Taumelnder Außenhandel: Deutschlands Lebensader auf dem Prüfstand

Wie gefährlich ist der „Zolldruck“ und an welchen Stellschrauben sollten Unternehmen jetzt drehen?
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Taumelnder Außenhandel: Deutschlands Lebensader auf dem Prüfstand
Peer Hitschke, Risk Experte bei der Wirtschaftsauskunftei Creditsafe.

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Donald Trump ist zurück und mit ihm auch seine alte, neue Waffe: der Zoll. Während Europa auf Freihandel setzt, spricht der Präsident der Vereinigten Staaten wieder von „America First“ und „unfairen Handelspraktiken“ – mit Deutschland klar im Visier.

Warum die wirtschaftspolitischen Folgen seiner jüngsten Zollpläne hierzulande gravierender sein könnten, als vielen bislang bewusst ist, erklärt Peer Hitschke, Risk Experte bei der Wirtschaftsauskunftei Creditsafe.

Exportweltmeister Deutschland

Deutschland lebt vom Außenhandel – stärker als fast jedes andere Land. Fast 90 Prozent unserer Wirtschaftsleistung hängen heute direkt oder indirekt am grenzüberschreitenden Handel. Noch Mitte der 1990er Jahre lag dieser Anteil bei rund 40 Prozent. Seither haben sich die Exporte mehr als verdoppelt, mit einem Anstieg des Handelsvolumens von über 44 Prozent allein zwischen 2015 und 2022.

Auch wenn das Volumen in den letzten zwei Jahren rückläufig war (mehr als -7 Prozent seit 2022), ist Deutschlands globale wirtschaftliche Verflechtung ungebrochen.

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Außenhandel Deutschland
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Besonders wichtig hierbei ist die USA. Im Jahr 2024 lösten sie China, trotz sinkender Importe, als wichtigsten Handelspartner ab. Der Export in die Vereinigten Staaten stieg zuletzt weiter an: auf 161 Milliarden Euro – ein Plus von 2,2 Prozent. Der Überschuss gegenüber den USA legte sogar um über zehn Prozent zu auf 70 Milliarden Euro. Seit 2015 bewegt sich Deutschlands gesamter Exportüberschuss im Bereich zwischen 180 und 240 Milliarden Euro – ein Wert, der das strukturelle Ungleichgewicht im transatlantischen Handel weiter unterstreicht.

Genau dieser Überschuss ist es, der Donald Trump seit Jahren ein Dorn im Auge ist.

US-Zölle und die unberechenbare Außenpolitik

Doch die Zölle an sich sind gar nicht das Hauptproblem – sondern die Art, wie sie kommen. Mal angekündigt, dann wieder vertagt, in letzter Minute geändert, wieder infrage gestellt. Wer in einem solchen Klima plant, braucht mehr als nur starke Nerven – er braucht einen Plan B, C und D. Das größte Risiko liegt in der Unsicherheit selbst.

Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) drohen Deutschland allein durch diese Unwägbarkeiten Wachstumsverluste von bis zu einem Prozent.

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Anteil Deutschland Importe / Exporte
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Problematisch hierbei: Donald Trump greift nicht nur einzelne Branchen heraus, sondern zielt auf ein ganzes Modell – das der offenen Exportökonomie. Besonders betroffen wären deutsche Schlüsselindustrien: Automobil, Maschinenbau, Chemie und Pharma. Laut Studien hängen rund 1,2 Millionen Jobs hierzulande direkt vom Handel mit den USA ab – mehr als in den beiden größten Industriebranchen zusammen. Ein Einbruch der Exporte von bis zu 20 Prozent steht im Raum – mit massiven Auswirkungen auf Beschäftigung und Wohlstand.

Autoindustrie direkt und indirekt betroffen

Besonders bitter trifft es die deutsche Autoindustrie. Viele Hersteller haben in den letzten Jahren Teile ihrer Produktion für den US-Markt nach Mexiko verlagert – um Transportwege zu verkürzen und vor Ort präsenter zu sein. Doch wenn nun Einfuhrzölle von 25 Prozent auf Waren aus Mexiko erhoben werden, zahlen auch diese Werke drauf – der Zollhammer trifft also doppelt.

Auch die Logistikbranche steht unter Druck. Bremerhaven etwa – Europas größter Auto-Umschlagplatz – verschifft rund 70 Prozent seiner Waren in die USA. Diese Mengen lassen sich nicht einfach in andere Märkte umlenken. Ganze Regionen hängen an diesem einen Nadelöhr des Welthandels. Zudem dürften Drittstaaten ihre US-Waren vermehrt nach Europa umleiten – und so den Druck auf deutsche Anbieter erhöhen.

Gleichzeitig birgt die Lage auch Chancen: Neue Handelsbarrieren könnten andere Regionen näher an Europa rücken lassen. Wer jetzt aktiv nach verlässlichen Partnern sucht, kann wirtschaftlich an Einfluss gewinnen.

Was können Unternehmen tun?

Die Antwort ist ernüchternd: Komplett absichern lässt sich niemand, auch nicht-exportorientierte Betriebe sind gefährdet. Die Risiken verteilen sich quer über die gesamte Wertschöpfungskette – von der Produktion bis zur Logistik. Dennoch gibt es Stellschrauben:

  1. Die systematische Überwachung wirtschaftlicher Risiken bei Partnern, etwa mit Tools, die Einsicht in ihre Zahlungshistorie geben und potenzielle Risiken frühzeitig erkennen lassen.

  1. Der strategische Ausbau internationaler Märkte – im Bremerhaven sucht man bereits nach neuen Handelsrouten. Aber auch hier gilt: Sorgfalt vor Schnellschuss.

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Der Trump-Effekt ist real – und er trifft Deutschland ins Mark.
© unsplash / Dominik Lückmann

Beim Aufbau neuer Partnerschaften müssen Unternehmen genau hinschauen. Eine gründliche Marktanalyse ist Pflicht: Wo liegt Potenzial für das eigene Produkt oder die Dienstleistung? Welche Regionen sind wirtschaftlich stabil? Und wie sieht es mit rechtlichen Rahmenbedingungen oder kulturellen Besonderheiten aus?

Wer diese Faktoren ignoriert, läuft Gefahr, Kapital und Chancen zu verlieren. Gerade in unsicheren Zeiten gilt: Wachstum ja – aber nur, wenn es auch kapitaleffizient ist.

Welche Indikatoren zählen jetzt?

Was jetzt zählt, ist ein wachsames Auge auf die kommenden Entwicklungen zu haben, denn es kommt auf das Zusammenspiel vieler Faktoren an.

Sollte die EU mit Gegenzöllen auf Donald Trumps Strategie reagieren, mag das kurzfristig als starkes Signal wirken. Doch langfristig droht ein gefährlicher Nebeneffekt: ein ausgewachsener Handelskonflikt. Für Deutschland und Europa könnte das richtig teuer werden. Höhere Zölle auf US-Waren verteuern wichtige Vorprodukte, vor allem für die verarbeitende Industrie. Die Folge? Ein Preisschub, der die Inflation erneut befeuern könnte. Dann müsste die EZB gegensteuern – mit Maßnahmen, die jede wirtschaftspolitische Hoffnung auf Wachstum im Keim ersticken würden.

Fazit

Donald Trumps Rückkehr auf die Weltbühne bedeutet mehr als nur politische Rhetorik. Es ist ein wirtschaftlicher Ernstfall – besonders für Deutschland. Die Zölle treffen nicht nur Produkte, sondern ein gesamtes Wirtschaftsmodell.

„Die größte Gefahr aber ist die Unberechenbarkeit, die Investitionen hemmt und Vertrauen zerstört. Für den Exportweltmeister Deutschland heißt das: Die goldenen Jahre des freien Handels sind vorerst vorbei. Kurz gesagt: Wer jetzt nicht gegensteuert, riskiert nicht nur Exporte, sondern Arbeitsplätze, Wachstum und wirtschaftliche Stabilität. Nun heißt es, klüger, vernetzter und resilienter zu agieren“, unterstreicht Peer Hitschke abschließend.

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