 zu den höchsten unter allen Branchen in Deutschland.
Vor allem mittelständische Firmen mit wenig Transparenz sind überdurchschnittlich betroffen: Bei jenen, die keine Finanzdaten veröffentlichen, liegt die Ausfallquote bei rund 6,6 %. Eine Analyse der Ausfallwahrscheinlichkeiten zeigt: Viele Insolvenzen zeichnen sich frühzeitig ab. So lag die durchschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) betroffener Unternehmen teils deutlich über 3 % – bei rund einem Viertel sogar bei über 6,9 %.
In mehreren öffentlich dokumentierten Fällen zeigten sich bereits lange vor der Insolvenz auffällige Bonitätsrisiken. Wer solche Signale rechtzeitig erkennt, kann sich absichern – etwa durch Vorkasse oder Bürgschaften – und wirtschaftliche Schäden vermeiden.
Auch größere Unternehmen geraten zunehmend unter Druck. Der strukturelle Umbau der Branche erfasst alle Größenklassen – und mit ihm die Notwendigkeit, Risiken frühzeitig zu identifizieren.
Von der Krise zur Chance?
Ob sich „Made in Germany“ als internationales Qualitätsversprechen auch in diesem neuen Kapitel behauptet, wird sich in den nächsten Jahren entscheiden.
Sicher ist: Die deutsche Automobilindustrie steht vor einem tiefgreifenden Strukturwandel. Unternehmen müssen Innovation, Kostendisziplin und soziale Verantwortung in Einklang bringen. Es geht um Tempo, Agilität – und verlässliche Partner.
Für Unternehmen, Investoren und Branchenbeobachter sind aussagekräftige Zahlen und fundierte Analysen entscheidender denn je. Die richtigen Signale frühzeitig zu erkennen – von Liquiditätsrisiken bis zu Investitionsstrategien – kann den Unterschied machen zwischen strategischem Weitblick und teurem Irrweg.